Ausstellungsempfehlung für Berlin: Que(e)r durch die Kunstgeschichte

Im Lockdown dürfen die Berliner Galerien offen bleiben. Sehr sehenswert ist derzeit die feministische Kunst von Nadira Husain und Zoë Claire Miller.

Diverse Vasen und ein Gemälde in einer Galerie-Ausstellung der Künstlerin Nadira Husain

Installationsansicht „Bastard Mystical Pragmatism“, © Nadira Husain and PSM, Berlin, 2020 Foto: Marjorie Brunet Plaza

Irgendwo muss man ja anfangen mit dem Sturz des Patriarchats. Zum Beispiel mit der Formel „Hindu-Gottheit Krishna = die Farbe Blau = die Schlümpfe“. Diese schneidige Gleichstellung von Religion und Comic taucht immer wieder auf in den Malereien von Nadira Husain, Inderin und Französin und seit vielen Jahren zu Hause in Berlin.

Husain und Zoë Claire Miller begehen gerade in der Tiergartener Galerie PSM in der gemeinsamen Ausstellung „Bastard Mystical Pragmatism“ so einige ästhetische Hierarchiebrüche. Das Blau von Schlumpf und Krishna aus der hybriden Bilderwelt Nadira Husains ist in den Räumen von PSM quasi Covid-Virus-artig von der Spezies Malerei auf die Spezies Skulptur übergesprungen: Jetzt bevölkern blaue Schildkröten aus Ton den Boden der Galerie.

PSM Gallery: „Bastard Mystical Pragmatism“. Nadira Husain mit Zoë Claire Miller. Bis 12. 12.; Di.–Sa. 12–18 Uhr, Schöneberger Ufer 61: www.psm-gallery.com

Und sie hinterlassen auf den polyphonen Bildern an der Wand nur noch eine Silhouette, aus der wiederum das feine Ornament des handgefertigten indischen Kalamkari-Stoffs als Malgrund hervorscheint. Trotz ihrer dicht gedrängten Malereien zeigt Husain ihre Arbeit bei PSM in einem geradezu orthodoxen Ausstellungsarrangement: ein Bild je weiße Wand, Tonvasen in exakter Reihung auf einem Tisch.

Überall weibliche Körperteile

Aus dieser musealen Inszenierung preschen slapstickartig ihre krausen Bildmotive hervor, die Boops, die Laugenbrezel, die Elefanten im Stil historischer Mogul-Miniaturen als Embryos mit Nabelschnur oder ihre zu einer Masse verschlungenen Körper. Fernöstliche Mystik, fränkischer Alltag und allgegenwärtige weibliche Körperteile fügen sich zu einer hierarchielosen Ikonografie zusammen.

Der taz plan erscheint auf taz.de/tazplan und immer Mittwochs und Freitags in der Printausgabe der taz.

Körperteile konstituieren auch die Keramikarbeiten der in Berlin lebenden US-amerikanischen Künstlerin Zoë Claire Miller. In ihrer feministischen, que(e)r durch die Kunstgeschichte streifenden Symbolik wird der Penis zum ständigen Hindernis, Beine, Arme oder Brüste hingegen zu architektonischen Elementen.

Mit einer szenischen Installation (Hey, da dringt ein Poklatscher als Halbrelief aus der Wand hervor!) platziert Miller die Besucher:innen der Galerie inmitten einer geschlechtlichen Konfliktzone: zwischen männlichem Korpsgeist und weiblicher Solidarität.

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