Weinkunde auf dem Prüfstand: Der Geschmack des Weins

Die geografische Herkunft soll sich im Geschmack von Wein wiederfinden. Es gibt zwar eine Terroir-Charakteristik, sie wird jedoch gerne überschätzt.

Hügelige Landschaft mit langen Reihen von Weinstöcken

Die Anordnung der Weinstöcke beeinflusst die Sonnenbestrahlung Foto: Karl-Josef Hildenbrand/dpa

MÜNCHEN taz | Wein soll durch sein Terroir eine prägnante regionale oder sogar eine lagenspezifische Note bekommen. Dabei zählt zum Terroir Boden, Klima aber auch die Weinkultur – das Konzept soll also eine geografische Herkunft widerspiegeln. Ein Terroir-Wein soll das Gegenstück zum charakterlosen, übertechnologisierten Allerweltswein darstellen. Doch wie gut ist dieses Konzept wissenschaftlich untermauert? Kann man zweifelsfrei erkennen, dass ein fränkischer Silvaner auf Keuper oder auf Buntsandstein gewachsen ist? Falls ja, wie unterscheiden sich diese Weine chemisch besehen? Schmeckt man die Mineralien, die Sonneneinstrahlung oder vielleicht eher die Mikroben, die sich im Weinberg tummeln und denen bei der sogenannten Spontangärung eine aromatragende Rolle zugesprochen wird?

Beginnen wir mit dem Boden: Teilweise wird behauptet, die Reben würden über den Boden die Mineralien aufnehmen und daher könnte man am Geschmack des Weines die Bodenart und damit die Region oder die Lage erkennen. „Fakt ist jedoch“, so Alex Maltman, Geologe an der walisischen Aberystwyth University, „dass Mineralien wie Magnesium oder Silizium während der Weinherstellung reduziert werden.“ Im Wein selber wäre der Mineralstoffgehalt dann nur bei 0,2 Prozent. „Man schmeckt die Mineralien im Wein eher weniger“, sagt Manfred Stoll, Wissenschaftler an der Hochschule Geisenheim. „Zu behaupten ein Wein schmecke ‚mineralisch‘ ist also eigentlich ein irreführender Begriff, zumal viele Laien nichts damit anfangen können, denn niemand weiß wie ein Boden schmeckt.“

Dennoch haben Bodenmineralien einen Einfluss auf die Weincharakteristik. „Keuper hat beispielsweise einen erhöhten Sulfatgehalt. Bei der Weingärung können aus Sulfat vermehrt schwefelhaltige Aminosäuren und daraus wiederum aromatische Thiole entstehen“, sagt Daniel Heßdörfer, Agrarwissenschaftler an der Bayerischen Landesanstalt für Weinbau und Gartenbau in Veitshöchheim.

Der Boden ist auch durch seinen pH-Wert einflussreich. „Wächst eine Rebe auf einem basischen, zum Beispiel kalkhaltigem Boden, gehen vermehrt Mineralien wie Kalzium in die Rebe über und diese puffern Säuren im Wein“, sagt Heßdörfer. „Einen Silvaner vom Keuper kann man daher schon geschmacklich und chemisch von einem Silvaner vom Buntsandstein unterscheiden.“ Der Buntsandstein ist ein lehmiger Sand und daher sauer, während der Keuper ein lehmiger Ton ist und einen mittleren pH-Wert von 7 aufweist. Verschiedene Säuregehalte sind dann auch im Most messbar.

Die Bodenart spielt zudem eine Rolle, da Böden unterschiedlich gut Wasser binden können und daher auch die Reben unterschiedlich mit Wasser und Nährstoffen versorgen. So hat der Buntsandstein etwa eine geringe Wasserhaltefähigkeit. Daher leiden die Reben schneller unter Wassermangel und dann lagern sie vermehrt Bitterstoffe ein, was man im späteren Wein schmecken kann. „Sogar innerhalb einer Lage sorgen verschiedene Standorte der Rebe für eine Geschmacksvariation, wie etwa beim Würzburger Stein“, sagt Heßdörfer.

Steilhang und Zeilenrichtung

Am Steilhang ist auch der Sonneneinfallswinkel anders als in der Ebene. Wie gut eine Rebe im Verlauf des Wachstums Sonne tanken kann, ist auch abhängig von der Zeilenrichtung, wie also der Weinberg angelegt ist und in welcher Erziehungsform diese wachsen. „Bei uns ist die üblichste Erziehungsform das Spalier, das erlaubt, dass viel Sonne auf die Trauben fällt“, sagt Stoll. Während bei anderen Erziehungsformen und weniger arbeitsintensiven Systemen das Laub die Trauben teilweise beschattet.

Die Trauben am Weinstock sind mit einem hauchdünnen Biofilm überzogen

Vor allem bei Rotweinsorten ist viel Licht und Trockenstress vorteilhaft für die Qualität und darum erwünscht, denn damit bilden sich in der Beerenhaut Aromen wie Phenole und Anthocyane. „Bei Weißwein kann eine Überdosis Sonne hingegen zu Sonnenbrand und damit zu Totalausfall führen“, so der Geisenheimer Wissenschaftler. Der Einfluss der Sonne spielt also eine große Rolle, weswegen auch Jahrgänge mal Spitzenweine und mal weniger gute Weine liefern. Zucker und verschiedene Aromastoffe sind dann auch chemisch nachweisbar.

Dennoch behaupten einige Winzer, dass die Art der Gärung den definitiven Unterschied macht, wenn man einen authentischen, großen Weinbergswein machen will. Im Trend ist die sogenannte Spontangärung, bei der man auf den Zusatz von Reinzuchthefestämmen verzichtet und den Most ganz anarchistisch seiner eigenen Mikroflora überlässt.

Denn die Trauben am Weinstock sind mit einem hauchdünnen Biofilm überzogen, dieser beherbergt neben Weinhefen, Bakterien und wilde Hefen in unterschiedlichen Mengen. Die Weinhefe Saccharomyces cerevisiae findet man erst auf ganz reifen Trauben und in einer Menge von nur ein Promille der gesamten Mikroorganismenzahl und nur einem Prozent der Gesamthefeflora.

„Man darf aber nicht vergessen, dass Pflanzenschutzmittel einen Großteil der wilden Mikroorganismen hemmen, das gilt auch für Pflanzenschutzmittel aus dem Bioanbau“, sagt Heßdörfer. Dennoch fanden Forscher der Universität Hohenheim auf Weiß- und Rotweintrauben komplexe Bakteriengemeinschaften, darunter etwa Essigsäure- und Milchsäurebakterien. Welche Mikroben sich letztlich auf der Traube durchsetzen, ist auch von Umwelteinflüssen abhängig, etwa vom Befall mit Schädlingen wie der Kirschessigfliege.

Zwar ist zu Beginn der Spontangärung die Traubenflora mit ihren Wildhefen aktiv. Zu den Wildhefen zählen etwa die Gattungen Hanseniaspora oder Metschnikowia. Bereits jetzt entstehen neben Alkohol auch geruchs- und geschmacksgebende Verbindungen, etwa flüchtige Säuren und Ester. Dennoch setzen sich bald die Hefen aus dem Weinkeller durch.

Und ab einem Alkoholgehalt von fünf bis sechs Prozent gewinnen Mikroben die Oberhand, die sich an die sauerstoffarmen Bedingungen in einem Weintank adaptiert haben. Und dazu zählt Saccharomyces cerevisiae. Auch diese Hefezellen steuern nun aromaaktive Komponenten bei. Mittlerweile gibt es mehrere Hundert verschiedene Reinzuchthefestämme im Handel, die sich laut Hersteller geschmacklich deutlich unterscheiden sollen.

Heßdörfer hält denn auch die Weinbergsflora für weniger geschmacksprägend. „In den Lesebehältern sowie bei der Annahme der Ernte im Weingut sowie bei der Pressung kommen die Trauben und dann der Most mit der Umgebung in Kontakt und hier können viele Mikroben in den Wein gelangen.“

Dennoch befassen sich Wissenschaftler neuerdings vermehrt mit dem sogenannten „microbial terroir“. Sie finden dank neuer Gensequenzierungsmethoden immer mehr Mikroben auf den Trauben, den Rebenstämmen und dem Boden, darunter auch Bakterien und Pilze, die das Aromagefüge beeinflussen. Neuseeländische Wissenschaftler haben etwa in Wäldern, Weinbergen und spontan vergorenem Sauvignon Blanc rund 3.900 Hefestämme gefunden. Allerdings können Wilde Hefen auf den Trauben sogar einen typischen Geschmack der Region überdecken, etwa weil sie käsige Beitöne liefern. Auch Bodenmikroben können das Geschmacksgefüge der Trauben beeinflussen, bei Shiraz-Trauben finden sich etwa, je nachdem wie das Bodenleben gestaltet ist, mehr oder weniger des pfeffrigen Geschmacksstoffs Rotundone.

In manchen Weinen kann man also als geübter Sensoriker ein spezifisches Terroir herausschmecken, meist wird der Terroir-Geschmack jedoch durch die Weingut-Stilistik oder den Jahrgang übertönt. Das Terroir hilft oft einfach bei der Vermarktung. Schließlich will der Weinkunde eine Geschichte zu einem Wein hören, eine Geschichte, die von der guten, alten Zeit und Naturverbundenheit zeugt. Wein und Emotionalität gehören eng zusammen und haben auch einen Einfluss darauf, ob uns ein Wein schmeckt.

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