Coronaleugner im Bundestag: Eingeschleuste Provokateure

Die AfD verschafft Coronaverharmlosern Zugang zum Bundestag. Die bedrängen dort Abgeordnete. Jetzt gibt es ein Nachspiel.

Wirtschaftsminister Peter Altmaier wird von einer rechten Aktivistin im Bundestag bedrängt

Coronaprotest im Bundestag: Wirtschaftsminister Peter Altmaier wird bedrängt Foto: Screenshot Twitter

BERLIN taz | Die Frau fängt Bundeswirtschaftsminister Peter Altmaier am Fahrstuhl ab, filmt ihn mit ihrem Handy. „Sie sind völlig abgehoben. Sie haben überhaupt kein Gewissen“, beschimpft sie den CDU-Mann. Dieser hatte zuvor auf Nachfrage erklärt, er werde dem neuen Infektionsschutzgesetz zustimmen und vertrete damit den Wunsch seiner Wähler. Immer weiter redet die Frau auf Altmaier ein, bis dieser im Fahrstuhl verschwindet. Dann ruft sie noch hinterher: „So ein Arschloch. Aufgeblasener, kleiner Wannabe-König.“

Die Szene ist auf einem Video dokumentiert und spielte am Mittwoch im Bundestag – parallel zu den Protesten einiger tausend Coronaverharmloser gegen das neue Infektionsschutzgesetz. Während die Demonstrierenden auch mit Wasserwerfern vom Bundestag ferngehalten wurden, schafften es einige Gegner doch ins Parlament – offenbar auf Einladung von AfD-Abgeordneten.

Darunter war auch die Frau, die Altmaier beschimpfte. Bei ihr soll es sich um die Aktivistin Rebecca S. handeln, die sich von einer Flüchtlingshelferin zur Rechtsaußen wandelte. Auf einem längeren Video des Youtubers Elija T. ist sie am Mittwoch mit ihm und anderen bei einem Rundgang durch den Bundestag zu sehen. Elija T. benennt die Gruppe als „Medienwiderständler“. Den Bundestag bezeichnet er als „Ort, wo Gesetze geschmiedet werden, die euch unterjochen“.

Das inzwischen offline genommene Video beginnt im Büro des AfD-Abgeordneten Udo Hemmelgarn. Dort dankt Elija T. einer Mitarbeiterin, die „uns heute hier gut versorgt hat“. Rebecca S. wird dann dabei gefilmt, wie sie weitere Personen im Bundestag fragt, ob sie Abgeordnete seien und wie sie bei der Gesetzesnovelle abstimmen werden, darunter Grünen-Fraktionschef Toni Hofreiter. Innig begrüßt S. auch die nach rechts abgedriftete frühere Bürgerrechtlerin Angelika Barbe, die am Mittwoch ebenfalls den Bundestag besuchte.

Vom AfD-Büro „gut versorgt“

Mit beim Rundgang dabei ist auch der Verschwörungsideologe Thorsten „Silberjunge“ Schulte. Dieser hatte zuvor mit AfDler Hemmelgarn die Proteste vor dem Bundestag besucht. Schulte hatte über seinen Telegram-Kanal bereits im Vorfeld seinen Besuch im Bundestag angekündigt, um sich dort gegen die „Merkel-Speichellecker“ einzusetzen. Er und andere seien „ordnungsgemäß angemeldet“, behauptet er.

Aus dem Büro von Udo Hemmelgarn hieß es, man prüfe den Fall gerade. Nach taz-Information soll Rebecca S. nicht von Hemmelgarn, sondern von einem anderen AfD-Abgeordneten in den Bundestag gelassen worden sein. Dieser ließ eine Anfrage zunächst unbeantwortet. Bernd Baumann, AfD-Geschäftsführer im Bundestag, teilte mit, dass Gäste von Abgeordnete regulär angemeldet worden waren und vom Bundestag überprüft wurden. Sollten die Gäste gegen die Hausordnung verstoßen haben, „werden wir diesen Vorwürfen nachgehen“.

Auch der FDP-Abgeordnete Konstantin Kuhle (FDP) hatte beklagt, von Rebecca S. mit ihrer Kamera bedrängt worden zu sein. Katja Mast (SPD) und Tobias Lindner (Grüne) berichteten zudem, dass Störer an Bürotüren geklopft und Mitarbeiter bedrängt hätten.

Der FDP-Geschäftsführer Marco Buschmann erklärte: „Wer Personen einschleust, die Abgeordnete bei ihrer Arbeit bedrängen oder behindern, betreibt Parlamentssabotage.“ Auch Grünen-Geschäftsführerin Britta Hasselmann nannte die Vorgänge „skandalös“. „Wer versucht, Abgeordnete zu bedrängen und einzuschüchtern, der greift unsere parlamentarische Demokratie an. Das lassen wir nicht zu.“ Hasselmann forderte einen „umfassenden Lagebericht“ von Bundestagspräsident Wolfgang Schäuble (CDU) in der Sitzung des Ältestenrats am Donnerstag.

Ein Sprecher der Bundestags sagte der taz, bei den Störern habe es sich um Gäste von Abgeordneten oder einer Fraktion gehandelt. Die Vorgänge seien der Bundestagspolizei bekannt und würden aufgeklärt.

Der Bundestag hatten wegen der angekündigten Coronaproteste seine Sicherheitsvorkehrungen eigentlich verschärft. Dürfen Abgeordnete sonst sechs Gäste auf eigene Verantwortung mit ins Parlament nehmen, wurden am Mittwoch alle Besucher genauer überprüft. Bei der Gruppe um Rebecca S. gab es offenbar zunächst keine Auffälligkeiten.

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