Beherbergungsverbote und Corona: Ein großes Hin und Her

Übernachtungsverbote für Reisende aus Risikogebieten sollen das Infektionsgeschehen eindämmen. Doch Gerichte und Länder kippen das Verbot.

Zwei Personen mit Hund im Nebel.

Unklare Aussichten für die Urlaubsplanung: der Brocken im Nebel Foto: Bernd März/imago

KARLSRUHE taz | Der Wind hat sich gedreht. Zu Beginn dieser Woche gab es in den meisten Bundesländer noch Beherbungsverbote. Doch am Mittwoch gelang bei einem Treffen der MinisterpräsidentInnen keine Einigung, das Thema wurde vertagt. Inzwischen sind die Länder mit Beherbergungsverboten in der Minderzahl.

Die Verbote zielen auf Hotels und andere Orte der entgeltlichen Übernachtung wie Ferienwohnungen und Campingplätze. Verboten ist jeweils die Beherbergung von Gästen aus Städten und Landkreisen, in denen die Zahl der binnen 7 Tagen neu Infizierten über dem Schwellenwert von 50 pro 100.000 EinwohnerInnen liegt. Ausnahmen gibt es bei Vorlage eines aktuellen Attests, dass man nicht mit Covid-19 infiziert ist.

Am Donnerstag kippten der Verwaltungsgerichtshof (VGH) Mannheim und das Oberverwaltungsgericht (OVG) Lüneburg die jeweiligen Regelungen in Baden-Württemberg und Niedersachsen, während das OVG Schleswig die Verordnung in Schleswig-Holstein aufrecht erhielt. Noch ist der Trend also nicht ganz eindeutig.

Die Landesregierungen im Saarland, in Sachsen, Hessen und Bayern haben inzwischen auf ihre Beherbergungsverbote verzichtet, teilweise unter dem Eindruck der Gerichtsurteile. Derzeit halten aber noch vier Länder – Brandenburg, Mecklenburg-Vorpommern, Sachsen-Anhalt und Schleswig-Holstein – an ihren Regelungen fest.

Ein großer Flickenteppich

Es ist nicht das erste Mal seit Beginn der Pandemie, dass es einen Flickenteppich unterschiedlicher Länderregelungen gibt. Der Grund ist immer der selbe: für die Corona-Bekämpfung sind vor allem die Länder zuständig. Ihre Befugnisse stammen zwar aus einem Bundesgesetz, dem Infektionsschutzgesetz, doch über die „notwendigen Schutzmaßnahmen“ entscheiden in der Regel die Landesregierungen per Rechtsverordnung. Bund-Länder-Konferenzen wie am Mittwoch dienen nur der Koordination, können aber keine verbindlichen Beschlüsse fassen.

Weil die Länder die Regeln machen, sind vor allem Landesgerichte für die Kontrolle zuständig. OVGs und VGHe können in den meisten Ländern sogar ganze Verordnungen für nichtig erklären. Wegen der vagen gesetzlichen Vorgaben ist der entscheidende Prüfungsmaßstab in der Regel das Prinzip der Verhältnismäßigkeit. Nutzen und Schaden der staatlichen Maßnahmen werden dabei abgewogen. Auch hier können unterschiedliche Lagen, aber auch unterschiedliche Prioriäten der RichterInnen schnell zu unterschiedlichen Regelungen führen.

So sah der VGH Mannheim in Hotels kein erhöhtes Infektionsrisiko, weil man dort meist unter sich bleibe. Die eigentlichen Treiber der Pandemie seien Feiern in größeren Gruppen. Für Gäste aus Risikogebieten sei es zudem nicht zumutbar, sich jeweils ein Attest ihrer Unbedenklichkeit zu besorgen, weil dies angesichts begrenzter Testkapazitäten oft zu lange dauere. Das OVG Lüneburg argumentierte ähnlich.

Das OVG Schleswig sah den Ausgang seines Prozesses dagegen als offen an und entschied sein Eilverfahren deshalb anhand einer Folgenabwägung. Ohne Beherbergungsverbot könnten viele Menschen aus Risikogebieten nach Schleswig-Holstein reisen, die sonst nicht kommen würden, so die RichterInnen. Das sei angesichts der stark steigenden Infektionszahlen eine Gefahr für das Gesundheitswesen.

Ist eine drastische Maßnahme verhältnismäßig?

Alle Gerichtsurteile sind nur Momentaufnahmen. Je nach Entwicklung der Pandemie, Verhalten der Bevölkerung und Dauer der Maßnahmen können die Wertungen der RichterInnen im nächsten Monat oder gar der nächsten Woche schon wieder anders aussehen. Diese Flexibilität, sich an wechselnde Lagen anzupassen, sollte jedoch nicht als Nachteil, sondern als Vorteil des Verhältnismäßigkeitsprinzips gesehen werden.

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