Korruption bei der Vergabe der WM 2006: Verdeckt und streng vertraulich

Neue Indizien für eine erkaufte WM 2006 lassen den Deutschen Fußball-Bund und seine Aufklärungsarbeit schlecht aussehen.

DFB-Chef und Generalsekretär nebeneinander laufend in Anzügen

Konnten noch wenig offenlegen: DFB-Chef Fritz Keller und DFB-Generalsekretär Friedrich Curtius Foto: dpa

Bundestrainer Joachim Löw zeigte sich zuletzt tief erschüttert. Internes war aus Kreisen des Deutschen Fußball-Bundes nach außen gedrungen. Inhalte aus einem Gespräch etwa, das DFB-Präsident Fritz Keller mit ihm geführt haben soll. Dabei soll Keller vorgefühlt haben, ob Löw sich nicht eine vorzeitige Vertragsauflösung nach der Europameisterschaft vorstellen könne. Konnte er nicht, wie nun alle Welt weiß, weil per Mundpropaganda immer mehr Leute vom auf wenig Vertrauen basierenden vertraulichen Gespräch erfuhren.

Ist der DFB zu einem Hort der Indiskretion geworden? Keineswegs. In Frankfurt am Main kann man auch eisern schweigen. Auf eine Stellungnahme zu den jüngsten Enthüllungen des Spiegels und der Süddeutschen Zeitung, die bereits am Freitagnachmittag Indizien präsentierten, welche die Vermutung stärken, dass die WM 2006 durch Korruption nach Deutschland geholt wurde, wartet man bislang vergebens.

Immerhin legen die Dokumente, wie der Rechercheverbund berichtet, eine Mitwisserschaft des DFB von Korruptionsvorgängen nahe. Im Blickpunkt steht die schweizerische Sportvermarktungsfirma CWL, die der verstorbene Medienmogul Leo Kirch im Jahr 2000 erwarb und bei welcher der ehemalige deutsche Nationalspieler Günter Netzer in führender Position arbeitete. Von dieser Firma soll der maltesische Fußballverbandspräsident Joseph Mifsud eine Million Schweizer Franken für eine „Marktuntersuchung“ und den Verkauf von Rechten für Eishockey-Weltmeisterschaften erhalten haben.

Vermutlich eine verdeckte Zahlung, denn in einem „streng vertraulichen“ Anweisung steht, die Summe solle erst nach einem Fifa-Kongress und der Bewilligung von GN (die Initialen von Günter Netzer) erfolgen. Mifsud stimmte mit über die WM-Vergabe ab. Kurz vor diesem Termin schloss die Kirch Media GmbH mit dem DFB eine „Eckwertevereinbarung“ ab, mit welcher der DFB Kirch die weltweiten Verwertungsrechte an der Ersten und Zweiten Bundesliga für vier Jahre zusicherte.

Blamable Trägheit

Der DFB begründete sein Schweigen zu den aktuellen Berichten mit „laufenden Ermittlungen“. Die Trägheit der eigenen Aufklärungsarbeit ist mittlerweile höchst blamabel. Vor knapp drei Monaten kündigte Präsident Keller vollmundig an, der DFB verfüge zur WM 2006 über „einige neue Erkenntnisse“. Er sei zuversichtlich, dass der DFB sich zu „gegebenem Zeitpunkt“ dazu äußern werde.

Passiert ist seither nichts. Dabei hat der Verband schon lange die Aufklärung der ominösen Vorgänge rund um diese WM-Vergabe, wie etwa die Überweisung von 6,7 Millionen Euro aus Deutschland über die Schweiz nach Katar, zu einem seiner Hauptanliegen erklärt. Die vom DFB für gut 5 Millionen Euro beauftragte externe Kanzlei Freshfields hat allerdings wenig Substanzielles zu den offenen Fragen herausfinden können. Deshalb wurde 2019 die Detektei Esecon vom DFB in die Spur geschickt.

Deren „neue Erkenntnisse“ kennt man wie erwähnt nur vom Hörensagen. Dass DFB-Chef Keller damals seine vage Ankündigung mit der Bitte verband, die Beteiligten sollten doch jetzt alle Karten auf den Tisch legen, erweckte wiederum nicht den Anschein, als ob der Verband handfestes Wissen präsentieren kann und will.

Wenn deutlich ressourcenschwächere Nachforscher:innen den DFB in der Aufklärungsarbeit so deutlich überflügeln, wirken die millionenschweren DFB-Aufwendungen für Detekteien immer mehr wie ein PR-Posten im Ausgabenbudget. Es ist jetzt höchste Zeit für den Deutschen Fußball-Bund, Internes nach außen zu tragen.

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Jahrgang 1971, bis Ende März 2014 frei journalistisch tätig. Seither fest mit dem Leibesübungen-Ressort verbunden.

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