Den Vorhang zu und alle Fragen offen

Der neue Vorsitzende der CDU heißt Armin Laschet. Aber geklärt ist damit nicht viel. Wird es Laschet gelingen, die Fans des unterlegenen Friedrich Merz einzubinden? Kann er die Partei zusammenhalten? Und wer soll eigentlich Kanzlerkandidat der Union werden?

Der eine kommt, der andere geht, bevor er kommen konnte: Armin Laschet (links) und Wahlverlierer Friedrich Merz auf dem CDU-Parteitag Foto: Hannibal Hanschke/reuters

Aus Berlin Sabine am Ordeund Ulrich Schulte

Der CDU-Parteitag ist gerade zu Ende gegangen. Armin Laschet hat in seinem Schlusswort noch einmal zu Geschlossenheit aufgerufen, die Nationalhymne ist verklungen. Da postet das Team von Friedrich Merz einen Tweet, der zur Eilmeldung wird: „Merz will Bundeswirtschaftsminister werden.“ Merz biete dem neuen CDU-Vorsitzenden an, in die jetzige Bundesregierung einzutreten und das Bundeswirtschaftsministerium zu übernehmen.

Wie bitte?

Merz, der soeben zum zweiten Mal bei einer Vorsitzendenwahl gescheitert ist, will Minister werden. Und zwar sofort. Mitten in der Pandemie, acht Monate vor der Bundestagswahl. Der neue Chef soll bei der Kanzlerin durchsetzen, dass seinetwegen Peter Altmaier entlassen wird, ein altgedienter Profi. Wenn etwas Chuzpe bedeutet, dann das. Selbst am Tag seiner Niederlage schafft es Friedrich Merz, dem neuen Chef die Show zu stehlen. Das lässt Schlimmes ahnen.

Merz könnte zu einer tickenden Zeitbombe in der CDU werden, zu einem Oskar Lafontaine der Christdemokratie, der den Laden immer wieder aufmischt. Spitzenleute der Union fragen sich seit Wochen besorgt, was Merz im Falle einer Niederlage machen werde – und ob sich seine AnhängerInnen einbinden lassen.

Dass Angela Merkel umgehend öffentlich erklären lässt, es sei keine Kabinettsumbildung geplant, macht die Lage nicht besser. Laschet, der neue Parteichef, kommt erst gar nicht ins Spiel. Und Merz’ AnhängerInnen könnten all das erneut als unfaire Absage des Partei-Establishments an ihren Hoffnungsträger deuten.

Vielen in der Partei schwant: Die CDU wird auch nach diesem Wochenende so schnell nicht zur Ruhe kommen. Armin Laschet, 59, Ministerpräsident in Nordrhein-Westfalen, ist der neue Chef. Aber viele Fragen sind ungeklärt. Offen ist nicht nur, ob Merz’ AnhängerInnen die Enttäuschung verdauen. Ob Laschet es schafft, Brücken zwischen den Lagern zu bauen. Offen ist ja auch, ob er das Format hat, der Union das Kanzleramt zu sichern. Und da lauert ja noch Markus Söder.

Angesichts dieser Gemengelage ist es kein Wunder, dass alle Beteiligten so sehr Geschlossenheit beschwören, dass das schon ein bisschen panisch klingt. „Alle werden gegen uns sein, SPD, Grüne und Linke“, sagt Laschet in seiner Schlussrede. Von der anderen Seite komme aggressiv die AfD. Und auch die FDP werde nicht das Hauptziel haben, dass der nächste Kanzler wieder von der CDU gestellt werde. „Deshalb müssen wir uns jetzt gegen alle die zusammentun.“

Carsten Linnemann, der Chef der Mittelstandsvereinigung und eine Art Merz-Ultra, fleht den Verlierer geradezu an, ins CDU-Präsidium einzuziehen. „Ich halte es für verdammt wichtig, dass er an Bord bleibt“, sagt Linnemann. Laschet schlägt Merz genau das vor, doch er kassiert eine Absage. Die Parteigremien sind für Merz’ Ego offenbar zu klein.

Ralph Brinkhaus, Fraktionschef im Bundestag, versichert, die Fraktion werde ihren Teil dazu beitragen, dass das Zusammengehörigkeitsgefühl nun auch bei den AnhängerInnen der unterlegenen Kandidaten wachsen werde. Annegret Kramp-Karrenbauer, frisch aus dem Amt geschieden, schreibt auf Twitter: „Und jetzt alle zusammen für unsere Union und unser Land.“ Und Thomas Strobl, Innenminister in Baden-Württemberg und bekennender Merz-Fan, sagt: „Ich werde den neuen Vorsitzenden ohne jeden Vorbehalt loyal unterstützen.“

In Baden-Württemberg sind im März Landtagswahlen, insgesamt sechs gibt es in diesem Jahr, dazu im September die Bundestagswahl. Das zumindest könnte die Partei disziplinieren.

Doch allen Verwerfungen zum Trotz: Laschet scheint nun fast ganz oben angekommen zu sein. Als neuer CDU-Vorsitzender hat er das erste Zugriffsrecht auf die Kanzlerkandidatur – und damit gute Chancen, der nächste Kanzler zu werden. Sein Sieg war keine ausgemachte Sache. Doch Laschet hat seine Chance genutzt.

Um Viertel vor zehn am Samstagmorgen steht der Ministerpräsident in der Messehalle in Berlin am Rednerpult. Die riesige Halle vor ihm ist leer, nur die fünf Mitglieder des Tagungspräsidiums sitzen an einem Tisch, ein paar verlorene Mensch­lein im Dunkeln. Laschet muss in eine Kamera zu den Delegierten sprechen, die zu Hause an ihren Bildschirmen sitzen. Aber er hat sich darauf eingestellt. Laschet hält die vielleicht beste Rede seines Lebens.

Laschet spricht ruhig, fast etwas pastoral, so wie es seine Art ist. Er erzählt von seinem Vater, der später Lehrer, zunächst aber Bergmann war. Dieser habe ihn gelehrt, dass entscheidend sei, ob man sich aufeinander verlassen könne. Laschet spricht vom Sturm auf das Kapitol, vom Mord an dem Kasseler Regierungspräsidenten Walter Lübcke, einem Christdemokraten, und betont, wie gefährlich das Gift der Spaltung sei. „Ich höre immer wieder den Satz: Man muss auch polarisieren können“, sagt Laschet. „Ich sage: Nein, das muss man nicht.“ Polarisieren sei einfach, das könne jeder. Er dagegen wolle „integrieren, die Gesellschaft zusammenhalten“.

Laschet präsentiert sich als Versöhner, als Teamplayer und als der, der Kurs in der Mitte hält. Und er spielt seine Erfahrung als Regierungschef aus. Um Vertrauen zu erlangen, reichten keine Worte, man müsse „das Handwerkszeug für eine Politik der Mitte beherrschen“, und zwar die Fähigkeit zum Kompromiss. Das ist eine Breitseite gegen Merz. Auch dass Laschet betont, die CDU und Deutschland benötigten einen Mannschaftskapitän und „keinen CEO, keinen Vorstandsvorsitzenden“, darf als Spitze gegen seinen Kontrahenten verstanden werden.

Jeweils eine Viertelstunde dürfen die drei Kandidaten reden. Als er fast fertig ist, tritt Laschet hinter dem Redepult hervor, lehnt sich locker an dessen Seite und zieht die Bergmannsmarke seines Vaters aus der Anzugtasche. Ein rundes Metallplättchen, darin ist die Nummer 813 ­eingeprägt.

CSU-Chef Markus Söder: „Armin Laschet und ich werden, da bin ich ganz sicher, für alle weiteren Fragen, die mal anstehen, eine gemeinsame, kluge und geschlossene Lösung finden.“

SPD-Kanzlerkandidat Olaf Scholz: „Ich gratu­liere Armin Laschet zum CDU-Vorsitz! Das ist eine große Aufgabe mit großen Vorgängerinnen & Vorgängern. Ich wünsche ihm dafür ein glückliches Händchen.“

FDP-Chef Christian Lindner: „Auf so gute Zusammenarbeit und so sportlichen Wettbewerb als Bundesvorsitzende wie wir beides als NRW-Landesvorsitzende früher schon hatten.“

Grünen-Fraktionschefin Katrin Göring-Eckardt: „Herzlichen Glückwunsch an Armin Laschet. Gottes Segen. Und dann Vorfreude auf eine spannende Auseinandersetzung.“

Linke-Chefin Katja Kipping: „Mit Laschet hat die CDU nun einen neuen Parteivorsitzenden, aber noch lange keinen Kanzlerkandidaten. Egal, wer dann das Rennen um CDU-Kanzlerkandidatur gewinnt, die CDU wird nicht bereit sein, die Weichen so zu stellen, dass wir gerecht aus der Krise kommen.“

AfD-Co-Chef Jörg Meuthen: „Schlechte Nachrichten für Deutschland: Jetzt wird weiter­gemerkelt!“ (dpa, taz)

Sein Vater habe sie ihm als Glücksbringer mitgegeben und gemeint: „Sag den Leuten, sie können dir vertrauen.“ Er sei vielleicht nicht der Mann der perfekten Inszenierung, sagt Laschet dann. „Aber ich bin Armin Laschet. Darauf können Sie sich verlassen.“

Es ist ein persönlich gehaltener, nahbarer und gut inszenierter Schluss. Laschet schafft es, eine Geschichte von der Zukunft der CDU zu erzählen, die mit seiner Person verwoben ist. Und er vermittelt das Gefühl, zu jedem Delegierten einzeln zu sprechen.

Merz’ Rede dagegen bleibt wie schon vor zwei Jahren hinter den Erwartungen zurück. Er bringt seine Wirtschaftskompetenz ein, grenzt sich klar von der AfD ab, fordert, dass um Politik wieder mit Leidenschaft gerungen wird. „Wir müssen den politischen Meinungsstreit in die Mitte zurückholen“, sagt er. Er fordert recht unverblümt auch die Kanzlerkandidatur für sich: Sein Anspruch sei die „Führung dieser Partei, aber auch Führung unseres Landes“.

Dann will er „auch noch was zu den Frauen“ sagen. Ihm werde ja da ein altes Bild unterstellt. „Wenn das so wäre, hätten mir meine Töchter längst die Gelbe Karte gezeigt, und meine Frau hätte mich vor 40 Jahren nicht geheiratet.“ Eine Ehefrau und Töchter als Belege für eine moderne Haltung, das ist dann doch ein bisschen dürftig für einen, der die Quote ablehnt.

Norbert Röttgen, der Außenpolitiker, ist als Dritter dran. Er ist nervös, das merkt man ihm an. „Es geht eigentlich nur um eins: die Zukunftskompetenz“, sagt er und setzt damit voll auf das Profil als Modernisierer. Die CDU müsse jünger, weiblicher und digitaler werden, eine Partei der Nachhaltigkeit.

Danach folgt eine kurze Fragerunde. Ein paar CDU-Delegierte werden aus ihren Wohnungen eingeblendet und stellen den drei Kandidaten Fragen. Ein Mann aus Rheinland-Pfalz schafft es nicht, dass er zu hören ist. Es ist der erste technische Patzer bei dem vollständig digitalen Parteitag, der ansonsten wie am Schnürchen läuft. Plötzlich erscheint Jens Spahn auf dem Bildschirm, der im Team mit Laschet als Vize antritt. Spahn sagt gleich zu Beginn, dass er eigentlich gar keine Frage habe. Stattdessen nutzt er die Zeit für einen Werbeblock für seinen Teampartner.

Dieser PR-Stunt schadet ihm mehr, als er nutzt – später, bei der Wahl der Vizechefposten, wird er mit Abstand das schlechteste Ergebnis erzielen. Die CDU-Delegierten lassen sich nicht gerne für dumm verkaufen. Sollte Spahn wirklich mit der Kanzlerkandidatur liebäugeln, wie immer wieder berichtet wird, dürfte sich dies spätestens jetzt erledigt haben. Und Laschet? Der räumt später im Fernsehinterview ein, dass er von Spahns Auftritt vorab gewusst habe.

Im Merz-Lager, in dem manche wieder nach einer Erklärung für das Scheitern suchen, die nichts mit Merz selbst zu tun hat, könnte Spahns Aktion den Keim für eine neue Opfererzählung legen. Dass das Establishment Merz mit allen Tricks verhindert hat.

Im ersten Wahlgang scheidet Röttgen aus, mit 224 Stimmen aber erzielt er mehr als einen Achtungsgewinn. Merz liegt vorn, wenn auch nur mit 5 Stimmen. Für den Sauerländer haben 385, für Laschet 380 Delegierte votiert. Der Wettbewerb sei nun vorbei, sagt Röttgen nach seiner Niederlage, Laschet könne sich jetzt auf seine Unterstützung verlassen. Am Nachmittag wird er ins CDU-Präsidium gewählt werden.

Dann wird zur Stichwahl aufgerufen. An deren Ende stehen Laschet und Merz an einem Desk nebeneinander, spannungsgeladene Musik wie bei „Wer wird Millionär?“ ertönt, Generalsekretär Paul Ziemiak gibt den Günther Jauch. Gelbe Balken für die Stimmen wachsen in die Höhe. Dann steht fest: Laschet erhält 521 Stimmen, Merz nur 466. Ein Sieg, der nicht ganz knapp ist, aber auch nicht wirklich überzeugend – die CDU bleibt eine gespaltene Partei.

Die Entscheidung für Laschet ist eine gegen das Risiko und für Kontinuität. Als konservative Machtmaschine liebt die CDU Erfolge und scheut das Risiko. Laschet regiert in NRW 18 Millionen Deutsche, er hat – anders als die anderen beiden – schon mal eine wichtige Wahl gewonnen.

Die Unterstützung an der Basis hat Merz nicht über die Hürde geholfen, genau wie 2018, als er knapp gegen Kramp-Karrenbauer verlor. Das liegt auch an dem wählenden Gremium. Die 1.001 Delegierten des Parteitags sind erfahrene Funktionäre, sie haben Parlamentsmandate oder leiten Kreisverbände.

„Ich höre immer wieder den Satz: Man muss auch polarisieren können. Ich sage: Nein, das muss man nicht“

Armin Laschet in seiner Rede zur Bewerbung um den Vorsitz in der CDU

Armin Laschet wird nun versuchen, die Partei mit sich selbst zu versöhnen. Es passt ganz gut zu ihm, dass er seinen Marktwert vor einem Jahr im Aachener Karneval getestet hat. Laschet stand in der Bütt, in einer Art Käfig, eine bunte Narrenkappe auf dem Kopf, einen Orden um den Hals, und fragte, wer denn nun „Deutschlands next Mutti“ werde solle. „Du, Armin!“, schallte es ihm aus dem Saal entgegen.

Jovial, volksnah, freundlich, so gibt er sich am liebsten. Tatsächlich hat er das Zeug, Zugang zu allen Strömungen in der CDU zu finden. Er ist liberal in der Migrations- und Integrationspolitik, hart in der Energiepolitik und gläubiger Katholik. Auch die gemeinsame Kandidatur mit Jens Spahn, der jüngere Konservative anspricht, war ein kluger Schritt, der sich vielen Unkenrufen zum Trotz bis zum Parteitag bewährt hat.

Laschets Bilanz in Nordrhein-Westfalen ist freilich durchwachsen. Manchmal kommt der Ministerpräsident ins Schwimmen und wirkt unstet. Bestes Beispiel ist die Coronakrise. Im ersten Lockdown im Frühjahr versuchte er sich als Lockerungsfan zu profilieren, ließ etwa die Möbelhäuser trotz strenger Maßnahmen offen. Damals sagte er den wahren, aber auch sehr lustigen Satz, NRW sei das Land der Küchenbauer. Später befürwortete er plötzlich einen scharfen Kurs gegen die Pandemie.

Bei einem Besuch des Klinikums Aachen rutschte dem Landesvater der Mundschutz unter die Nase, das peinliche Foto verbreitete sich wie ein Lauffeuer. Auch die Tatsache, dass der Schlachthof des Fleischbarons Clemens Tönnies zum Coronahotspot wurde, nutzte Laschets Ansehen nicht gerade. Wenn er in Talkshows unter Druck gerät, verheddert er sich bisweilen. Unsouverän und ungeschickt, dieser Eindruck bleibt dann hängen.

Ginge mit Laschet Schwarz-Grün? Mit Sicherheit. Aber klar ist auch: Ein Selbstläufer wäre dieses Bündnis nicht.

Armin Laschet ist ein freundlicher Typ und habituell aufgeschlossen. In manchen Themengebieten finden sich große Überschneidungen mit den Grünen, etwa in der Migrationspolitik. Laschet wurde 2005 in NRW der erste Integra­tions­minister Deutschlands – und profilierte sich mit liberalen Tönen, was in der CDU nicht immer gut ankam.

Aber in NRW macht Laschet mit der FDP klassisch schwarz-gelbe Politik, mit der die Grünen wenig anfangen können. Er zeigt Härte bei Abschiebungen, gegen die sogenannte Clankriminalität und ist auch für die Eskalation im Hambacher Forst verantwortlich. Der nette Herr Laschet kann auch ein harter Hund sein, wenn er will.

Beim Klimaschutz fiel Laschet als Bremser auf, etwa bei den Verhandlungen über den Kohlekompromiss, bei denen er sich vor allem um die rheinischen Reviere sorgte. „Die Union hat sich für einen Vorsitzenden entschieden, der mit Klimaschutz wenig anfangen kann“, sagt Grünen-Bundesgeschäftsführer Michael Kellner. Und mit Blick auf das CDU-Parteitagsmotto „#wegenmorgen“ fügt er hinzu: „Auf mich wirkt das Ganze daher eher wie ‚gegen morgen‘ als ‚wegen morgen‘.“

Noch aber ist offen, ob Laschet überhaupt Kanzlerkandidat der Union wird. Den Willen und das erste Zugriffsrecht hätte er als Vorsitzender. Das Problem ist nur: Die allermeisten Deutschen können ihn sich als Kanzler nicht so recht vorstellen. Im aktuellen Politbarometer gaben gerade mal 28 Prozent der Befragten an, ihm Merkels Job zuzutrauen. Ein Kandidat mit so wenig Rückhalt ist ein Problem.

„Alle werden gegen uns sein, SPD, Grüne und Linke. Deshalb müssen wir uns jetzt gegen alle die zusammentun“

Armin Laschet in seiner Schlussrede zum Ende des virtuellen CDU-Parteitags

Entsprechend hält sich Laschet zu der K-Frage noch bedeckt. Mit der CSU sei verabredet, dass dies im Frühjahr entschieden werde, sagt er am Samstag. Dabei bleibe es. Entscheidend sei, dass die CDU und die CSU geschlossen in die Bundestagswahl gehen und was „die beste Aufstellung“ ist.

Hier kommt Markus Söder ins Spiel. Eigentlich hat der Chef der kleinen Schwesterpartei CSU kaum Aussichten auf den Posten, liegt aber in Umfragen weit vor Laschet. Ihm würden laut Politbarometer immerhin 54 Prozent der Befragten die Kanzlerschaft zutrauen. Söder, der sich anfangs als chancenlos sah, hat inzwischen Gefallen daran gefunden, als konservative Hoffnung gehandelt zu werden. Bislang allerdings sagt er stets, er wolle in Bayern bleiben. Aber ist das wirklich so?

Beim Parteitag kommt es zu einer vielsagenden Szene. Söder wird am Freitagabend für ein Grußwort zugeschaltet. Vor einer Franz-Josef-Strauß-Büste und einer weiß-blauen Fahne sitzend, gibt er sich staatstragend. „Je höher der Berg, desto spannender ist es, den Aufstieg zu wagen“, sagt der bayerische Ministerpräsident. Man müsse sich jetzt unterhaken und gegenseitig helfen.

Beim Abschied fragt CDU-General Ziemiak noch kurz im Plauderton, ob bei Söder auch eine CDU-Tasse stehe, von der die CDU vor dem Parteitag zahlreiche Exemplare verschickt hatte. Söder winkt ab: „So innovativ, dass wir jetzt schon CDU-Tassen haben, sind wir nicht.“ Und schiebt dann nach: „Aber wenn ein Angebot der CDU an mich kommt, dann werden wir das entsprechend gewichten.“ Natürlich denkt jeder dabei gleich an die Kanzlerkandidatur.

Für den neuen CDU-Parteivorsitzenden Armin Laschet sind die Aufgaben also riesig. Er muss sich des ambitionierten Bayern erwehren, aber auch die enttäuschten Merz-Fans einbinden und die zerrissene CDU einen. Und er muss die Partei in schwierige Landtagswahlen führen, die einen Schub für die Bundestagswahl im September entfalten sollen.

Einen erster Realitätscheck für die brüchige Geschlossenheit der Partei könnte die Landtagswahl in Sachsen-Anhalt Anfang Juni ergeben, wo Teile der CDU-Fraktion wenig Berührungsängste mit der AfD zeigen. Laschets Vorgängerin, Annegret Kramp-Karrenbauer, ist genau an diesem Punkt letztlich gescheitert. Die Thüringer CDU, die mit der AfD einen Kurzzeitministerpräsidenten der FDP gewählt hatte, ließ sie Anfang letzten Jahres mit ihrer Forderung nach Neuwahlen auflaufen. Ihre Autorität war schwer angeschlagen, Kramp-Karrenbauer kündigte ihren Rücktritt an, der erst jetzt endlich vollzogen ist.

Einer Zusammenarbeit mit der AfD hat Laschet in seiner Bewerbungsrede eine klare Absage erteilt. Er kann nur hoffen, dass die CDU aus dem Thüringer Debakel gelernt hat. Sonst könnte seine Autorität schon bald – ganz unabhängig von Friedrich Merz – auf die Probe gestellt werden.