Argentiniens neues Abtreibungsgesetz: Mutige Entscheidung

Auch den Abtreibungsgeg­ne­r*innen mag es um eine humanere Gesellschaft gehen. Die darf aber nicht nur den Frauen aufgebürdet werden.

Argentinierinnen halten grüne Kleiderbügel hoch

Keine Frau, die ihre Schwangerschaft nicht will, sollte in die Illegalität gedrängt werden Foto: Victor Caivano/dpa

Man möchte der Mitte-links-Regierung Fernández in Argentinien zu ihrem Mut gratulieren. Im zweitgrößten Land Südamerikas tritt nun ein Gesetz in Kraft, das es Frauen ermöglicht, bis zur 14. Schwangerschaftswoche abzutreiben – bei Übernahme der Arztkosten, was nicht unerheblich ist. Denn nicht nur restriktive Gesetze, auch finanzielle Schwierigkeiten zwingen jährlich zehntausende vor allem ärmere Frauen dazu, Abtreibungen illegal und unter prekären Umständen vornehmen zu lassen. Somit rettet das von der grünen Bewegung hart erkämpfte Gesetz vielen Frauen nicht nur Gesundheit und Leben. Es bewahrt sie auch vor dem Gefängnis.

Mutig war es trotzdem, denn im katholisch geprägten Argentinien ist die Mehrheit für das neue Gesetz so eindeutig nicht. Die Regierung verprellt damit rund 50 Prozent der Bevölkerung. Grund genug, sich frei von ideologischer Empörung mit einigen Argumenten auseinanderzusetzen.

Argentinien ist wie kein anderes Land Lateinamerikas von jeher gespalten in eine eher liberale Stadtbevökerung und in eine konservativ-katholische Landbevölkerung. Für viele Geg­ne­r*in­nen des Abtreibungsgesetzes besteht die grüne Bewegung aus privilegierten Mittel- und Oberschichtsangehörigen, die aus egoistischen Motiven handeln und den Willen der Landbevölkerung gering schätzen.

Die Realität zeigt aber, dass es vor allem arme Frauen vom Land sind, die bei einer ungewollten Schwangerschaft zu illegalen Methoden greifen müssen. Andere beklagen in christlicher Tradition, dass das Recht auf Abtreibung die Integration behinderter Menschen torpedieren würde. Der Verdacht: Frauen, die ein Kind mit Behinderung nicht austragen wollten, selektierten lebenswertes und lebensunwertes Leben.

Man mag den Geg­ne­r*in­nen der Wahlfreiheit zugutehalten, dass es ihnen teils auch um eine humanere, empathischere Gesellschaft geht. Doch genau dieses Projekt darf nicht immer wieder allein den Frauen aufgebürdet werden. Das zu verlangen ist ebenso inhuman, empathielos und letztlich unchristlich.

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