Festnahmen auf linker Demo in Berlin: Hau drauf!

Die Polizei eskaliert auf der Luxemburg-Liebknecht-Demo mit Festnahmen – und geht damit mal wieder gegen vermeintliche Linksradikalität hart vor.

Rabiat: Polizeieinsatz auf der LL-Demo am Sonntag in Berlin Foto: picture alliance/dpa | Christophe Gateau

Ja, sind wir denn in Hongkong? Als am Sonntag ein paar Hundert Menschen über die – jetzt hätte ich fast „Stalin-Allee“ geschrieben, denn so hieß die Karl-Marx- respektive Frankfurter Allee in DDR-Zeiten mal – demonstrierten, um wie jedes Jahr am zweiten Sonntag im Januar an die Ermordung von Rosa Luxemburg und Karl Liebknecht zu erinnern, tickte ein Teil der Berliner Polizei aus. TeilnehmerInnen der Demo, von Polizeikreisen als linksradikal eingestuft, trugen blaue Hemden mit einem gelben Emblem auf dem linken (!) Arm: das Symbol der Freien Deutschen Jugend, dem kommunistischen Jugendverband der DDR (es gab nur den einen). Erste Gruppen der FDJ, so das Kürzel, waren schon vor dem Zweiten Weltkrieg im Exil, etwa in Großbritannien, entstanden. Und später eben auch in Westdeutschland, doch dort wurde die FDJ seit 1954 als verfassungswidrige Organisation verboten – und das gilt bis heute fort. Die Ostvariante aber ist bis heute legal.

Die Berliner Polizei hat nun am Sonntag etliche FDJ-Embleme (eine stilisierte, aufgehende Sonne) entdeckt und sich dafür entschieden, recht brachial einzuschreiten. Es habe der „Anfangsverdacht“ einer Straftat vorgelegen. Man hätte sich auch anders entscheiden können. Doch angeblich seien die Symbole von westdeutscher und ostdeutscher FDJ schwer auseinander zu halten. Sie sehen in der Tat gleich aus.

Sagen wir mal so: Die Vorgehensweise offenbart eine altbekannte Problemlage. Denn die klügere Vorgehensweise wäre gewesen, gar nicht einzuschreiten.

Aber es ist wie so oft. Weil die Demo als linksradikal eingestuft war, kann es nur diese eine Taktik geben. Man stelle sich einen ähnlichen Aufmarsch rechtsradikaler Kräfte mit einem Fahnenmeer vor, das sich nur schwer unterscheiden lässt in Bezug auf verbotene Symbole – eben! Es gibt übrigens ein DDR-Lied, es geht so: „Bau auf, bau auf, bau auf, bau auf, Freie Deutsche Jugend, bau auf.“ Für die Polizei heißt es wohl eher: Hau drauf.

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In der DDR geboren, in Westmecklenburg aufgewachsen, Stahlschiffbauer (weil Familientradition) gelernt, 1992 nach Berlin gezogen, dort und in London Kulturwissenschaften studiert, 1995 erster Text für die taz, seit 2014 im Lokalteil Berlin als Chef vom Dienst und Redakteur für Kulturpolitik & Queeres.

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