Im Blaumann aus Berlin nach Afghanistan: Abschiebung(en) vollzogen

Trotz Protesten aus der Koalition wurde am Mittwoch ein 21-jähriger Afghane aus der Jugendarrestanstalt abgeschoben. Er war nicht der Einzige.

Bei dieser Abschiebung nach Afghanistan 2019 durften die Betroffenen ihr Hab und Gut mitnehmen Foto: dpa

BERLIN taz | Die Abschiebung eines jungen Afghanen aus dem Berliner Jugendarrest wurde laut dessen Anwältin am Mittwochabend vollzogen. Ihr Mandant sei aus der KFZ-Werkstatt der Jugendarrestanstalt, wo er arbeitete, abgeholt worden, sagte Barbara Dubick der taz: „Im Blaumann und ohne Mitnahme seines Eigentums.“

Der 21-Jährige hatte nach mehreren teils schweren Straftaten wie gefährlicher Körperverletzung eine zweieinhalbjährige Haftstrafe zu verbüßen, die im Frühjahr 2021 beendet gewesen wäre. Das Berliner Bündnis gegen Abschiebungen nach Afghanistan, dem auch der Flüchtlingsrat angehört, protestierte gegen die Abschiebung des Mannes, der 2014 minderjährig und ohne Familie nach Berlin gekommen war. Diese würde dessen sämtliche Erfolge während der Haft – psychische Stabilisierung, Erlangung der erweiterten Berufsbildungsreife, Ausbildung zum Peer-Mediator, Drogenfreiheit – konterkarieren, sagt Georg Classen, Sprecher des Berliner Flüchtlingsrats, laut einer Presseerklärung des Bündnisses.

Innensenator Andreas Geisel (SPD) sagte auf Nachfrage der taz am Donnerstag, er „nehme zur Kenntnis, dass der Flüchtlingsrat das aus der Perspektive des Täters und dessen Zukunft sieht. Ich sehe das aus der Perspektive der Opfer und möglicher zukünftiger Opfer.“ Der Abgeschobene habe in der Haft „labiles Verhalten“ gezeigt und sei deshalb weder in den offenen Vollzug gelangt, noch sei ihm Haftverkürzung gewährt worden. „Ich habe für den Schutz der Menschen in Berlin zu sorgen“, so Geisel.

Kritik aus der Koalition

Aus der Koalition gab es Kritik an der Abschiebung. Laut Koalitionsvertrag seien Rückführungen, die aus humanitären Gründen nicht tragbar seien, ausgeschlossen, twitterte die Grünen-Abgeordnete Susanne Kahlefeld: „Ist das der übliche Ruck der @spdberlin nach rechts vor der nächsten Wahl?“

Auch die Linke zeigte sich verstimmt: Die Koalition habe einen anderen Geist vereinbart, sagte deren Fraktionssprecher für Innenpolitik, Niklas Schrader, der taz. Dies sei nicht das erste Mal, dass Geisel sich darüber hinweg setze. Auch Mitglieder aus Geisels eigener Partei hatten sich im Vorfeld gegen die Abschiebung ausgesprochen.

Laut Rechtsanwältin Dubick wurde am Mittwoch noch ein weiterer Mann aus der Berliner Jugendarrestanstalt nach Afghanistan abgeschoben. Dem Flüchtlingsrat liegen laut Sprecher Georg Classen keine Informationen zu diesem Fall vor. Der Sprecher des Innensenators bestätigte gegenüber der taz die zweite Abschiebung.

Einmal zahlen
.

Fehler auf taz.de entdeckt?

Wir freuen uns über eine Mail an fehlerhinweis@taz.de!

Inhaltliches Feedback?

Gerne als Leser*innenkommentar unter dem Text auf taz.de oder über das Kontaktformular.

Bitte registrieren Sie sich und halten Sie sich an unsere Netiquette.

Haben Sie Probleme beim Kommentieren oder Registrieren?

Dann mailen Sie uns bitte an kommune@taz.de.