Erstes Flugtaxi mit Serienreife: Deutsche Volocopter über Tokio

Flugtaxis stehen vor dem kommerziellen Durchbruch. Das zeigt eine Partnerschaft des deutschen Start-ups Volocopter mit Japan Airlines.

Flugtaxi im blauen Himmel

Irgendwie auch so was wie eine übergroße Drohne: Volocopter-Flug in Stuttgart Foto: imago/images

TOKIO taz | Vier Minuten dauert der Jungfernflug, auf zwei Meter Höhe dreht der Pilot einige Runden, dann landet der kleinste elektrische Senkrechtstarter der Welt wieder. Fliegende Autos kennt man aus Filmen, aber das Fluggerät des japanischen Start-ups Skydrive ähnelt eher einem Motorrad mit Landekufen. Den Erstflug vor zwei Monaten präsentierte man auch nur per Video. Wesentlich weiter in der technischen Entwicklung ist das deutsche Start-up Volocopter aus dem badischen Bruchsal. Sein elektrisches Fluggerät Volocity hat bereits das Stadium der Serienreife erreicht und ist an mehreren Orten vor Publikum geflogen.

Der große Vorsprung der Deutschen erklärt, warum sich Japan Airlines (JAL) im Februar an der jüngsten Finanzierungsrunde für Volocopter beteiligt hat. Nun haben der Flugtaxi-Pionier und Japans zweitgrößte Fluglinie ihre Absicht erklärt, die deutschen Maschinen kommerziell über mehreren japanischen Städten einzusetzen. Im nächsten Schritt wollen die Partner dann potenziell lukrative Flugrouten auswählen.

Die aktuelle Vereinbarung ist umso bemerkenswerter, als JAL gerade wie alle anderen Airlines heftig unter der Pandemie leidet und für dieses Jahr bislang knapp 2 Milliarden Euro an roten Zahlen vorhersagt.

Genauso verwundert, dass der erste und bisher einzige strategische Partner, den Volocopter unter den Fluglinien gesucht und gefunden hat, nicht die Deutsche Lufthansa ist, sondern die japanischen Airlines. Tatsächlich hatte das Start-up laut Unternehmenssprecher Fabien Nestmann zunächst auch mit dem deutschen Branchenführer verhandelt. „Aber das Interesse in Japan an Urban Air Mobility ist extrem hoch“, erklärt Nestmann.

Erstes Land mit Mobilitätsrevolution in der Luft

In dem fernostasiatischen Land gibt es schon länger einen staatlich unterstützten „Rat für die Mobilitätsrevolution in der Luft“. Das Gremium aus Beamten, Professoren, Gründern und Konzernvertretern hat einen Zukunftsfahrplan entworfen und 2023 zum Stichjahr für die ersten Personentransporte mit Flugtaxis in Japan ausgerufen. „Kein anderes Land hat eine solche Strategie veröffentlicht“, betont Nestmann.

Das Standbein der Deutschen in Japan bringt einen zweiten Vorteil mit sich: Neben JAL investierten auch die Versicherungsriesen Mitsui Sumitomo und MS&AD. Weil die Maschinen neuartig sind und irgendwo zwischen Flugzeugen und Helikoptern changieren, benötigen sie einen maßgeschneiderten Versicherungsschutz. Das gilt erst recht, wenn die Taxis, wie mittelfristig geplant, autonom fliegen werden, um den Piloten als hohen Kostenfaktor auszuschalten. Die Zukunft sehen Analysten äußerst optimistisch: Morgan Stanley schätzt das Marktvolumen für Flugautos im Jahr 2040 auf 1.500 Milliarden US-Dollar.

Fünfmal so schnell wie ein Auto

Der Volocity kann einen Piloten und einen Passagier mit rein elektrischem Antrieb in 20 Minuten 35 Kilometer weit fliegen, während ein Auto für die gleiche Strecke in einer Metropole wie Tokio zu Stoßzeiten fünfmal so lange bräuchte. Die Maschine startet und landet senkrecht und kann daher bestehende Hubschrauberlandeplätze auf Gebäuden benutzen. Wegen des geringen Platzbedarfs könnte man später auch auf Bahnhöfen landen.

Mit seinen 18 Elektromotoren und neun Batterien ist der Volocopter viel leiser und sauberer als ein Helikopter, der mit 1.400 beweglichen Teilen reparaturanfällig und wartungsintensiv ist. Daher soll ein Trip mit einem Flugtaxi auch deutlich günstiger werden. „In Zukunft buche ich einen Flug zu einem Airport inklusive der Verlängerung zu einem Flugtaxi-Landeplatz in der Nähe meines Ziels“, sagt Nestmann.

Zusätzlichen Druck auf eine schnelle Kommerzialisierung in Japan übt Toyota aus. Der Autobauer investierte Anfang dieses Jahres knapp 400 Millionen US-Dollar in das kalifornische Start-up Joby. Hier gibt es über der Taxikabine für einen Piloten und vier Passagiere sechs Elektropropeller, die für Auf- und Vortrieb sorgen.

„Der Luftverkehr gehört schon lange zu unseren Zielen“, sagte Toyota-Chef Akio Toyoda. Mit 590 Millionen US-Dollar verfügt Joby über rund fünfmal so viel Kapital wie Volocopter – hat aber noch kein Serienmodell.

Dennoch muss Japan nicht unbedingt das erste Land mit fliegenden Taxis werden. Kleine Staaten wie Dubai und Singapur zeigen ebenfalls starkes Interesse und könnten bei der Regulierung flexibler und schneller reagieren als das eher bürokratische Japan.

Laut Volocopter-Vorstandschef Florian Reuter wird die europäische Flugsicherheitsagentur EASA die deutsche Flugmaschine Ende 2022 für den kommerziellen Betrieb zulassen. Die ersten Flugrouten soll es dann in Paris geben. Doch französische Vertreter halten Testeinsätze erst bei den Olympischen Sommerspielen 2024 für möglich. Daher bleibt Japan weit oben auf der Agenda. Als spätesten Starttermin für die deutsche Flugtaxis über Japan nennt Sprecher Nestmann die Expo 2025 in Osaka.

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