Streit um UN-Atomwaffenverbot: SPD-Fraktionsvize kritisiert Groko

Der Unmut über die strikte Ablehnung des UN-Atomwaffenverbots wächst. Die Linkspartei wirft der Bundesregierung Täuschung vor.

Frieden schaffen ohne Atomwaffen: Demonstrant:innen gegen die Münchner Sicherheitskonferenz 2017 Foto: Pascal Beucker

BERLIN dpa/taz | In der SPD gibt es Unmut über die strikte Ablehnung des UN-Vertrags zum Verbot von Atomwaffen durch die Bundesregierung. Der Vertrag bringe neue Dynamik in die Bemühungen um eine nuklearwaffenfreie Welt, sagte die stellvertretende Fraktionsvorsitzende Gabriela Heinrich der Deutschen Presse-Agentur. „Ich fordere die Bundesregierung daher auf, ihre kategorische Ablehnung des Vertrages abzulegen.“ Stattdessen sollte Deutschland als Beobachter an der Vertragsstaatenkonferenz teilnehmen, um so die Zielrichtung konstruktiv zu begleiten.

Der UN-Vertrag war 2017 von 122 der 193 Mitgliedstaaten der Vereinten Nationen beschlossen worden. Am 22. Januar 2021 tritt er in Kraft, weil ihn inzwischen 51 Staaten ratifiziert haben. Die notwendige Zahl von 50 wurde damit überschritten. Für die Bemühungen um das Vertragswerk erhielt die internationale Kampagne zur atomaren Abrüstung Ican 2017 den Friedensnobelpreis.

Mit dem Inkrafttreten werden Atomwaffen völkerrechtlich auf den gleichen Status gestellt wie die übrigen Massenvernichtungswaffen, die in der Biowaffen- und Chemiewaffenkonvention 1971 beziehungsweise 1993 geächtet wurden. Würde auch Bundesrepublik den Vertrag unterschreiben, müssten in Deutschland gelagerte US-Atomwaffen abgezogen werden. Das hat die schwarz-rote Koalition bislang aber nicht vor.

Das Problem an dem Vertrag: Keiner der Staaten, die Atomwaffen besitzen, zählt zu den Unterzeichnern. Daher hat das Abkommen derzeit nur einen weitgehend symbolischen Charakter. Die Nato, der mit den USA, Frankreich und Großbritannien drei Atommächte angehören, lehnt den Vertrag geschlossen ab. In Europa wird er gegenwärtig nur von Österreich, Irland, Malta, San Marino, Liechtenstein und dem Vatikanstaat mitgetragen.

Linkspartei: „Angriff auf eine historische Abrüstungsinitiative“

Deutschland und die anderen Nato-Mitgliedstaaten kritisierten den Vertrag hingegen erst Mitte Dezember in einer gemeinsamen Erklärung, weil er angeblich das internationale Sicherheitsumfeld nicht widerspiegele und im Widerspruch zu bestehenden Abrüstungsregelungen stehe. Der einzige glaubwürdige Weg zur nuklearen Abrüstung sei der bestehende Vertrag über die Nichtverbreitung von Kernwaffen.

Die Linkspartei hält das nicht für stichhaltig. „Die Bundesregierung täuscht die Öffentlichkeit dreist mit der Behauptung, der Atomwaffenverbotsvertrag untergrabe internationale Abrüstungsbemühungen“, kritisierte Sevim Dağdelen, die abrüstungspolitische Sprecherin der Linksfraktion. Er knüpfe vielmehr „explizit an das Verifikationsregime des Vertrags über die Nichtverbreitung von Kernwaffen an“.

Die Absage der Nato an den Verbotsvertrag sei „ein Angriff auf eine historische Abrüstungsinitiative der internationalen Staatengemeinschaft hin zu einer Welt ohne Atomwaffen“, so Dağdelen. Statt weiter an der überholten nuklearen Teilhabe in der NATO festzuhalten, sollte die Bundesregierung lieber schnellstmöglich den Verbotsvertrag unterzeichnen und „endlich den Abzug der US-Atomwaffen aus Deutschland in die Wege leiten“.

Mit ihrer Forderung nach Unterzeichnung des Vertrages steht die Linkspartei nicht alleine. Für den Beitritt Deutschlands und anderer NATO-Mitglieder zum Atomwaffenverbot haben sich inzwischen zwei ehemalige Nato-Generalsekretäre sowie 55 ehemalige Außen- und Verteidigungsminister aus 20 Mitgliedsstaaten der Allianz ausgesprochen.

Die Sozialdemokratin Heinrich betonte, ihre Partei wolle sich 2021 für eine abrüstungspolitische Offensive einsetzen. Sie warb für Verhandlungen zwischen den USA und Russland mit dem Ziel, die in Deutschland und ganz Europa stationierten Atomwaffen abzuziehen und zu vernichten. „Ich bin davon überzeugt, dass wir nukleare Schwellenstaaten von dem Bau eigener Nuklearwaffen nur dann dauerhaft abhalten können, wenn zwischen den Großmächten kein neues nukleares Wettrüsten mit neuen Waffengattungen einsetzt“, sagte sie.

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