Nach Treffen mit europäischen Diplomaten: Kairo geht gegen Aktivisten vor

Infolge eines Briefings von Botschaftern sind Menschenrechtler in Ägypten festgenommen worden. In Berlin sieht man eine „neue Qualität“.

Die ägyptische Flagge weht vor der ägyptischen Botschaft in Berlin

Die ägyptischen Botschaft in Berlin Foto: Winfried Rothermel/imago

KAIRO taz | „Eine gruselige Botschaft an die bedrängten Menschenrechtsgruppen in Ägypten, dass sie in Gefahr sind“, so beschreibt die Menschenrechtsorganisation Amnesty International die jüngsten Verhaftungen zweier Menschenrechtler in dem Land.

Am Mittwoch wurde Karim Ennarah bei einem Urlaubsbesuch in Dahab auf der Sinai-Halbinsel verhaftet, nachdem zuvor in Kairo seine Wohnung durchsucht worden war. Ennarah leitet die Abteilung für „Criminal Justice“ der Egyptian Initiative für Personal Rights (EIPR).

Drei Tage zuvor war bereits Muhammad Baschir, der Verwaltungschef der EIPR, in seinem Haus in Kairo festgenommen worden. Die ägyptische Tageszeitung al-Masry al-Youm, die sich auf Justizquellen bezieht, berichtet, dass beide zunächst in eine 15-tägige Untersuchungshaft genommen wurden. Ihnen würden Mitgliedschaft in einer terroristischen Organisation, illegale ausländische Finanzierung und die Verbreitung von Falschinformationen vorgeworfen.

EIPR ist eine der aktivsten verbliebenen Menschenrechtsorganisationen in Ägypten. Ihr Vorsitzender Gasser Abdel Razek erklärte, dass die Verhaftungen in direktem Zusammenhang mit einem Treffen seiner Organisation mit 13 Botschaftern und Vizebotschaftern am 3. November stehe, bei dem die Diplomaten über die Menschenrechtslage im Land gebrieft worden waren.

Laut EIPR waren zu diesem Treffen der deutsche, belgische, dänische, französische, italienische, niederländische, spanische und der Schweizer Botschafter zugegen. Außerdem waren die Vizebotschafter von Kanada, Norwegen, Schweden und Großbritannien anwesend.

Neue Qualität der Repression

Abdel Razek hat sich schockiert darüber geäußert, dass sich die Sicherheitskräfte von einem Treffen mit Botschaftern bedroht fühlen, deren Länder gute Beziehungen zu Ägypten hätten. Er wies darauf hin, dass Menschenrechte Teil des Assoziationsabkommens zwischen Ägypten und der EU seien.

Frankreichs Außenministerium hat inzwischen seine „tiefe Sorge“ über die Verhaftung Baschirs zum Ausdruck gebracht. Das ägyptische Außenministerium hat diese Erklärung als Einmischung in die inneren Angelegenheiten des Landes abgelehnt. Es sei ein Versuch, laufende Ermittlungen zu beeinflussen.

Aus Deutschland gibt es bislang keine öffentliche Erklärung zu dem Fall. Aus Kreisen des Auswärtigen Amtes war jedoch zu hören, dass die Bundesregierung sehr besorgt über die Verhaftung der beiden Mitarbeiter der ägyptischen Menschenrechtsorganisation sei und sich intensiv für deren Freilassung einsetze. Dass die Verhaftungen offenbar in Zusammenhang mit dem Besuch einer Gruppe von Botschaftern bei der Organisation stünden, stelle eine neue Qualität des Vorgehens gegenüber der ägyptischen Zivilgesellschaft dar, die verurteilt würde.

Weiter hieß es, die deutsche Botschaft habe unmittelbar nach Bekanntwerden der Verhaftungen Kontakt zu den ägyptischen Behörden aufgenommen. Auch mit der ägyptischen Botschaft in Berlin sei man in dem Fall im Gespräch. Weitere Schritte würden geprüft.

Mediale Kampagne gegen EIPR

Amnesty International twitterte, dass die Verhaftungen nach einem Treffen mit westlichen Botschaftern einen schweren Schlag gegen die legitime Arbeit von Menschenrechtlern darstellten. Es sei an der Zeit, dass die internationale Gemeinschaft Ägypten aufruft, seine Vergeltungsmaßnahmen gegen Menschenrechtsgruppen einzustellen und die Mitarbeiter von EIPR freizulassen.

Unterdessen starteten einige der staatlich kontrollierten Medien in Ägypten eine Kampagne gegen EIPR. Die Menschenrechtsgruppe würde versuchen, die Gesellschaft aufzuwiegeln. Sie sei ein Wolf im Schafspelz, der Bürger gegen die Regierung aufhetze und sogar zu einem Ende der Todesstrafe aufrufe. Außerdem förderten Menschenrechtsgruppen „Freizügigkeit im Namen der persönlichen Freiheit“, zitiert die Nachrichtenplattform Youm7 einen ägyptischen Anwalt, der EIPR anzeigen wolle.

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