Menschen im bosnischen Flüchtlingslager Lipa: Es geht weder vor noch zurück

Das Camp in Lipa brannte nieder, jetzt bauen bosnische Soldaten neue Zelte auf. Die Migranten, die dort ausharren müssen, sind am Verzweifeln.

Viele Menschen sitzen nachts im Kreis um ein offenes Feuer und strecken ihre Hände in die Wärme

Ihnen bleibt nichts weiter, als die Wärme eines offenen Feuers – Menschen im Flüchtlingscamp Lipa Foto: dpa

SPLIT taz | Der Einsatz der bosnischen Armee im Lager Lipa bei Bihac sorgt wenigstens dafür, dass die am Samstag aufgebauten Zelte den größten Unbilden der Natur widerstehen können. Es traf auch ein Lastwagen mit Heizgeräten und Heizmaterial ein. Aber selbst am Mittag ist nur ein Teil bezugsfertig, nach wie vor hapert es mit der Wasser- und Elektrizitätsversorgung, es gibt kaum Essen und keinerlei medizinische Versorgung. Das Lager bei Lipa bleibt ein von den seit Tagen und Nächten im Freien ausharrenden Migranten wenig geliebtes Provisorium.

Vor mehr als einer Woche war das Flüchtlingslager an der Grenze zu Kroatien abgebrannt. Danach wollten die bosnischen Behörden die Migranten andernorts in eine frühere Militäranlage verlegen. Dies scheiterte jedoch am Protest von Anwohnern. Die Migranten verbrachten letztlich 24 Stunden wartend in Bussen und wurden danach zu dem ausgebrannten Camp bei Lipa zurückgebracht.

Der Fernsehsender N1 zeigte nun am Samstag Bilder von Menschen, die vor Containern im Regen stehen. Einige von ihnen drohten vor der Kamera, in den Hungerstreik zu treten.

Nach wie vor hoffen viele Bosnier, dass sich die EU aufgrund des Drucks der Öffentlichkeit doch noch dazu entschließen könnte, die Migranten in die EU zu holen. Doch dafür gibt es keine Anzeichen. Die EU will aus eigenem Interesse das Lager Lipa ausbauen und verstetigen, wird vermutet. Aber Bosnien will nicht den Türsteher für die Europäische Union spielen.

Auch die Bosnier selbst versperren nun ihre Türen vor den Menschen. Suhret Fazlic, der Bürgermeister der Stadt Bihac, in der immerhin eine leerstehende, beheizbare Fabrikhalle bereitstünde, erklärte, er wolle den Bitten des Ministerrates und der EU-Delegation in Bosnien und Herzegowina nicht nachkommen Er habe den Bürgern versprochen, dass keine Migranten mehr in der Stadt aufgenommen würden.

Seit 2016 habe die Kommune sehr viel für Migranten getan, habe viel erduldet, habe immer wieder nach Hilfe und Solidarität gerufen, und wäre dann doch allein geblieben. Auch andere Städte und Gemeinden in den Bosniakengebieten des Landes haben jetzt klar und deutlich abgewunken, in den serbischen und kroatischen Gebieten hat die Polizei ohnehin alle Migranten seit Jahren abgewiesen und an die Stadtgrenze von Bihac gebracht.

Die Menschen auf der Flucht aus Nahost, aus Afrika und Asien sitzen in einer Falle. Es geht weder vor noch zurück. Sich wieder in ihre Heimatländer begeben – das wollen nur die wenigsten. Sie glauben, doch noch irgendwann einmal die grüne Grenze nach Kroatien überwinden zu können. Doch im Moment geht es um das blanke Überleben.

Hife und Unterstützung kommen allein vom Roten Kreuz in Bihac unter dessen Leiter Selam Midzic und von SOS Bihac. Beide Organisationen versuchen die Sachspenden aus dem In- und Ausland trotz aller Widrigkeiten zügig an die Migranten zu verteilen. Mit dem Aufbau des Lagers Lipa durch die Armee soll jetzt auch wieder die IOM, die International Organisation for Migration, aktiv werden, so erwarten es die bosnischen Behörden.

Aber die UN-Organisation IOM war es, die das provisorische Lager in Lipa am 21. Dezember aufgab und damit die derzeitige Krise ausgelöst hat.

Zlatan Kovačević, der Kopf der kleinen Hilfsorganisation SOS Bihac, ist einer der wenigen Menschen in der Region, die Tag und Nacht in Sachen Flüchtlingshilfe engagiert sind – trotz seiner schweren Behinderung aus dem Bosnien-Krieg vor fast 30 Jahren. Mit seinen Mitstreitern geht er derzeit durch die Wälder und bringt den Migranten Essen, Kleidung, Schuhe. Die Aktivisten von SOS Bihac versorgen sogar notdürftig die Wunden von Menschen, die von kroatischen Grenzpolizisten misshandelt wurden.

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