Bedrohte Buchhandlung Kisch & Co.: Fechten für das Gute und Schöne

Die Buchhandlung Kisch & Co. in der Oranienstraße sieht ihrem Räumungsprozess entgegen. Eine Petition für ihren Erhalt hat prominente Unterstützer.

Kundgebung vor Kisch & Co.

Protest vor der Buchhandlung Kisch & Co. in der Oranienstraße Foto: dpa

BERLIN taz | Der Schriftsteller und Reporter Egon Erwin Kisch formulierte einst, „daß nicht die bessere Sache den irdischen Sieg erficht, sondern die besser verfochtene Sache“. Die akut in ihrer Existenz bedrohte Kreuzberger Buchhandlung Kisch & Co. und ihre Unterstützer*innen sind also ganz bei ihrem Namensgeber, wenn sie zumindest versuchen, alles in die Waagschale zu werfen, um das Geschäft zu retten, das sich derzeit einer Räumungsklage erwehren muss.

Würde automatisch die bessere Sache gewinnen, hätte der 1997 eröffnete Buchladen leichtes Spiel: Das von Inhaber Thorsten Willenbrock geführte Geschäft mit drei Mitarbeiter*innen ist eine Institution, eine – wie Kultursenator Klaus Lederer (Linke) Buchhandlungen zuletzt nannte – „geistige Tankstelle“, gut sortiert und von Kund*innen hoch geschätzt. Ihm gegenüber steht ein scheinbar anonymer Luxemburger Fonds, der das Gewerbehaus in der Oranienstraße 25 vergangenes Jahr zu einem irrwitzigen Preis kaufte und ohne jede Hemmung oder Sinn für Kultur und Nachbarschaft die Ladenfläche für das Dreifache vermieten möchte.

Bereits seit Juni hat Kisch & Co. daher keinen Mietvertrag mehr – dafür aber umso mehr Freund*innen. Ein Bündnis um Nachbarschaftsinitiativen wie Bizim Kiez und GloReiche kämpft mit der Kampagne „Volle Breitseite“ an der Seite des Ladens und für das Gute. Den ganzen Sommer lang wurden Kundgebungen und Kulturveranstaltungen organisiert, Videos mit Unterstützer*innen gedreht und ein Solidaritätskalender gestaltet. Nicht zuletzt wurden auch die Käufer*innen enttarnt: die schwerreichen Erbinnen des schwedischen Tetra-Pak-Gründers Ruben Rausing, Kirsten und Sigrid.

Druck aufbauen mit einer Petition

Aktuell versucht man den Druck mit einer Petition hochzuhalten. Gefordert wird die „sofortige Rücknahme der Räumungsklage, die Verlängerung des Mietvertrags bzw. Neuausgestaltung zu annehmbaren Bedingungen und eine Standortgarantie für alle anderen kulturellen Einrichtungen und Gewerbe im Haus“ – also etwa für die Neue Gesellschaft für bildende Kunst und das Museum der Dinge.

Allein die Liste der 150 Erstunterzeichner*innen zeigt, dass man keine Milliardenvermögen für einen illustren Freundeskreis braucht. Unterschrieben haben etwa die Schriftsteller*innen Elfriede Jelinek, Ulrich Peltzer, Manja Präkels, Leander Sukov, die Schauspielerin Meret Becker, Politiker*innen wie Gregor Gysi und Canan Bayram. Mehr als 1.500 Mitunterzeichnende sind seit dem Start am 21. Dezember dazugekommen.

Die Petition richtet sich zugleich an die Politik, von der ein „Schutz für Kleingewerbetreibende sowie soziale und kulturelle Einrichtungen durch die Einführung eines Gewerbemietrechts“ gefordert wird. Die Grüne Bayram hat einen entsprechenden Gesetzentwurf im Oktober in den Bundestag eingebracht: Danach sollen Kündigungsschutz und Mietpreisbremse auch für Gewerbetreibende gelten. Im Frühjahr folgt eine öffentliche Anhörung im Rechtsausschuss, ehe der Entwurf in die zweite und dritte Lesung geht.

Bis dahin allerdings ist es für Kisch & Co. aller Voraussicht nach zu spät. Sollten die in London ansässigen Rausing-Erbinnen – eine schmückt sich sogar mit einem Verlag und einer Stiftung für Menschenrechte – nicht doch ihr Gewissen entdecken und in die Geschäftspraktiken der Victoria Immo Properties V S.a.r.l. intervenieren, kommt es am 5. Februar vor dem Landgericht zur Verhandlung über die Räumung. Die gute Sache wird dabei dann keine Rolle mehr spielen.

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