Studie zu Corona in der Gastronomie: Risikoort Restaurant

Eine US-Studie zeigt, dass Restaurants ein erhebliches Ansteckungsrisiko bergen könnten. Ärmere sind beim Einkaufen besonders gefährdet.

Der Innenbereich eines Restaurants in Essen mit Gästen und Angestellten, die Mund-Nasenbedeckung tragen.

Restaurants könnten ein höheres Ansteckungsrisiko bergen als angenommen Foto: Ralph Lueger/imago

BERLIN taz | Restaurants könnten doch eine größere Rolle im Corona-Infektionsgeschehen spielen, als bisherige Zahlen nahelegen. Das ist das Ergebnis einer neuen Studie der Stanford University, die vergangenen Dienstag im renommierten Fachjournal Nature erschienen ist. Demnach sind auch Fitnessstudios, Cafés und Hotels Orte mit besonders erhöhtem Ansteckungsrisiko. Insgesamt belegt die Studie erneut, dass vor allem schlecht gelüftete Orte, wo Menschen dicht gedrängt beisammen sind, das höchste Risiko bergen.

Lothar Wieler, der Präsident des Robert-Koch-Instituts (RKI), bescheinigt der Studie, dass der „Ansatz wissenschaftlich gut, richtig und wichtig“ sei. Er betont: Überall dort, wo man unvorsichtiger wird, da hat dieses Risiko einfach eine größere Chance“, und das sei eben besonders dort der Fall, wo Menschen intensiv und ausgelassen beisammen seien. Er verweist auch auf eine britische Studie, die einen deutlichen Zusammenhang zwischen Restaurants und ansteigenden Infektionszahlen herstellt.

Die Forscher*innen hatten in ihren Untersuchungen anonyme Mobilfunkdaten von 98 Millionen Menschen aus zehn der größten US-Städte wie New York oder Los Angeles zusammen mit demografischen Daten sowie Daten zum Infektionsgeschehen in ein Computerprogramm eingespeist. In dem zweimonaten Untersuchungszeitraum von März bis Mai dieses Jahres konnten sie so nachvollziehen, wer sich wann an welche Orte bewegte und wie lange sich die Personen dort aufhielten.

So ließ sich nicht nur ermitteln, an welchen Orten die höchste Infektionsgefahr besteht, sondern auch relativ zuverlässig prognostizieren, wie sich die Infektionszahlen bei verschiedenen Maßnahmen verändern. Am Beispiel Chicago etwa ermittelte das Forscher*innenteam, dass eine Reduzierung der maximalen Kapazität von Restaurants auf 30 Prozent auch das Ansteckungsrisiko dort um zwei Drittel senkt. Bei einer Reduzierung auf 20 Prozent der normalen Kapazität sinkt das Risiko sogar um 80 Prozent im Vergleich zum Normalbetrieb. Auch die Reduzierung der Besuchszeit, etwa in Fitnessstudios oder Museen, könnte sich positiv auswirken.

Einkaufen ist für Ärmere doppelt so gefährlich

Die Studie zeigt aber auch, dass Menschen in ärmeren Wohngegenden ein doppelt so hohes Infektionsrisiko haben. Ein wesentlicher Grund: Ein durchschnittliches Lebensmittelgeschäft ist dort mehr als doppelt so voll wie in wohlhabenderen Wohngegenden, wo die Menschen mehr Einkaufsmöglichkeiten hätten. Außerdem könnten sie seltener von zu Hause zu arbeiten und arbeiten häufiger in besonders exponierten Berufen: in der Pflege, an der Supermarktkasse oder beim Friseur.

Wichtige Gruppen bildet die Studie allerdings nicht ab. So fehlen ausreichend Daten zu Kindern, älteren Menschen und Gefängnisinsassen, so dass keine Aussage zum Infektionsrisiko in Schulen, Pflegeheimen oder Gefängnissen möglich ist. Die Frage ist auch, ob sich die Ergebnisse ohne Weiteres auf Deutschland übertragen lassen. So hält zwar auch der Kieler Virologe Helmut Fickenscher das Ansteckungsrisiko in der Gastronomie für besonders hoch, gibt aber zu bedenken, dass diese in Deutschland im internationalen Vergleich vorbildliche Maßnahmen ergriffen habe.

Für Deutschland liegt keine vergleichbare Datengrundlage vor, um hierzulande entsprechende Untersuchungen anzustellen. Das liegt vor allem am Datenschutz. RKI-Chef Wieler weist aber auf das COVID-19 Mobility Project hin, das immerhin präzise regional, lokal und anonym zeige, wie stark die Mobilität und damit die Verbreitungsgefahr von Covid-19 zu- oder abnehme.

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