Nach Unfall mit E-Scootern in Bremen: Ein Hindernis zum Mieten

Im Sommer stürzte Klaus Bopp über herumliegende E-Scooter und verletzte sich schwer. Der Bremer ist blind und fordert nun, die Roller zu verbannen.

Eine Frau fährt auf einem E-Scooter auf dem Bürgersteig entlang

Mieten, fahren, wegwerfen – so handhaben es viele Foto: Creative Christians/Unsplash

BREMEN taz | Klaus Bopp leidet heute noch unter den Folgen seines Unfalls. Arbeiten kann er ein halbes Jahr, nachdem er Ende Juli in der Bremer Neustadt auf dem Weg zur Arbeit über zwei quer auf dem Gehweg liegende E-Scooter gestürzt war und sich schwer verletzt hatte, immer noch nicht. Oberschenkelhalsbruch lautete die Diagnose nach dem Unfall. Es folgten eine Operation und Reha. Bopp ist blind, sein weißer Langstock hatte die Scooter nicht erfasst.

„Eine ganz blöde Stolperfalle“, nennt Bopp die vermutlich umgestürzten Roller gegenüber der taz. Zumal er mit ihnen, im Gegensatz zu Verkehrsschildern oder Fahrrädern, nicht gerechnet hatte. Er habe keine Möglichkeit gehabt, sich abzufangen – zu weit werde der Körperschwerpunkt bei so einem niedrigen Hindernis nach vorn verlagert.

Er habe mit den Schmerzen seines Lebens gekämpft, heißt es in Bopps Unfallbericht. Doch das war noch nicht alles: Die Polizisten hätten ihn zunächst als Unfallverursacher behandelt und gesagt, dass er wahrscheinlich für etwaige Schäden an den Scootern aufkommen müsse. Zu seinem Glück ging es den Rollern vergleichsweise gut. Aber der Fall zeigt: Die Haftungsfrage ist ungeklärt.

Mit seinem im November gestellten Antrag beim Bremer Verwaltungsgericht auf eine einstweilige Verfügung will Bopp „ein für alle Mal die Barrierefreiheit für behinderte Menschen sowie die Verkehrssicherheit und die Zustandshaftung für die E-Scooter klären lassen“.

Angstfrei durch die Stadt

Ihm geht es aber auch um Schadensersatz – die Rollerfirma, ihre Versicherung und auch die Stadt hätten sich bislang aus der Verantwortung gezogen. Und es geht ihm darum, dass er sich wieder angstfrei durch die Stadt bewegen kann. Seit dem Unfall sei er so verunsichert, dass er mit halbem Tempo unterwegs sei. „Ich möchte mich so bewegen können, wie ich es gelernt habe.“

Deswegen fordert er vom Verwaltungsgericht, die vor rund einem Jahr von der Stadt Bremen erteilte Sondernutzungserlaubnis für die Rollerunternehmen zurückzuziehen. Oder alternativ, wenn das Gericht diesen Antrag abschmettert, die Erlaubnis an weitere Bedingungen zu knüpfen: Zum Beispiel solle es um Bopps Wohnort eine Sperrzone für die Roller geben, stadtweit sollten nur bestimmte Flächen zum Parken erlaubt sein und die Rollerunternehmen in Zukunft haften, wie es auch Autovermietungen müssen.

Die Ansprüche stützt Bopps Anwalt Thomas Hiby „auf die Verletzung von Verkehrssicherungspflichten“. Bopp habe „zumindest aus der UN-Behindertenrechtskonvention Anspruch darauf, vor Gefahren geschützt und damit mit Menschen ohne Behinderung gleichgestellt zu werden“.

Die E-Scooter von den Firmen Tier und Voi – von letzterer sind die Roller, über die Bopp fiel – gehören mittlerweile zum Bremer Stadtbild. Und sie beeinträchtigen auch Sehende, wenn sie falsch abgestellt sind: Menschen mit Kinderwagen, im Rollstuhl, mit Rollator oder Radfahrer*innen. Jeder der Anbieter darf momentan 500 Roller in der Stadt bereitstellen; ein Ausbau ist jedoch absehbar.

Die Sondernutzungserlaubnis galt zunächst für ein Jahr; sie ist nun erst einmal kurzfristig verlängert worden. „Über die langfristige Verlängerung wurde bisher nicht entschieden“, sagt Rose Gerdts-Schiffler, Sprecherin von Bremens Innensenator Ulrich Mäurer (SPD). Fest stehe aber, dass die sicherzustellende „Restgehwegbreite“ trotz geparkter Roller von eineinhalb auf 1,80 Meter erweitert werden soll.

Auch die Reaktionszeit für die Unternehmen, falsch geparkte Fahrzeuge umzustellen – derzeit sind es 24 Stunden –, solle reduziert werden. „Perspektivisch“ gehe es auch um feste Abstellflächen in der Stadt; deren Umsetzung sei aber kompliziert.

Das geht Arne Frankenstein, Bremens Landesbehindertenbeauftragten, nicht schnell genug. Das Tempo „verkennt die Problematik“. Er bekomme viele Beschwerden über die E-Scooter. Deswegen fordert er vom Innensenator und auch von Verkehrssenatorin Maike Schaefer (Grüne) eine Klärung der Haftung, gesonderte Abstellflächen und ein besseres Beschwerde­management.

Die Sondernutzungserlaubnis, die den Unternehmen auch arbeits- und sozialrechtliche Vorgaben macht, könnte der Senat jederzeit nachbessern. Das ist nicht selbstverständlich: Andere Städte erteilen den Anbietern einfach so eine Erlaubnis. Der Bund sei aber auch gefragt, weitergehende Regeln voranzutreiben, sagt Gerdts-Schiffler.

Bremen scheiterte auf Bundesebene

Das sehen auch Birgitt Pfeiffer (SPD), Sprecherin für Menschen mit Beeinträchtigung, und Mustafa Öztürk, innenpolitischer Sprecher der Grünen, so. Ihre Fraktionen hatten im Laufe des Jahres mehrere Anfragen zu den E-Scootern eingereicht. Auch sie beschäftigt der Sicherheitsaspekt der herumstehenden Roller.

Denn ein großes Problem sei, dass in der Straßenverkehrsordnung (StVO) das falsche, also verkehrsbehindernde Abstellen der ­E-Scooter keine Ordnungswidrigkeit darstelle, sagt Öztürk. Eine entsprechende Änderung der StVO, die Bremen auf Bundesebene mit initiiert hatte, war aber gescheitert.

Klaus Bopp geht es um Schadensersatz – und vor allem darum, dass er sich wieder angstfrei durch die Stadt bewegen kann

So gibt es weder für Betreiber noch Nutzer*innen eine Motivation, rücksichtsvoll zu handeln – jedenfalls keine monetäre. Öztürk dokumentiert einige der Fehlverhalten: „Teilweise fahren junge Menschen zur Ampel, steigen ab, gehen rüber und lassen den Roller einfach stehen.“ Er will, dass das Thema bei der nächsten Verkehrsminister*innenkonferenz im nächsten Jahr noch einmal behandelt wird.

Pfeiffers Idee ist, dass das bisher freiwillige Angebot, nach dem Abstellen der Scooter ein Foto an den Anbieter zu schicken, verpflichtend eingeführt werden könnte, um zu prüfen, dass sie nicht einfach hingeworfen werden. Sie will die Roller aber auch nicht „verteufeln“; sie seien schließlich ein Gewinn für die Mobilität in Bremen.

Kritik an Anbieter Voi

Die Politiker*innen beklagen, wie auch der Landesbehindertenbeauftragte, die Erreichbarkeit von Voi, obwohl diese laut Nutzungserlaubnis gegeben sein müsse. Ansprechpersonen in Bremen scheint es nicht zu geben: Die einzige deutsche Telefonnummer von Voi, die im Internet zu finden ist, ist eine Lübecker.

Dort geht tatsächlich jemand ran und bietet an, falsch abgestellte Roller entfernen zu lassen. Wie viele Menschen dafür in Bremen zuständig sind und wie lange das wirklich dauert, ist unklar. Voi schreibt auf Anfrage von einer schwedischen Mail-Adresse, dass sie „jederzeit“ erreichbar seien und bestätigt auch, dass eine Erweiterung des Angebots geplant sei.

Wie es mit dem Fall von Bopp weitergeht, entscheidet sich in den kommenden Wochen. Verena Korrell, Sprecherin des Verwaltungsgerichts bestätigt den Eingang des Antrags. Momentan habe das Innenressort Zeit zu antworten. Dann werde das Gericht ohne eine mündliche Verhandlung einen Beschluss zum Antrag fassen. Über andere Verfahren oder Entscheidungen zu dem Thema „ist mir nichts bekannt“, sagt Korrell. Der Beschluss könnte also eine Art Präzedenzwirkung haben und ein wenig Ordnung ins Scooter-Chaos bringen.

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