Abschaffung der oberirdischen S-Bahn: Auch Lebensqualität zählt

Die S-Bahn-Strecke mit Ausblick auf die Innenstadt ist ein Sahnestück des HVV. Sie den Fahrgästen wegzunehmen, ignoriert die Bedeutung der Sinne.

Beleuchteter Tannenbaum auf der Binnenalster.

Leuchtet die Tanne schon wie hier zuletzt 2019? Wer S-Bahn fährt, ist darüber bestens informiert Foto: Daniel Bockwoldt/dpa

Ein Berliner Schauspieler sagte mal, die Hamburger liebten ihre Stadt wahnsinnig und er verstünde nicht warum. Er gehörte wohl nicht zu den Menschen, die täglich mit der S-Bahn über die Lombardsbrücke fahren und den Blick auf Außen- und Binnenalster genießen.

Leuchtet die Alstertanne schon? Sind Segler auf dem Wasser? Hat sich Eis gebildet? Diese oberirdische S-Bahn ist das Sahnestück des HVV. Hier schlägt das Herz der Stadt. Wer nach Berlin einfährt, sieht Straßen, wer nach Hamburg fährt, diese wundervollen Seen. Wer vom Hauptbahnhof nach Altona will und die Wahl hat, ob er „obenrum“ fährt oder „untenrum“ durch den erst Ende der 1970er gebauten Tunnel, nimmt obenrum.

Der Ausblick und die Fahrt mit Tageslicht sind ein Stück Lebensqualität. Dies abzuschaffen mit einem Streich, so als ob es gar nichts bedeute, ist ignorant. Das Argument lautet: Wir brauchen mehr Schienenkapazitäten für Züge nach Kiel und Flensburg. Nur könnten die Fernreisenden, die eh lange rausgucken, schon eher mal kurz eine Tunnelfahrt ertragen, so wie in Berlin. Am dortigen Hauptbahnhof fahren die ICEs im Tiefgeschoss ein, die S-Bahn fährt schön oben.

Ein weiteres Argument: Der Hamburger Hauptbahnhof benötigt freie Gleise. Das könnte erreicht werden, indem Regionalzüge zum Beispiel von Kiel nach Lübeck durchfahren und nicht mehr dort stundenlang warten. Die Alternativen sind also längst nicht ausgelotet. Hinzu kommt: Dem Schanzenviertel würden bei dieser Planung des Bundes mal eben zwei Bahnhöfe genommen.

Doch auch „weiche“ Argumente wie das Ansprechen der Sinne zählen. Kann eine neue Strecke nur in der Erde gebaut werden, ist es besser so als gar nicht. Aber hier verlieren die Menschen eine mehr als hundert Jahre alte Kostbarkeit. Warum müssen die HVV-Nutzer Platz abgeben? Warum nicht die Autos? Bevor Hamburg diesen teuren Tunnel baut, sollte die Straßenbahn kommen. Die fährt günstiger und ganz bestimmt mit Aussicht.

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Jahrgang 1964, seit 1992 Redakteurin der taz am Standort Hamburg für Bildung und Soziales. Schwerpunkte Schulpolitik, Jugendhilfe, Familienpolitik und Alltagsthemen.

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