Schulschließung aus Sicht einer Mutter: Im Kopierkrieg

Homeschooling statt hingehen – klingt gut. Doch leider befindet sich die normale (Grund-)Schule noch im Zeitalter von Kreide, Tafel und Papier.

Ein Junge bei den Hausaufgaben

Nicht mehr zeitgemäß: Home-Old-Schooling mit Arbeitsblättern statt iPads Foto: Swen Pförtner/imago

Am ersten Tag nach den Weihnachtsferien scheitert das Homeschooling an der Witterung. Die Kisten mit den DIN-A3-Umschlägen auf dem Schulhof sind klamm. Um sie herum, dicht an dicht, Schüler.innen und Eltern, die das passende Kuvert aus Hunderten heraussuchen. Während wir (eine Mutter, drei Kinder) wenig später zu Hause die feuchten Arbeitsblätter föhnen, hören wir in den Nachrichten, dass sich nun auch Gesundheitsminister Jens Spahn (CDU) für eine weitere Schließung von Schulen ausspricht.

Und genau hier wird es für Millionen Eltern, aber auch für kinderlose Arbeitnehmer.innen irre. Denn eins der wichtigsten Argumente für Schulschließungen war doch schließlich, dass die Personenzahl im öffentlichen Nahverkehr dezimiert und mögliche Menschenansammlungen wie an Schulen vermieden werden sollten?

Wie schon in den vergangenen Monaten prescht die Politik hier vor und lässt dabei völlig außer Acht, dass sich die normale deutsche (Grund-)Schule noch im Zeitalter von Kreide, Tafel und Papier befindet. Von der großen Digitalisierungsoffensive des Bildungssystem habe ich, und übrigens auch der Vorsitzende des Kinderschutzbundes Heinz Hilgers, bislang nur aus den Medien gehört.

Die Realität sieht so aus: Morgens, halb zehn in Deutschland. Statt die Kinder morgens per Smartphone oder Laptop in den digitalen Unterricht etwa per Zoom einzuladen, stehen Hunderttausende Oberstudienrät.innen vormittags eher am Kopiergerät statt virtuell vor ihren Schüler.innen.

Es hagelt Floskeln

Digitalunterricht hätte so auch in den Achtzigern, als ich zur Schule ging, stattgefunden – per Telefon im Auge des Kopierkriegs. Dabei, so mahnen auch die Lehrerverbände, ist Präsenzunterricht (am Laptop) sowohl zur Erfüllung des Bildungsauftrages als auch unter psychosozialen Gesichtspunkten das Beste für Kinder und Jugendliche. Offenbar geschenkt.

Die bearbeiteten Aufgabenblätter sollen übrigens an unserer Grundschule im regelmäßigen Turnus ausgefüllt zurückgebracht werden. Das bedeutet wieder eine nachmittägliche Fahrt mit dem ÖPNV. Wieder volle Busse zu einer Zeit, in der Arbeitnehmer.innen systemrelevanter Berufe auf dem Heimweg sind. Dass durch die fehlenden digitalen Fortschritte an Schulen ein lebenswichtiger Effekt des Lockdowns verpufft – offenbar ebenfalls geschenkt.

Am Ende scheitert damit jede politisch geplante Lockdown-Reißbrettstrategie am Abgleich mit der Lebensrealität von Millionen deutschen Familien. Die täglichen Auswirkungen sind dabei filmreif bis tragisch: Eltern, die während ihres Zoom-Meetings die Kamera ausstellen müssen, weil sie eine Matheaufgabe erklären, einen Streit schlichten, ein Kleinkind füttern oder die Küchenrolle aus der Toilette fischen.

Eltern, die Kinder ganztags aus Verzweiflung vor den Fernseher setzen, weil der Arbeitgeber kein Verständnis für Homeschooling hat. Und Kinder, die tagsüber nicht homeschoolen, sondern auf ihre jüngeren Geschwister aufpassen müssen, damit die Eltern arbeiten gehen können. Dazu hagelt es Floskeln. „Es ist für alle leichter, jetzt eine Woche länger die Schulen zuzuhaben, als sie aufzumachen und dann wieder vor Debatten zu stehen“, sagt Jens Spahn.

Mit Verlaub, Herr Minister: Sie mich auch.

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