Aktienkurs von GameStop: Wertlos bleibt wertlos

Die Videospielkette GameStop taumelt, ihr Aktienkurs steigt rasant. Diese Spekulation kann nicht funktionieren.

Der Schriftzug einer GameStop-Filiale

Das Geschäft von GameStop ist von Gestern, trotzdem steigen die Aktien Foto: Jeff Roberson/dpa

Es ist irre, wie teuer die Aktie von GameStop ist. Das US-Unternehmen vertreibt Videospiele, doch inzwischen zockt man im Internet. GameStop ist fast nichts mehr wert – aber genau deswegen so wertvoll. Spekulation ist paradox.

Der Mechanismus: Da die Aktie von GameStop lange fiel, lag es nahe, darauf zu wetten, dass sie noch weiter sinken würde. Der Trick heißt „Leerverkäufe“. Spekulanten leihen sich Aktien und verkaufen sie sofort. Ist die Leihfrist abgelaufen, wird die Aktie zurückgekauft, was natürlich nur Gewinne erzeugt, wenn der Kurs inzwischen gesunken ist. Diese Wette geht aber fast immer auf: Wenn viele Leerverkäufer Aktien veräußern, dann fallen die Kurse automatisch.

So lief es auch bei GameStop, doch bald setzte die unkontrollierte Gier ein: Es wurden mehr Aktien verliehen, als es Aktien gab. Also war klar, dass der Kurs irgendwann steigen würde. Denn nach der Leihfrist müssen die Leerverkäufer die Aktien ja wieder erwerben, um sie den Eigentümern zurückzugeben. Wenn es aber mehr Leerverkäufe als Aktien gibt, fehlen die nötigen Papiere. Und knappe Güter sind teuer.

Im Internet kursieren Listen über Leerverkäufe, was zu einer Gegenattacke führte: Kleinanleger begannen, auf steigende Kurse bei GameStop zu spekulieren. Animiert wurden sie von der Plattform „Wall Street bets“, die Tipps verteilt, wie man an den Börsen wetten sollte. Auch Nichtbetuchte können inzwischen spekulieren, weil einige Börsen-Apps keine Gebühr verlangen, sondern davon leben, ihre Kundendaten an professionelle Händler zu verkaufen.

David gegen Goliath?

Kleinanleger wurden plötzlich reich: Der Kurs von GameStop stieg von 2,57 auf zeitweise 483 Dollar, weil verzweifelte Hedgefonds versuchten, Aktien zu erwerben, um aus ihren Leerverkäufen auszusteigen. Es kursierte die Legende, „David hat gegen Goliath gesiegt“.

Schön wär’s. Zwar haben die großen Hedgefonds etwa eine Milliarde Dollar verloren – aber es sind keineswegs nur Kleinanleger, die davon profitiert haben. Denn die Tipps für die Kleinanleger werden nicht von Kleinanlegern geschrieben – sondern von professionellen Spekulanten.

Die Kleinanleger sind nützliche Idioten. In ihrer begeisterten Ahnungslosigkeit kaufen sie immer noch Aktien von GameStop und stabilisieren damit den Kurs – während die professionellen Anleger aussteigen und Gewinne mitnehmen. Zur Erinnerung: GameStop ist wertlos, das Geschäft findet online statt. Aber das werden die naiven Kleinanleger erst glauben, wenn sie alles verloren haben.

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Der Kapitalismus fasziniert Ulrike schon seit der Schulzeit, als sie kurz vor dem Abitur in Gemeinschaftskunde mit dem Streit zwischen Angebots- und Nachfragetheorie konfrontiert wurde. Der weitere Weg wirkt nur von außen zufällig: Zunächst machte Ulrike eine Banklehre, absolvierte dann die Henri-Nannen-Schule für Journalismus, um anschließend an der FU Berlin Geschichte und Philosophie zu studieren. Sie war wissenschaftliche Mitarbeiterin der Körber-Stiftung in Hamburg und Pressesprecherin der Hamburger Gleichstellungssenatorin Krista Sager (Grüne). Seit 2000 ist sie bei der taz und schreibt nebenher Bücher. Ihr neuester Bestseller heißt: "Das Ende des Kapitalismus. Warum Wachstum und Klimaschutz nicht vereinbar sind - und wie wir in Zukunft leben werden". Von ihr stammen auch die Bestseller „Hurra, wir dürfen zahlen. Der Selbstbetrug der Mittelschicht“ (Piper 2012), „Der Sieg des Kapitals. Wie der Reichtum in die Welt kam: Die Geschichte von Wachstum, Geld und Krisen“ (Piper 2015), "Kein Kapitalismus ist auch keine Lösung. Die Krise der heutigen Ökonomie - oder was wir von Smith, Marx und Keynes lernen können" (Piper 2018) sowie "Deutschland, ein Wirtschaftsmärchen. Warum es kein Wunder ist, dass wir reich geworden sind" (Piper 2022).

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