Die Wahrheit: Des Teufels liebstes Hüpfmöbel

Das Trampolin ist die neuzeitliche Ruine der privaten Gartenwelt und ein archäologisches Zeugnis unserer Grabstättenkultur.

Verlassenes Trampolin am Wegesrand Foto: Reuters

Spätherbstliche Vorortspaziergänge bestätigen, was man ohnehin schon weiß: Besser wird hier gar nichts. Im Gegenteil. Sogar die heimischen Gärten sind vom allgemeinen Niedergang betroffen, wie ein Blick über die Zäune zeigt: Zu der elektrisch betriebenen Kleinwindmühlensimulation, der Brunnen­attrappe und der großen alten Dame der Unbequemlichkeit und des tantigen Geschmacks, der Hollywoodschaukel, hat sich eine weitere Landschaftsplage gesellt – das Gartentrampolin.

Der Zustand des Hüpfmöbels erinnert regelmäßig stark an die Dresdner Frauenkirche vor dem Wiederaufbau. Gleich dieser wirken sie wie Mahnmale für das, was Luftangriffe, Vandalismus und Erosion übriglassen. Ältere Exemplare erwecken gar den Eindruck, bei archäologischen Ausgrabungen freigelegte Zeugnisse einer untergegangenen Zivilisation zu sein, in der Trampolinen eine gewisse kultische Bedeutung beigemessen wurde.

Tatsächlich ist kein Bombenkrieg für die jämmerliche Verfassung verantwortlich; es ist vielmehr eine Kombination aus natürlichen Faktoren – Frühling, Sommer, Herbst und Winter – und dem schamlosen Geiz ihrer Besitzer. Weil so was ja nichts kosten darf, wurden die klapprigen Teile aus dem schäbigsten Discounter herangekarrt und nach der beigefügten Aufbauanleitung und einem undeutlichen Bauchgefühl mühsam zusammengesteckt und dann sich selbst überlassen.

Zwar stellt die Konstruktion eines derartigen Geräts keine übermäßig anspruchsvolle ingenieurtechnische Leistung dar, aber durchdacht ist das Ganze schon und grundsätzlich auch dazu geeignet, sich Kraft, Kondition und Koordination zu erspringen. Allein: Es springt keiner. Allenfalls in der kurzen Phase unreifer Anfangsbegeisterung wird das Trampolin vom Erwerber und dessen Nachwuchs kurz behüpft. Danach steht es rum.

Riss im Sprungtuch

Meist zeigt sich schon unmittelbar nach der Erstbesteigung ein Riss im Sprungtuch, zerspringt die erste Feder, verbiegt sich das Gestänge. Zwei Jahreszyklen später ist das Gerät praktisch eine Ruine und müsste weg. Müsste. Doch seine Ausmaße verhindern die zeitnahe Entsorgung. Missmutig umkreist der Besitzer das sperrige Gerümpel und verflucht den Tag, an dem er sich zum Kauf überreden ließ.

Fürs erste wird das Trampolin in eine hintere Ecke des Gartens gezerrt, neben Kompost, Altholzstapel und Kaninchengrabstelle. Also falls der Garten eine hintere Ecke hat im Sinne von: ein Stückchen weg von allem. Gerade in den von ehemaligen Großstädtern bezogenen Winzgärten des Umlandes ist die hintere Ecke häufig keine zehn Schritte von der vorderen entfernt. Da gibt es nichts, das von irgendetwas anderem ein Stückchen weg wäre. Auf derartigen Nano-Arealen ist das skelettierte Trampolin Landschaftsdominante und ungeliebter Verschattungsverursacher in einem, und zwar auf lange, lange Zeit.

Gekauft werden die Geräte vermutlich wie so vieles nicht, weil man sie benötigt, sondern aufgrund von Konformitätsdruck, Geschenkideennotstand und Selbstüberschätzung. Doch anders als sonstiger Kleinplunder entzieht ein Trampolin weite Teile des Gartens seiner eigentlichen Bestimmung: der Erholung und anmutigem Spiel. Wie man es auch dreht und wendet, das Teil stört. Hinzukommt die Gefahrengeneigtheit des Trampolinspringens. Man kauft keinen kind- und seniorengerecht konfigurierten Hüpfball, sondern ein potenziell teuflisches Sportgerät.

Nicht ohne Grund verwenden die Hersteller den Begriff „Wurf-leistung“, um die Fähigkeit der Geräte zu beschreiben, den Nutzer nicht einmal ungefähr dort landen zu lassen, wo er abgesprungen ist, sondern weit davon entfernt, wobei dem Gerät vollkommen egal ist, wie sich der Springer selbst die Landung vorstellt. Trampolinbesitzer, die schon einmal einen zur Gartenparty des Sohnes eingeladenen Mitschüler drei Grundstücke weiter aus dem Schlamm eines Gartenteichs ziehen durften, wissen, wovon die Rede ist. Danach verzichtet man leichten Herzens auf die Weiternutzung.

Altern in Würde

Anders als zum Beispiel Robert Redford altern Gartentrampoline auch nicht in Würde. Ganz einfach, weil sie bei schlechtem Wetter nicht reingehen können. Sie verfallen ohne Charme, die Jahre prägen ihnen keine interessanten Spuren in die Haut. Ebenso wenig stehen sie in der Tradition der künstlichen Ruinen, mit denen Herrscher einst ihre Schlossparks schmückten, für erotische Rendezvous oder einfach nur so, zum Angeben.

Eine Trampolinruine sieht nun einmal genau nach dem aus, was sie ist: eine zur alsbaldigen Verschrottung bestimmte Mischmüllkonstruktion. Von Romantik keine Spur. Literatur, in der sich die Mätresse von einem diskret gemurmelten „Bei Sonnenuntergang am Trampolin!“ verführen lässt, wird es niemals geben.

Auch als Partymittelpunkt taugen sie nicht. Dem zu geschmackvoller Pianomusik, gern live gespielt, und bei dezentem Licht in der Dämmerung azurblau schimmernden Swimmingpool ist das Gartentrampolin in Sachen Atmosphäre heillos unterlegen. Es ist der Pool des kleinen Mannes. Was nicht bedeutet, dass man daraus nun so überhaupt gar nix machen könnte. Am besten also einfach die Decken raus, dazu ein paar Kästen Bier, und aus den Boxen volles Rohr „Jump“ von Van Halen dröhnen lassen.

Mehr Atmosphäre braucht kein Mensch.

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