Hohe Umsätze im Einzelhandel: Coronapolitik hat funktioniert

Es klingt erstaunlich: In der Coronakrise ist der Umsatz im Einzelhandel gestiegen. An der zeitweisen Senkung der Mehrwertsteuer lag das jedoch nicht.

Dicht gedrängte Menschen in einer Einkaufsstraße

Volle Einkaufsstraßen in der Essener Innenstadt, Anfang Dezember 2020 Foto: Rupert Oberhäuser/imago

Es wirkt widersprüchlich: Die deutsche Wirtschaft wird von der Coronakrise gebeutelt – aber der Einzelhandel brummt. Um satte 5,3 Prozent nahm der Umsatz 2020 zu, wie das Statistische Bundesamt am Dienstag schätzte. Derartige Zuwächse gab es zuletzt 1994.

Mitten in der Krise wird geprasst. Das erscheint seltsam, ist aber schnell erklärt: Es war bekanntlich schwierig, im vergangenen Jahr ins Ausland zu reisen. Also blieben die verhinderten Ferntouristen in Deutschland – und gaben ihr Geld hier aus. Essen muss man schließlich immer.

Auch der Blick aufs eigene Heim veränderte sich, weil zeitweise mehr als 14 Millionen Angestellte im Homeoffice saßen. Da fiel schnell auf, dass das Sofa etwas beult oder der Küchentisch leicht angekratzt ist. Für Möbelverkäufer war 2020 ein Ausflug ins Paradies.

Die Optik täuscht also. Regelmäßig wird geklagt, dass die Innenstädte veröden und Geschäfte schließen müssten. Doch der Handel bricht nicht ein – er verlagert sich. Vor allem Online profitiert, aber auch vielen Spezialanbietern geht es gut. Kleider und Schuhe wurden aber zu Ladenhütern – was vor allem die Modegeschäfte in den Stadtzentren traf. Prompt wird gefordert, für diese Läden ein Hilfsprogramm aufzulegen.

Der Staat kann sich ruhig großzügig zeigen, dennoch dürften nicht alle Läden in den Innenstädten zu retten sein. Corona verstärkt einen Trend, den es schon vorher gab: Zunehmend wird im Internet bestellt. Das kann man doof finden. Aber es ist keine „Krise“, sondern normaler Strukturwandel.

Der Boom im Einzelhandel zeigt, wie gut die Coronapolitik funktioniert hat: Die Deutschen konnten nur so munter einkaufen, weil fast alle über ein sicheres Einkommen verfügten. Überflüssig war einzig, die Mehrwertsteuer vorübergehend zu senken. Dies hat zwanzig Milliarden Euro gekostet, den Konsum aber nicht weiter angeheizt – denn die Kauflaune der Deutschen war schon maximal.

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Der Kapitalismus fasziniert Ulrike schon seit der Schulzeit, als sie kurz vor dem Abitur in Gemeinschaftskunde mit dem Streit zwischen Angebots- und Nachfragetheorie konfrontiert wurde. Der weitere Weg wirkt nur von außen zufällig: Zunächst machte Ulrike eine Banklehre, absolvierte dann die Henri-Nannen-Schule für Journalismus, um anschließend an der FU Berlin Geschichte und Philosophie zu studieren. Sie war wissenschaftliche Mitarbeiterin der Körber-Stiftung in Hamburg und Pressesprecherin der Hamburger Gleichstellungssenatorin Krista Sager (Grüne). Seit 2000 ist sie bei der taz und schreibt nebenher Bücher. Ihr neuester Bestseller heißt: "Das Ende des Kapitalismus. Warum Wachstum und Klimaschutz nicht vereinbar sind - und wie wir in Zukunft leben werden". Von ihr stammen auch die Bestseller „Hurra, wir dürfen zahlen. Der Selbstbetrug der Mittelschicht“ (Piper 2012), „Der Sieg des Kapitals. Wie der Reichtum in die Welt kam: Die Geschichte von Wachstum, Geld und Krisen“ (Piper 2015), "Kein Kapitalismus ist auch keine Lösung. Die Krise der heutigen Ökonomie - oder was wir von Smith, Marx und Keynes lernen können" (Piper 2018) sowie "Deutschland, ein Wirtschaftsmärchen. Warum es kein Wunder ist, dass wir reich geworden sind" (Piper 2022).

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