Nawalny, von der Leyen und SpaceX: Nicht zum Mars

Worte allein beeindrucken den Kreml längst nicht mehr. Elon Musks Rakete stürzt ab und Erben verstärkt Ungleichheit.

Kreml-Kritiker Alexei Nawalny vor Gericht.

Liebe als Hoffnungsschimmer: Kreml-Kritiker Alexei Nawalny vor Gericht in Moskau Foto: ap

taz: Herr Küppersbusch, was war schlecht vergangene Woche?

Friedrich Küppersbusch: Verkehrsminister Scheuer meint: Montag lieber zu Hause bleiben.

Und was wird besser in dieser?

Andi. Nur Montag?

Immer mehr Rechtsextremisten besitzen in Deutschland legal eine Waffe. Gruselfaktor bei Ihnen von 1 bis 100?

Nein; immer weniger Behörden haben den Schuss nicht gehört. Bis Februar 2020 musste man schon in einer verbotenen Partei sein, um keine Waffe besitzen zu dürfen. Seither genügt es auch, wenn man auf eigene Faust die Kappe am Kreisen hat; der Verfassungsschutz prüft alle drei Jahre. Haha, Schreckschuss! Mitunter geben sich die Ämter nämlich mit einer „Selbstauskunft“ zufrieden. Und tun sich schwer, den Bestand zu durchforsten. Kurz: Die Dunkelziffer dürfte weitaus höher sein, die Verfassungsschützer robben sich durchs Unterholz langsam auf die Lichtung.

Kreml-Kritiker Alexei Nawalny muss für fast drei Jahre in Lagerhaft. Kritik an der Verurteilung vonseiten der EU scheint den Kreml wenig zu beeindrucken. Hilft jetzt nur noch der Stopp von Nord Stream 2?

2018 habe ich hier in der taz zum Fall Skripal an Brandts Ostpolitik erinnert. Ein ZDF-Korrespondent polemisierte dagegen bei Twitter, wo es die Zeit falsch abschrieb und dahin zusammenfasste, dass ich „wie ein freundlicher Reichsbürger klinge“. Giovanni di Lorenzo kondolierte mir später, er könne das auch gar nicht alles lesen, was sein Blatt online verbreite. Druschba! In dieses aufgeschlossene Gesprächsklima hinein gern noch mal: Das „Erdgas-Röhren-Geschäft“ der 60er Jahre fundierte den „Wandel durch Annäherung“. Deutsche Stahlbarone und Energiekonzerne verdienten sich wund. Und erlaubten Brandt, mit Grundlagenverträgen den „Kalten Krieg“ zu lindern, menschliche Erleichterungen anzuschieben und den KSZE-Prozess einzuleiten.

Darauf bezieht sich Bundespräsident Steinmeier, wenn er jetzt warnt, „wie sollen wir … Einfluss nehmen, wenn wir letzte Verbindungen kappen?“. Äh, sorry, Reichspräsident natürlich. Nach einem Stopp von Nord Stream 2 gefragt, erklärte Nawalny selbst im Oktober: „Das ist Deutschlands Angelegenheit. Entscheidet selbst! Sanktionen gegen Russland insgesamt bringen nichts.“ Noch so ein Spinner.

Laut einer DIW Studie macht eine Welle an Erbschaften Vermögende in Deutschland noch reicher. Die Ungleichheit im Land werde somit verstärkt, heißt es. Erbschaftsteuer anheben?

Die Hälfte aller Erbschaften und Schenkungen landet bei 10 Prozent der Bevölkerung. Warum sollte es im Sarg gerechter zugehen als vorher? Über die Erbschaftsteuer von Toten zu holen, was man Lebende anhäufen ließ, ist nur auf den zweiten Blick gerecht. Milder wäre, Schenkungen nicht nur in der Familie steuerfrei zu stellen; dann kann man von warmer Hand die Kohle an Freunde raushauen. Oder gar zu Lebzeiten Vermögen gerechter zu besteuern. Bei der nächsten Séance mal nachhaken, ob Tote mehr links wählen.

Die SpaceX-Rakete von Elon Musk ist vergangene Woche erneut bei einem Testflug abgestürzt. Noch in diesem Jahr soll die Rakete eigentlich Passagiere zum Mond und Mars bringen. Wenn die taz zahlt: Würden Sie einsteigen?

Bei allem Respekt vor der kritischen Haltung der taz gegenüber weißen alten Cis-Männern: zum Mond schießen? Alle? Wir können reden. Mars mache ich aber nicht, da kommt man fertig verstrahlt an und ist final krebskrank. Elon Musks Fantasie von einer Marsbesiedlung basiert auf der Idee, so entstünde dann eine neue, weltraumstrahlen-resistente Spezies. Das kann er gern allein träumen. Peng.

EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen räumt Versäumnisse bei der Impfbeschaffung ein und entschuldigt sich. Verzeihen Sie ihr?

Die Kommission hat um Preise gefeilscht, statt Schritt zwei vorzudenken: Wo soll das Schnäppchen dann hergestellt werden? Nun fehlt es an schlagkräftigen Verbünden zwischen Patentinhabern und Großfertigern. Oder sagen wir mal: an Industriepolitik. Zwischendurch flackerte von der Leyen mit der unteririschen Idee auf, Exportkontrollen in Nordirland abzuhalten. Wenn es eine theoretische Chance gab, Großbritannien und Irland aneinanderzuschweißen – souverän genutzt. Entlasten mag sie, dass Deutschland nicht so bevorzugt wurde, wie es alle anderen wähnen.

Und was machen die Borussen?

Ich beantrage die vorerst befristete Umbenennung dieser Frage in „Wie geil ist eigentlich Rot-Weiss Essen?“

Fragen: Erica Zingher

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Jahrgang: gut. Deutscher Journalist, Autor und Fernsehproduzent. Seit 2003 schreibt Friedrich Küppersbusch die wöchentliche Interview-Kolumne der taz „Wie geht es uns, Herr Küppersbusch?".

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