Kein Platz für eine Toleranzfabrik

Das Straßenfest des Christopher-Street-Day in Bremen fällt aus – sehr zur Freude der lokalen schwul-lesbischen Initiativen. Der Veranstalter aus Würzburg plant schon mal fürs kommende Jahr und beklagt sich über die Intoleranz der Szene

„Wir wollen kein Geld verdienen“, sagt die Toleranzfabrik aus Würzburg

Bremen taz ■ Das für den 30. Juli auf dem Domshof angekündigte Straßenfest des Christopher-Street-Day (CSD) wird in diesem Jahr nicht stattfinden. Das bestätigte der Veranstalter des CSD Bremen, der aus Würzburg stammende Tolerenzfabrik e.V., auf Nachfrage der taz.

Offiziell ist das schwul-lesbische Happening „wegen terminlichen Überschneidungen“ lediglich auf Anfang September verschoben. Das jedenfalls verkündet die Internetseite des CSD Bremen. Hintergrund der Absage ist jedoch die massive Kritik der lokalen Bremer Szene.

„Wir möchten uns nicht aufdrängen“, sagte Markus Sieber von der Toleranzfabrik zur Begründung. „Es ist traurig, wenn sich ein gemeinnütziger Verein rechtfertigen muss, wenn er etwas Gutes tut.“

In Bremen wehrt man sich vor allem gegen die fehlende Einbindung der lokalen Initiativen. Es sei „merkwürdig“ und „schwer vorstellbar“, dass der Bremer CSD von einem Würzburger Veranstalter organisiert wird, heißt es in einem Offenen Brief an die Toleranzfabrik. Unterschrieben haben ihn unter anderem das Rat- & Tat- Zentrum für Schwule und Lesben, das kraß-Zentrum, der queerfilm e.V., der Frauenbuchladen Hagazussa und das Café „Bi it“ sowie eine Bremer SM-Initiative.

Zwar sei gegen ein schwul-lesbisches Straßenfest nichts einzuwenden, heißt es in dem Papier, jedoch nicht als Konkurrenz zum CSD Nordwest, der seit zehn Jahren in Oldenburg stattfindet. Man habe kein Interesse an einer CSD-Veranstaltung in Bremen, „bei der noch nicht einmal der Versuch“ einer Anbindung an den CSD in Oldenburg unternommen werde. Tatsächlich fehlt auf der aktuellen Internetseite www.csd-bremen.de jeder ansonsten übliche Hinweis auf andere CSD-Straßenfeste und Paraden. Bereits im vergangenen Jahr stieß die fränkische Initiative auf heftigen Widerstand.

Kritik löst in Bremen vor allem der Verdacht aus, die Toleranzfabrik kommerzialisiere den CSD: Es sei „eigentümlich“, so die BriefschreiberInnen, dass der Vorstand der Toleranzfabrik identisch ist mit der Geschäftsführung einer Event-Agentur. „Junx4you“ hat im vergangenen Jahr nicht nur Sponsorengelder akquiriert, sondern auch Standgebühren für nicht-kommerzielle Gruppen erhoben. Diese Art der Finanzierung ist zwar auch auf den großen CSD-Paraden in Köln oder Hamburg üblich – nicht aber in Oldenburg. „Das gehört zu den wesentlichen Grundsätzen des CSD Nordwest“, betonen die zwölf AutorInnen des Briefes.

Sie fürchten vor allem, dass der CSD zum „Partyprodukt verkommt, das man beliebig im- und exportieren kann“. Markus Sieber hält das für Unsinn: „Wir wollen ja kein Geld verdienen.“ Der Toleranzfabrik gehe es um die Vermittlung der Inhalte, sagt Sieber – und verweist auf eine Kampagne zur Aids-Prävention im vergangenen Jahr. Aufgeben mag Sieber seine Ambitionen in Bremen nicht. „In diesem Jahr machen wir Pause.“ Für das kommende Jahr plane man aber ein neues „protestbewusstes“ Straßenfest, einige Sponsoren hätten bereits ihre Unterstützung signalisiert. Zwar war der erste Anlauf im vergangenen Jahr nach Angaben von BeobachterInnen eher schlecht besucht. Sieber kann sich für die Zukunft in Bremen auch eine eigene CSD-Parade vorstellen.

Die gab es bis vor gut zehn Jahren auch. Jedoch kam es 1994 zum Eklat und Bremen als eigener CSD-Standort wurde aufgegeben: Ein nicht angemeldeter Wagen wurde unter Einsatz der Polizei aus der Parade entfernt. Er wollte schon damals die Kommerzialisierung des CSD anprangern – und den CSD an seine politischen und radikalen Ursprünge erinnern: Die gewaltsame Auseinandersetzung von Schwulen und Lesben mit der Polizei in New York anno 1969. Jan Zier