Weltweite Reaktionen zum Angriff aufs Kapitol: Retourkutschen für die USA

Gerne erklären die USA anderen Ländern Demokratie. Nach der gewalttätigen Erstürmung des Kapitols muss sich Washington nun selbst etwas anhören.

Demonstranten beim Sturm auf das Kapitol auf einem Baugerüst schwenken eine Trump Flagge

Trump-Chaoten stürmen das Kapitol Foto: Jose Luis Magana/ap

In vielen Staaten auf der Welt gehört der robuste Umgang mit gewählten Parlamenten zum politischen Alltag. Dann gibt es aus Washington Demokratielektionen – oder Beschimpfungen, wie der berühmte „Shit­hole“-(Drecksloch)-Kommentar Donald Trumps über Afrika. Für die Betroffenen bieten die Ereignisse in Washington nun reichlich Gelegenheit für Retourkutschen.

Die türkische Nachrichtenagentur Anadolu rief „alle Parteien“ in den USA zu „Mäßigung und gesundem Menschenverstand“ auf und verlangte eine „ruhige und rechtsstaatliche Lösung der Probleme“. Der südafrikanische Oppositionspolitiker Mmusi Maimane forderte die USA auf Twitter auf, „die Demokratie und den Rechtsstaat zu achten und eine friedliche Machtübergabe zuzulassen“, und schlug ein Protestschreiben der Afrikanischen Union vor.

Direkter war die Zeitung Le Pays in Burkina Faso – wo 2014 ein Volksaufstand gegen eine Diktatur zum Erfolg führte, indem junge Demonstranten das Parlament verwüsteten. „Wenn Scheiße sich über ‚shitholes‘ lustig macht“, titelte das Blatt jetzt und analysierte: „Die Lehrer der Demokratie sind schlechte Schüler.“ Dennoch seien die USA „ein wahrhafter Tempel der Demokratie, in dem die Abwege eines Einzelnen nicht das ganze demokratische System erschüttern können“.

Man nimmt eben nicht nur die Chaoten vom Kapitol aufmerksam zur Kenntnis, sondern auch und vor allem ihr Scheitern im Versuch, Donald Trump an der Macht zu halten. Das ist das wahrhaft Überraschende. Indiens führende Zeitung The Hindu beispielsweise hob nicht die Gewaltszenen hervor, sondern dass Trump jetzt doch noch die Amtsenthebung drohen könnte.

Deswegen reagieren Autokraten weltweit nicht so sehr mit Häme als mit Verblüffung: Wie kann es sein, dass ein in die Enge getriebener Präsident sich nicht mit Gewalt durchsetzt? Eine Sprecherin des chinesischen Außenministeriums verglich die Erstürmung des Kapitols mit den Demokratieprotesten in Hongkong und wunderte sich: „Die Reaktion bestimmter Personen in den USA und auch einiger Medien ist diesmal komplett anders.“ Eine Sprecherin des russischen Außenministeriums in Moskau erklärte die Ereignisse ähnlich wie Trump: „Das Wahlsystem in den Vereinigten Staaten ist archaisch, es entspricht nicht modernen demokratischen Standards und schafft Möglichkeiten für zahlreiche Verstöße.“

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Am 3. November 2020 haben die USA einen neuen Präsidenten gewählt: Der Demokrat Joe Biden, langjähriger Senator und von 2009 bis 2017 Vize unter Barack Obama, hat sich gegen Amtsinhaber Donald Trump durchgesetzt.

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