Nachruf auf Diego Maradona: Himmelfahrt des Größten

Wenn er den Ball annahm, streichelte, zirkelte und schoss, wurde er als gottgleich angesehen. Diego Maradona lebt nicht mehr. Die Fußballwelt trauert.

Maradona umkurvt mehrere Gegenspieler

Auf dem Weg zum Tor des Jahrhunderts: Maradona im Spiel gegen England 1986 Foto: reuters

BERLIN taz | Der Fußballgott holt seinen eingeborenen Sohn an seine Seite. Wenn es um Diego Maradona geht, können die Worte gar nicht schwülstig genug sein. Mit 60 Jahren ist einer der wahnsinnigsten Fußballer, die je einen Rasen betreten haben, gestorben. Einer der besten war er sowieso.

Auch wenn er das war, was man einen begnadeten Kicker nennt, war ihm eine große Karriere gewiss nicht in die Wiege gelegt. Wo er aufwuchs, am südlichen Rand der Metropole Buenos Aires, war das Elend zu Hause.

Diego kam als fünftes von acht Kindern seiner Eltern an einem Ort zur Welt, der gewiss nicht für eine helle Zukunft stand. Als Straßenkicker wurde er entdeckt, da war er 9. 16 war er bei seinem ersten Länderspiel. 1986 war er Weltmeister, der größte Hingucker des Weltfußballs. Alle in der Welt kannten ihn, Maradona, den Wahnsinn in Person.

Das Viertelfinale des Turniers von 1986 gegen England entschied er allein. Ein Tor erzielte er mit der Hand. Er selbst nannte sie die Hand Gottes. Es gab viele, die ihm das glaubten. Im selben Spiel trieb er den Ball über fast das ganze Feld, ließ seine Gegenspieler staunend hinter sich, umspielte den gegnerischen Keeper und schoss ein. Gut möglich, dass es der schönste Treffer war, den die Welt bis heute gesehen hat. Spätestens jetzt war Diego der Größte. Und er sollte es immer bleiben.

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Im Spiel wie im Exzess machte dem Argentinier, der nie ein Modellathlet war, kaum einer etwas vor. Ganz Neapel verehrt Maradona wie einen Heiligen, seit er das Team 1987 zur italienischen Meisterschaft geführt hat. Madonnenstatuen in der Stadt sollen Tränen vergossen haben, als er den Titel 1990 noch einmal mit dem SSC Neapel holte.

Er hat dem Süden Italiens Würde ver­liehen. Und stolz ist man dort auf den Argentinier auch dann noch gewesen, als er sich in schlechte Gesellschaft begab. Koks wurde zwischenzeitlich seine zweite Leidenschaft.

Doch auch der biederste Moral­apostel tat sich schwer, mit dem Finger auf Maradona zu zeigen. Sobald er den Ball gestreichelt, angenommen, gezirkelt, geschossen hat, wurde er als gottgleich angesehen. Wenn die anderen beim Aufwärmen vor einem Spiel von Linie zu Linie gesprintet sind, hat er Kunststückchen mit dem Ball gemacht, die allein das Eintrittsgeld wert waren.

Klar war er es, der für den spektakulärsten Dopingfall der Fußballgeschichte gesorgt hat, und doch ist es nicht der Aufputschcocktail, an den man sich erinnert, wenn man an den Auftritt des alternden Maradona bei der WM 1994 in den USA denkt; es ist sein verrücktes Tor gegen Griechenland, das eben nur einer wie er erzielen konnte.

Von Fußball konnte Maradona nie lassen, von Drogen meistens auch nicht. Er hat Raubbau betrieben an seinem Körper, hat sich immer wieder in Behandlung begeben. Er hat sich helfen lassen von Kubas Ärzten, die ihm der von ihm verehrte Fidel Castro angedient hat. Zu diesem fühlte er sich ebenso hingezogen wie zu Venezuelas linkem Führer Hugo Chávez. Der Applaus derjenigen, die aus eigener Erfahrung wissen, wo Maradona herkommt, war ihm sicher. Für sie war er nicht nur als Spieler der Größte.

Dass er als Nationaltrainer Argentiniens nicht wirklich erfolgreich war, dass seine Trainerstationen in Argentinien und Mexiko nicht von Erfolg gekrönt waren, dass es immer wieder Leute gab, die in ihm nicht mehr gesehen haben als eine übergewichtige, Zigarren schmauchende Witzfigur: egal. Er konnte spielen wie kein Zweiter. Es wird vielleicht keinen mehr geben wie ihn, keinen, der so angebetet wird.

Das letzte Kapitel im Evangelium Diego Maradona ist nun geschrieben. Der Größte ist am 25. November 2020 im Alter von 60 Jahren gestorben. Amen.

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