Diversity First!

Joe Bidens Regierung ist so vielfältig wie kein Kabinett zuvor. Doch kommen die meisten der Kan­di­da­t*in­nen aus dem Zentrum demokratischer Macht

Von Bernd Pickert

Er werde das diverseste Kabinett zusammenstellen, das die USA je gesehen haben, hatte Joe Biden schon im Wahlkampf versprochen, ein Kabinett, das genauso aussieht wie die Vereinigten Staaten. Das ist Biden mit seinen Nominierungen tatsächlich gelungen. Und wenn ihm der Senat – der die meisten Kan­di­da­t*in­nen bestätigen muss und der am Montag mit den Anhörungen begonnen hat – keinen Strich durch die Rechnung macht, dann sind da jede Menge „Firsts“ – die ersten Schwarzen, Latin@s, Frauen der US-Geschichte auf ihren jeweiligen Posten. Und, wie am Montag bekannt wurde, auch die erste Trans*person, als Staatssekretärin im Gesundheitsministerium.

Nach den vier Trump-Jahren, die ja auch den Versuch darstellten, die weiße und männliche Dominanz in den USA wiederherzustellen, ist das ein Zeichen. Aber ist das Kabinett deshalb auch progressiv?

Tatsächlich ist Biden gewählt worden, weil es innerhalb der Demokratischen Partei nach den Vorwahlen einen Waffenstillstand gab, um alle Kräfte auf eine Abwahl Trumps zu konzentrieren. Noch 2016 hatten viele An­hän­ge­r*in­nen des linken Senators Bernie Sanders es nicht über sich gebracht, Hillary Clinton ihre Stimme zu geben, die sie als Inbegriff des neoliberalen Washingtoner Parteiklüngels empfanden. Bidens Aufgabe mit diesem Kabinett war es auch, alle Flügel einzubinden – und das unter ständigem Beschuss von rechts, er sei nur eine Marionette der Linksradikalen, die sich der Demokratischen Partei bemächtigt hätten.

Herausgekommen ist ein Kabinett, das in Schlüsselpositionen einfach weiterarbeitet mit Leuten aus der vorhergehenden demokratischen Regierung unter Präsident Barack Obama. Das bedeutet viel Expertise – riecht aber nicht nach Aufbruch.

Außenminister
: Antony Blinken

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Der 58-jährige Multilateralist war schon in die Außenpolitik der Clinton- und federführend der Obama-Regierung eingebunden. Er gilt als einer der Architekten des Atomabkommens mit dem Iran, das Biden wiederbeleben will.

Finanzministerin
: Janet Yellen

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Die 74-jährige herausragende Ökonomin war schon unter Obama die erste weibliche Chefin der Notenbank Fed, und das sehr erfolgreich. Trump warf sie trotzdem hinaus. Jetzt wird sie die erste Finanzministerin.

Verteidigungsminister
: Lloyd Austin

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Der 67-jährige pensionierte Viersternegeneral wird der erste Schwarze an der Spitze des Pentagons. Kritik: Eigentlich sollten Zivilisten dem Ministerium vorstehen, zudem war Austin zeitweise als Rüstungslobbyist tätig.

Justizminister
: Merrick Garland

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Die juristischen Qualifikationen des 68-Jährigen sind so unstrittig, dass Obama ihn als obersten Richter wollte. Das ließ der republikanische Senat nicht zu. Jetzt wird Garland womöglich Trump wegen dessen Verfehlungen anklagen.

Innenministerin
: Debra Haaland

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Die Nominierung der 60-jährigen Abgeordneten aus New Mexico ist ein starkes Zeichen, wird sie doch die erste US-Ureinwohnerin in einem Kabinett. Biden erfüllt damit die Forderung einer breiten progressiven Koalition.

Agrarminister
: Tom Vilsack

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Der 70-jährige Ex-Gouverneur von Iowa, der 2008 erfolglos selbst eine Präsidentschaftskandidatur versucht hatte, war acht Jahre lang unter Obama Agrarminister. Jetzt holt ihn Biden in gleicher Funktion zurück.

Handelsministerin
: Gina Raimondo

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Wirtschaftsfreundlich ist das wohlwollende Wort für die 49-jährige Gouverneurin von Rhode Island, die aus dem Investmentgeschäft kommt. Ihre Beliebtheit im eigenen Bundesstaat stieg erst 2020 mit der Coronakrise.

Arbeitsminister
: Marty Walsh

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Schon 21-jährig trat der derzeitige Bürgermeister von Boston in die Gewerkschaft ein und war lange Funktionär. Konservative sehen den heute 53-Jährigen als radikalen Linken; manche Linke hätten lieber Bernie Sanders auf dem Posten.

Gesundheitsminister
: Xavier Becerra

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Der Jurist mit mexikanischen Eltern war der Nachfolger von Kamala Harris als Staatsanwalt von Kalifornien. Der 62-jährige langjährige demokratische Abgeordnete gilt als strikter Verfechter des Rechts auf Abtreibung.

Wohnungsbauministerin
: Marcia Fudge

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Die 68-jährige progressive Abgeordnete aus Ohio, frühere Chefin des Black Caucus im Repräsentantenhaus, wollte eigentlich Agrar­ministerin werden. Jetzt muss sie das Problem der gefürchteten Zwangsräumungen angehen.

Verkehrsminister
: Pete Buttigieg

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Er war der erste offen schwule Präsidentschaftskandidat, der im Jahr 2020 eine Vorwahl gewinnen konnte. Jetzt wird der 39-jährige Ex-Bürgermeister aus Indiana der erste offen schwule Minister der US-Geschichte.

Energieministerin
: Jennifer Granholm

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Die 61-jährige Ex-Gouverneurin von Michigan meint es ernst mit der Energiewende. So ernst, dass sie eine Menge Interessenkonflikte mit Beteiligungen an Solar- und E-Mobilitätsunternehmen hat. Das wird ein Problem.

Bildungsminister
: Miguel Cardona

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Der 45-jährige Sohn puerto-ricanischer Eltern, der in Connecticut mit Spanisch als Muttersprache aufwuchs, hat sein Leben im Schuldienst verbracht. Anders als seine Vorgängerin gilt sein Interesse dem öffentlichen Schulwesen.

Veteranenminister
: Denis McDonough

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Schon lange ist der 51-Jährige in führenden Beraterfunktionen Teil des Politbetriebs, zuletzt in der Obama-Regierung, immer unsichtbar in der 2. Reihe. Jetzt wird er der zweite Veteranenminister ohne eigene Kriegserfahrung.

Heimatschutzminister
: Alejandro Mayorkas

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Der 61-jährige, in Kuba geborene Jurist und frühere Staatsanwalt wird der erste Latino an der Spitze des Heimatschutzministeriums. Ob Bidens ehrgeizige Pläne der Migrationsreform Erfolg haben, wird auch an ihm hängen.

Präsident
: Joseph Biden

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So alt wie er war noch kein Präsident beim ersten Amtseid. Der 78-Jährige aus dem Zentristenlager der Demokraten mit fünf Jahrzehnten Politikerfahrung und mehreren Kandidaturanläufen will das Land und die Partei einen.

Vizepräsidentin
: Kamala Harris

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Die 56-jährige Tochter einer Inderin und eines Jamaicaners ist die erste weibliche und die erste Schwarze Vizepräsidentin. Die Ex-Staatsanwältin bereitet sich darauf vor, im Jahr 2024 selbst zur Präsidentschaftswahl anzutreten.

Stabschef
: Ron Klain

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Stabschefs brauchen Insiderwissen und das Vertrauen des Präsidenten. Der 59-Jährige hat beides: Er ist seit 30 Jahren in Washington, hat mehrere Wahlkämpfe organisiert und war schon Bidens Stabschef als Vizepräsident.

Handelsrepräsentantin
: Katherine Tai

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Die 45-jährige Tochter chinesischer Im­mi­gran­t*in­nen spricht fließend Mandarin, arbeitete lange als Handelsexpertin für das Repräsentantenhaus und gilt als Pragmatikerin mit Engagement für Arbeitnehmerrechte.

Geheimdienstdirektorin
: Avril Haines

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Die künftige erste weibliche Geheimdienstdirektorin kam unter Obama als CIA-Vizechefin zu zweifelhaftem Ruf. Als Verfechterin der Drohnenmorde zensierte die heute 51-Jährige auch den Senatsbericht über CIA-Folter.

Chef der Umweltbehörde
: Michael Regan

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Anders als seine Vorgänger unter Trump kommt der 44-Jährige aus dem Umweltschutz, hat ein entsprechendes Studium abgeschlossen und Erfahrungen gesammelt. Auch will er die Behörde, die er leitet, nicht zerstören.

Sicherheitsberater
: Jake Sullivan

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Der 44-Jährige, der in Yale und Oxford Internationale Politik studierte, gehört zu Hillary Clintons innerem Zirkel. Dem früheren Vizepräsidenten Biden diente er ab 2013 als Nationaler Sicherheitsberater. Jetzt ist er aufgerückt.

Etatbeauftragte
: Neera Tanden

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Die 50-Jährige hat, sofern man in den USA davon sprechen kann, eine Parteikarriere hinter sich. Seit 1988 gestaltet sie Wahlkämpfe der Demokraten, arbeitete zuletzt beim parteinahen Thinktank Center for American Progress.

UN-Botschafterin
: Linda Thomas-Greenfield

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Nach fast vier Jahrzehnten im diplomatischen Dienst warf Trump die 68-Jährige 2017 hinaus – als Teil seiner „Säuberung“ des State Departments. Nun wird sie das zweitwichtigste außenpolitische Gesicht der USA.

Wirtschaftsberaterin
: Cecilia Rouse

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Joe Biden stellte die 57-jährige Ökonomin mit Harvard-Abschluss als „Expertin für Arbeitsökonomie, Rassismus, Armut und Bildung“ vor. Jetzt wird sie erste Schwarze Wirtschafts-Chefberaterin.

Klimabeauftragter
: John Kerry

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Der 77-Jährige ist die Personalie, die niemand nachschlagen muss. Dass der ehemalige Präsidentschaftskandidat und Außenminister die Klimapolitik in die Hand nehmen soll, ist als klares Zeichen der Priorisierung gemeint.

Wissenschaftsberater
: Eric Lander

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Der 63-jährige MIT-Mathematiker hat zwar schon Obama beraten, politisch aber kaum Profil gezeigt. Das passt zu Bidens Ansage, mehr auf die Wissenschaft hören zu wollen. Er gibt dem Posten jetzt Kabinettsrang.