Staatssteich in Myanmar: Putsch mit Ansage

Das Militär übernimmt die Führung in Myanmar nun vollends. Dabei ist unklar, was sich die Generäle davon genau versprechen.

Buddhistische und militärische Fahnen zieren diesen Jubelkorso in Myanmar Foto: ap

BERLIN taz | Myanmars Militär hat Montag früh die Macht in dem südostasiatischen Land übernommen. De-facto-Regierungschefin Aung San Suu Kyi, Präsident Win Myint und in der Haupstadt Naypyidaw versammelte Abgeordnete der regierenden Nationalen Liga für Demokratie (NLD) wie auch kleinerer Parteien wurden festgenommen. In der Hafenmetropole Yangon umstellten Soldaten das Rathaus. Zeitweilig waren Telefonleitungen und das Internet gekappt. Es blieb aber friedlich.

Der Coup hat die konstituierende Sitzung des gewählten Parlaments verhindert

Zum Übergangspräsidenten wurde der bisherige Vizepräsident, General Myint Swe, ernannt. Regierungschef wird der bisherige Militärchef, General Min Aung Hlaing, teilte die Armee über ihren Fernsehsender mit. Die Generäle versprachen getreu dem von ihnen verhängten Notstand die Macht nur für ein Jahr zu übernehmen und dann Neuwahlen zu organisieren. Ein Termin wurde nicht genannt.

Der Putsch hat die für den Montag geplante konstituierende Sitzung des am 8. November gewählten Parlaments verhindert. Dies hätte das Staatsoberhaupt und seinen Stellvertreter wählen sollen. Der 75-jährigen Friedensnobel­preistägerin Aung San Suu Kyi war das PräsidentInnenamt aber weiter aus Verfassungsgründen verwehrt, weil sie Witwe eines Ausländers ist.

In den vergangenen Tagen hatte das Militär versucht, die Parlamentseröffnung zu verschieben. Grund waren Vorwürfe der Generäle über massive Wahlfälschungen, für die sie aber keine Beweise vorlegten. Sie forderten die Herausgabe der Wählerlisten, was die Wahlkommission ablehnte, und von Neuwahlen. Bei den Parlamentswahlen hatte die militärnahe Partei USDP eine krachende Niederlage erlitten und fast die Hälfte ihrer Mandate verloren. Aung San Suu Kyis NLD hatte dagegen einen Erdutschsieg eingefahren. Trotzdem wird die NLD im Parlament vom 25-Prozent-Anteil nicht gewählter Militärabgeordneter ausgebremst, die jede Verfassungsänderung verhindern können.

Die USA drohen Konsequenzen an

Das Militär war mit seinen unbewiesenen Wahlmanipulationsvorwürfen vor das Oberste Gericht gezogen, das sich mit Verweis auf die Verfassung aber für nicht zuständig erklärte. Die Wahlkommission wies dann die Vorwürfe zurück. Gespräche zwischen Militär und Regierung waren in den letzten Tagen ergebnislos geblieben. Dabei hatten ein Militärsprecher wie auch der mächtige General Min Aung Hlaing bereits mit einem Putsch gedroht.

Am Samstag erklärte das Oberkommando jedoch, die Äußerungen der Generäle seien falsch dargestellt worden. Am Montag kursierte eine Erklärung, die angeblich von Aung San Suu Kyi stammte. Darin ruft sie die Bevölkerung auf, „mit ganzem Herzen gegen den Putsch der Militärs zu protestieren“. Gleichzeitig forderte der NLD-Sprecher Myo Nyunt zur Ruhe auf. Nach eigenen Worten rechnete er mit seiner baldigen Festnahme.

Myanmars Militär ist berüchtigt

Zahlreiche westliche Regierungen wie auch UN-Generalsekretär António Guterres verurteilten den Coup. Der US-amerikanische Präsident Joe Biden ließ erklären: „Die Vereinigten Staaten lehnen jeden Versuch ab, das Ergebnis der jüngsten Wahlen zu verändern oder den demokratischen Übergang in Myanmar zu behindern.“ Putschisten müssten mit Konsequenzen rechnen. Mit welchen, wurde in dem Text aber nicht genannt.

Das Militär hat in Myanmar, dem früheren Birma, bereits 1962 und 1988 geputscht. Die langjährige Oppositionsführerin Aung San Suu Kyi, Tochter des Nationalhelden Aung San, saß viele Jahre im Gefängnis oder Hausarrest. Sie galt als Ikone von Freiheit und Demokratie, hat aber in den letzten Jahren vor allem außerhalb des Landes viele enttäuscht. So verteidigte sie den Völkermord an den muslimischen Rohingya durch das Militär und trug selbst wenig zur Demokratisierung des Landes bei.

In den Flüchtlingslagern in Bangladesch fürchten die Menschen nun erst recht, nicht mehr nach Myanmar zurückkehren zu können. „Wegen Myanmars Militär haben wir alles verloren. Wenn die Generäle jetzt wieder an der Macht sind, können wir nicht zurück nach Hause“, sagt Mozuna Khatu, eine vierfache Rohingya-Mutter, der taz. Die Frauenrechts-Aktivistin Minara hat den ganzen Morgen versucht ihre Verwandten in Myanmar zu erreichen. „Ich mache mir Sorgen um sie“, sagt sie.

Ein Journalist in Yangon, der anonym bleiben will, bezeichnete der taz gegenüber den Putsch als einen Versuch des Armeechefs Min Aung Hlaing, noch mächtiger zu werden. Eigentlich müsste er im Sommer in Pension. Er habe eine Koalition der militärnahen USDP mit Aung San Suu Kyis NLD schmieden wollen, um Präsident zu werden. Doch dies vereitelte das Wahldebakel der USDP. In Myanmar kursieren viele Gerüchte über die Generäle.

Mitarbeit: Verena Hölzl

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