Merkels Coronakrisenmanagement: Lob des Durchhalteappells

Kanzlerin Merkel kann mit Zauberformeln nicht aufwarten. Vorläufig müssen wir uns mit dem Ausnahmezustand arrangieren.

Angela Merkel in einem Fernsehstudio der ARD

Außergewöhnlicher Auftritt: Angela Merkel am Dienstagabend in der ARD Foto: Shan Yuqi/imago

Dass Angela Merkel kurzfristig am Dienstagabend zur Primetime im Fernsehen auftrat, war außergewöhnlich. Die Kanzlerin hat den Ernst der Lage erkannt. Und das ist auch dringend erforderlich. Denn die Stimmung im Land droht zu kippen. Sehr viele Menschen sind einfach nur noch genervt von dem Ausnahmezustand, in dem sie seit Monaten leben. Sie wollen, dass der schreckliche Coronaspuk endlich vorbei ist. Das allerdings liegt nicht in der Macht Merkels.

Wer von ihrem Auftritt nach der „Tagesschau“ und vor dem DFB-Pokalspiel den großen Befreiungsschlag erwartet hatte, musste enttäuscht werden. Dass die Ungeduld wächst, ist mehr als verständlich. Wer würde jetzt nicht lieber frohe Botschaften verkündet bekommen anstelle von Durchhalteappellen? Doch so einfach ist es eben nicht. Die derzeitigen Einschränkungen im täglichen Leben sind keiner politischen Willkür geschuldet, sondern schiere Notwendigkeit angesichts der Wucht des Virus.

Es hätte weit weniger Infizierte und Tote gegeben, wenn die Re­gie­rungs­che­f:in­nen der Länder nicht aus Angst vor der öffentlichen Stimmung derartig versagt hätten, als sie zunächst im Oktober nichts und dann im November zu wenig getan haben – und zwar gegen Merkels Warnungen. Sich jetzt auf das vermeintliche Impfchaos der Bundesregierung zu stürzen, erscheint wie ein Ablenkungsmanöver.

Weder die Bundesregierung noch die EU-Kommission haben alles richtig gemacht. Selbstverständlich wäre es nötig gewesen, nicht nur Geld für die Entwicklung und den Kauf potenzieller Impfstoffe auszugeben, sondern spätestens ab Mitte vergangenen Jahres massiv in den Aufbau von Produktionsstätten in Europa zu investieren. Gleichwohl war stets klar, dass mit Beginn der Impfungen die Pandemie noch nicht besiegt ist. Das mögen viele nicht wahrhaben wollen.

Sie suchen jetzt nach einem Sündenbock. Das ändert aber nichts. Merkel hat den 21. September als Datum benannt, bis zu dem jede und jeder in der BRD ein Impfangebot bekommt. Daran wird sich die Bundesregierung messen lassen müssen – jedenfalls, wenn die Impfstoffe bis dahin noch wirken.

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Jahrgang 1966. Arbeitet seit 2014 als Redakteur im Inlandsressort und gehört dem Parlamentsbüro der taz an. Zuvor fünfzehn Jahre taz-Korrespondent in Nordrhein-Westfalen. Mehrere Buchveröffentlichungen (u.a. „Endstation Rücktritt!? Warum deutsche Politiker einpacken“, Bouvier Verlag, 2011). Seit 2018 im Vorstand der taz-Genossenschaft.

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