Siegesrede von Joe Biden nach US-Wahl: Sie wollen Amerika heilen

In seiner Siegesrede verkündet Joe Biden, er wolle „ein Präsident für alle Amerikaner sein“. Amtsinhaber Trump erkennt seine Niederlage nicht an.

Der nächste US-Präsident Joe Biden und seine Vizepräsidentin Kamala Harris lächeln sich an

Haben eine Menge Arbeit vor sich: Kamala Harris und Joe Biden Foto: Carolyn Kaster/ap

WASHINGTON taz | Der von den Medien zum Sieger der US-Präsidentschaftswahl erklärte Joe Biden will eine zutiefst gespaltene Nation heilen und sich für eine fast schon vergessene Ära der Kompromissbereitschaft zwischen Demokraten und Republikanern starkmachen. Dies erklärte der frühere Vizepräsident und langjährige Senator am Samstagabend während einer Ansprache in seiner Heimatstadt Wilmington im US-Bundesstaat Delaware.

„Ich werde ein Präsident für alle Amerikaner sein. Ganz egal, ob sie mich gewählt haben oder nicht“, sagte Biden vor hunderten von Anhängern. Der demokratische Spitzenkandidat konnte offiziellen Hochrechnungen zufolge die zum Wahlsieg erforderliche Marke von 270 Wahlleuten am Samstag übertreffen. Ausgerechnet Pennsylvania, der Bundesstaat, in dem er geboren wurde, sorgte für die Entscheidung im Rennen um das Weiße Haus.

„Ich verspreche ein Präsident zu sein, der uns nicht spaltet, sondern vereint. Der keine blauen oder roten Staaten sieht, sondern nur die Vereinigten Staaten“, sagte Biden. Er kündigte zudem an, bereits am kommenden Montag eine Coronavirus Task Force auf die Beine zu stellen.

In vielen Städten der USA kam es nach der Veröffentlichung des vorläufigen Wahlergebnisses zu spontanen Straßenpartys. Die Black Lives Matter Plaza unweit des Weißen Hauses in Washington, D.C., war bereits am frühen Nachmittag mit hunderten, vielleicht sogar tausenden von Menschen gefüllt, die sich diesen historischen Tag nicht entgehen lassen wollten.

Rekordzahl an Stimmen für Biden und Harris

„Es ist ein toller Tag für die Demokratie“, sagte Brian Natysyn. „Nach vier Jahren Trump sind wir alle ein wenig erschöpft.“ Mit diesem Gefühl war der 35-Jährige aus Virginia nicht allein. Auf Washingtons Straßen herrschte eine ausgelassene Feierstimmung. Es wurde getanzt, gesungen und getrunken. Plakate mit Schriftzügen wie „You’re fired“ (Du bist gefeuert) und „Trump is Over“ (Trump ist Geschichte) waren allgegenwärtig.

Biden und seine Mitstreiterin Kamala Harris haben mit 75 Millionen Stimmen zudem einen neuen US-Wahlrekord aufgestellt. Noch nie zuvor konnte ein Präsidentschaftsticket so viele Stimmen auf sich vereinen. Und diese Zahl wird sich erwartungsgemäß noch vergrößern, da die Stimmenauszählung in vielen Staaten noch nicht abgeschlossen ist.

Als erste weibliche Vizepräsidentin hat die kalifornische Senatorin nebenbei auch Geschichte geschrieben. Sie ist nicht nur die erste Frau im Vizepräsidentenamt, sondern auch die erste Schwarze und die erste Amerikanerin indischer Abstammung.

Harris: „Ich werde nicht die letzte Frau in diesem Amt sein“

„Ich bin vielleicht die erste Frau, die dieses Amt bekleiden darf. Doch ich werde nicht die letzte sein“, sagte Harris in ihrer Rede. Der neu gewählte Präsident und die Vizepräsidentin bedankten sich bei allen Wahlkampfhelfern, ihren Familien und bei allen Wählern, die ihnen das Vertrauen geschenkt haben.

Gratulationen für ihren Wahlerfolg erhielt das Duo von allen Seiten, darunter auch republikanische Politiker wie Utahs Senator Mitt Romney oder Alaskas Senatorin Lisa Murkowski. Insgesamt haben bereits mehr als ein Dutzend Politiker der Republikaner Bidens Wahlsiegs anerkannt.

Ein Name, der unter den Gratulanten allerdings fehlte, war der von Präsident Donald Trump. Dieser spielte lieber eine Runde Golf in Virginia und verbreitete erneute seine Verschwörungstheorie der gestohlenen Wahl. Einen Beleg für diese Anschuldigung bleiben er und sein Team weiterhin schuldig.

Trump: „Ich habe mit großem Abstand gewonnen“

„Ich habe diese Wahl mit großem Abstand gewonnen“, schrieb Trump auf Twitter am späteren Samstagnachmittag. Der 74-Jährige und seine Anwälte leiteten bereits rechtliche Schritte ein, um die Wahlniederlage doch noch abzuwenden. Viele dieser Klagen wurden jedoch aufgrund mangelnder Beweise bereits wieder eingestellt.

In einer an Kuriosität kaum zu überbietenden Pressekonferenz erklärte Trumps persönlicher Anwalt Rudy Giuliani, dass sein Klient einer Wahlniederlage sicher nicht zustimmen würde. „Man verliert so einen Vorsprung nicht ohne Korruption“, sagt der frühere Bürgermeister von New York City. Beweise blieb auch Giuliani schuldig. Die Pressekonferenz wurde in einem Industriegelände in Philadelphia abgehalten, zwischen einem Krematorium und einen Erotikshop. Eine Erklärung für die mehr als fragwürdige Örtlichkeit gab es keine.

Laut CNN-Reporterin Kaitlan Collins soll Jared Kushner seinen Schwiegervater Trump bereits darauf angesprochen haben, die Wahlniederlage zu akzeptieren. Davon ist allerdings aktuell nicht auszugehen. Trump hatte mehrfach erklärt, eine Wahlniederlage nicht einzuräumen, sollte es Anzeichen für Wahlbetrug geben. Im Moment gibt es nichts weiter als haltlose Anschuldigungen. Die von Trump eingeleiteten rechtlichen Schritte werden hoffentlich bald für Aufklärung sorgen.

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Am 3. November 2020 haben die USA einen neuen Präsidenten gewählt: Der Demokrat Joe Biden, langjähriger Senator und von 2009 bis 2017 Vize unter Barack Obama, hat sich gegen Amtsinhaber Donald Trump durchgesetzt.

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