Heiße Cocktails zum Selbermachen: Wenn der Wein verglüht

Das Angebot an alkoholischen Heißgetränken ist sehr überschaubar. Das muss sich ändern! Die fünf wärmsten Empfehlungen von Profis.

Bunte Scherenschnitte von Weingläsern und Weinflacshen

Aber nicht wieder alles durcheinander trinken! Foto: cienpies/Panthermedia/imago

Es bräuchte keinen Coronawinter, um spätestens im Januar in den eigenen Geschmacksnerven ein erschöpftes Kontingent an Glühwein-Gusto vorzufinden. Dieses Mal hielt das Verlangen bei mir aber noch nicht einmal bis Weihnachten, dank ausschweifender dezemberlicher Glühwein-to-go-Spaziergänge. Nur bleibt es leider noch für lange Zeit kalt in Deutschland. Was also trinken?

Während mit der Vielfalt klassischer kalter Cocktails ganze Bücher zu füllen sind, ist das warme alkoholische Angebot sehr überschaubar. Hot Toddy, Grog, Irish Coffee – und dann? Auch in den Supermarktregalen sieht es mau aus; Baileys erinnert ein bisschen an die Nachbarin, die sich für den Aufbau des Christbaumständers revanchiert, Amaretto an verzweifelte Jugendjahre mit Apfelsaft. Warm schmeckt er übrigens wie aufgelöste Kinder-Hustenbonbons.

Ich frage also Menschen, die es wissen müssen: Barbetreiber, die seit Monaten am Tellerrand des Zumutbaren kraulen und mit abgefüllten Cocktails, Lieferservices oder selbstkreierten Takeaway-Schaltern auszuharren versuchen. Getränkespezialistinnen, die dieser Tage zwar ihrer Profession nicht nachgehen können, dafür aber helfen, das Zuhause zu einem Ort zu machen, der nicht nur nach Lieferservice, sondern auch ein klein wenig nach Bar schmeckt.

Damien Guichard, Betreiber der Truffle Pig Bar in Berlin-Neukölln, erreiche ich in seiner französischen Heimat, wo er gerade nicht mit Glühwein, sondern mit seinem Rennrad unterwegs ist. Sein Vorschlag einer warmen Alk-Alternative nennt sich „The Naughty List“. Dafür benötigt man:

50 ml Apfelsaft, 30 ml Bourbon Whiskey, 20 ml Rotweinsirup, ­bestehend aus: Rotwein, Lapsang-Souchong-Tee, Sternanis, Zimtstange, Vanilleschote, Orangenzesten, frischem Ingwer, Zucker

Einen Teebeutel Lapsang Souchong und die weiteren Sirupzutaten für 24 Stunden in 100 ml Rotwein einlegen, anschließend die Flüssigkeit abgießen und mit der gleichen Menge Zucker vermengen. Das ganze zum Sieden bringen und solange rühren, bis sich der Zucker aufgelöst hat. Sirup, Bourbon und Apfelsaft in eine Tasse geben, mit kochendem Wasser auffüllen und – „Voilà jetzt kannst du dich ruhig wieder auf die Couch setzen und dich freuen, dass du morgen sowieso keinen Plan hast.“ Auch mal schön, in diesen Tagen Variationen Harald Juhnkes meistzitierter Zeile zu hören.

Die tazze, das Logo der taz.

Dieser Text stammt aus der taz am wochenende. Immer ab Samstag am Kiosk, im eKiosk oder gleich im Wochenendabo. Und bei Facebook und Twitter.

Auf dem Sofa kann ich als Schnapsjournalistin meine restlichen Weihnachtszusendungen auspacken. Drinnen ist oftmals – Schnaps. Vieles stelle ich in die Hausbar; der Moment wird kommen, an dem diese, und genau diese Flasche ihren Platz in der Gegenwart findet. Es gibt aber auch Spirituosen, die zwischen November und März akut angebracht sind, wie der Wermut. An einer Flasche von Ferdinand’s Red Vermouth hängt dabei ein Schild, wie genau ein Negroni zu mischen ist:

3 cl roter Wermut, 3 cl Gin, 2 cl Campari

auf Eis verrühren und mit einer Zitronenzeste garnieren. Dies sollte doch auch ohne Eis funktionieren, denke ich, und werfe den Herd an. Bereits auf Eis ist ein Negroni eine ziemlich hochprozentige Angelegenheit, als „Hot Negroni“ fehlt der verwässernde Bestandteil komplett.

Verträglicher wird der Drink mit dem Saft ausgepresster Mandarinen – die hat derzeit ja wohl jeder herumliegen. Ich garniere das Ganze mit einem Zweig getrockneten Thymian. Der Trick mit dem Erhitzen funktioniert übrigens selbst mit einem Gin Tonic. Im Zweifel hilft eine Hand voll Cranberries – Wacholderbeeren haben vorerst ausgedient.

Für den nächsten Drink gehe ich direkt an die Quelle, nämlich zu Laura Maria Marsueschke in die Cocktailbar Thelonious in Berlin-Neukölln. Ihre Alternative nennt sie „The Countess“ und diese Gräfin sieht aus wie ein Berliner Abendhimmel im Januar und schmeckt, als würde der Morgen sicher kommen.

45 ml Earl Grey infused Gin, 10 ml Noilly Prat Rouge, 15 ml Amaretto, 5 ml Cointreau, 15 ml Earl Grey Tea

Eine Infusion ist ein Aufguss und infused Gin daher ein Gin, der auf andere Zutaten aufgegossen wird, auf dass er ihren Geschmack annehme. In diesem Falle sind das zwei Teelöffel Earl-Grey-Teeblätter auf 200 ml Gin, die dann eineinhalb Stunden miteinander ziehen, anschließend wird der Tee abgeseiht.

Tee-Gin, Noilly Prat, Amaretto und Cointreau in einer Tasse mit kochendem Earl Grey aufgießen und nach Belieben mit Zitronen- oder Orangenzeste garnieren. „Mein Hot Lockdown Liquor“, sagt Laura Maria über den Drink. Was sie am meisten vermisst derzeit? „Menschen im Allgemeinen, Gäste im Speziellen, eine volle Bar, das Adrenalin, den Stress und das Trinkgeld.“

Sorgen, die Falco Torini so nicht mehr hat. Der ehemalige Bartender der Münchener Ory Bar ist seit Anfang 2020 „Brand Ambassador“ bei der Limonadenfirma Schweppes und macht sich dort Gedanken, wie die mit dem Sommer assoziierten „Filler“ wintertauglich gemacht werden können. Das Resultat nennt sich „Hot Lemon Punch“:

20 cl Bitter Lemon, 4 cl Amaro Rosato, 3 cl Cranberrysaft

miteinander verrühren und mit der Dampfdüse der Kaffeemaschine oder direkt im Wasserkocher erhitzen; einen Rosmarinzweig und eine Scheibe Zitrone hinzugeben und die Sache sitzt.

Thomas Pflanz, der Inhaber der Berliner Hildegard Bar, schraubt während des Lockdowns mit seiner Band Grossmutter an einer „Hamlet“-Oper. Noch im Sommer hatte ich an seinem dunkelhölzernen Tresen einen Gin Tonic getrunken, dieses Mal muss das Gespräch an der Heimbar im Homeoffice stattfinden und Pflanz schlürft an einem „White Honey“. Dafür verwendet er:

5 cl Whiskey (idealerweise im Sherryfass gelagert, zum Beispiel Redbreast), 3 cl Verjus, 10 cl Weißwein, 2 TL Honig, 2 cl Sherry

Alle Zutaten werden im Topf vermengt, erhitzt und in die Tasse gefüllt. Wer keinen Verjus zur Hand hat, nehme 1 cl Zitronensaft.

In puncto Einfachheit und potenziell vorrätigen Hauszutaten hat der White Honey damit gewonnen. Was allerdings das Geschmackliche angeht, stehen ihm alle Drinks in nichts nach und haben ihren Hauptauftrag erfüllt: den Mund und den Kopf öffnen für eine Kultur der gepflegten Warmalkoholika.

Einmal zahlen
.

Fehler auf taz.de entdeckt?

Wir freuen uns über eine Mail an fehlerhinweis@taz.de!

Inhaltliches Feedback?

Gerne als Leser*innenkommentar unter dem Text auf taz.de oder über das Kontaktformular.

Bitte registrieren Sie sich und halten Sie sich an unsere Netiquette.

Haben Sie Probleme beim Kommentieren oder Registrieren?

Dann mailen Sie uns bitte an kommune@taz.de.