Brexit und EU: „No Deal“ ist möglich

Der Gipfel in Brüssel bringt keine Einigung im Handelsstreit mit Großbritannien. Obwohl das Ultimatum ausläuft, soll weiter verhandelt werden.

Premierminister Johnson.

Aus der EU hat sich der britische Premier schon verabschiedet. Kommt jetzt noch ein Deal zustande? Foto: Aaron Chown/Wire/dpa

BRÜSSEL taz | Neun Monate nach dem Brexit stellt sich Großbritannien im Handelsstreit mit der EU auf einen „No Deal“ und damit einen harten Bruch ein. Ein Abkommen könne es nur geben, wenn die EU ihre Haltung „fundamental“ ändere, sagte der britische Premier Boris Johnson am Freitag in London. Allerdings schlug er die Tür für Gespräche nicht zu, obwohl am 15. Oktober ein britisches Ultimatum abgelaufen war.

Auch die EU bemüht sich weiter um einen Deal. „Wie geplant wird unser Verhandlungsteam nächste Woche nach London fahren, um die Verhandlungen zu intensivieren“, schrieb Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen am Freitag auf Twitter. „Die EU arbeitet weiter an einem Deal, aber nicht zu jedem Preis.“ Ähnlich äußerte sich Kanzlerin Angela Merkel beim EU-Gipfel in Brüssel.

„Ein Abkommen wäre in beiderseitigem Interesse“, sagte Merkel nach dem zweitägigen Spitzentreffen. „Auch hier drängt die Zeit.“ Zuvor hatten die 27 Staats- und Regierungschefs versucht, den Ball ins britische Feld zu schieben. Sie forderten London nach einer streng abgeschirmten Debatte auf, „die notwendigen Schritte zu unternehmen, um eine Einigung zu ermöglichen“.

London reagierte verschnupft. Noch am Donnerstagabend kritisierte der britische Chefunterhändler David Frost, dass die EU sich im Ton vergriffen habe und keine intensiveren Verhandlungen anbiete. Dies weckte in Brüssel die Sorge, dass Großbritannien die Gespräche am Freitag abbrechen könne. Dazu kam es nicht.

Mehrfach überrumpelt

„Kommt hierher, kommt zu uns – wenn es fundamentale Änderungen an eurer Position gibt“, erklärte der britische Premier, der die EU schon mehrfach mit Positionswechseln und Ultimaten überrumpelt hat. Der EU-Gipfel sei nicht „sehr ermutigend“ gewesen. Wenn die EU ihre Haltung nicht ändere, werde man sich wohl nicht einigen können.

Vor allem drei Bereiche sind noch strittig. Die EU fordert ein „Level Playing field“ in der Steuer-, Lohn- und Umweltpolitik, also faire Wettbewerbsbedingungen ohne Dumping. Großbritannien möchte sich von den EU-Regeln lösen und auch Beihilfen etwa für Nordirland möglich machen. Streit gibt es auch um die Frage, wer einen Handelsdeal überwachen und Verstöße ahnden würde. Zudem rangeln beide Seiten um die Fischerei.

Vor allem Frankreich fordert sicheren Zugang zu den britischen Fischgründen. Staatschef Emmanuel Macron wies den Eindruck zurück, er könne allein deshalb einen Deal scheitern lassen. „Wir streiten uns um alles“, sagte Macron nach dem Gipfel in Brüssel.

Die EU-Chefs liegen aber nicht nur mit London im Clinch. Ärger gibt es auch mit dem Europaparlament – wegen des künftigen EU-Budgets und des Klimaschutzes. Merkel weigerte sich, das im Juli ausgehandelte Budget wieder aufzumachen und in Verhandlungen mit dem Parlament einzutreten. Zudem sorgte sie als EU-Ratsvorsitzende dafür, dass der Klimaschutz vertagt wurde.

Senkung um 55 Prozent

Die Kommission hatte vorgeschlagen, den CO2-Ausstoß bis 2030 um mindestens 55 Prozent zu senken, statt nur um 40 Prozent. Das EU-Parlament verlangt sogar 60 Prozent weniger Emissionen. Die Staats- und Regierungschefs legten sich bei ihrem Treffen jedoch nicht fest. Dies sei ein Fehler, sagte der Grünen-Europaabgeordnete Sven Giegold der taz. „Mit Vertagen können wir das Klima nicht retten“, warnt er.

Giegold fordert einen Sondergipfel, damit das neue EU-Klimagesetz noch 2020 in Kraft tritt. „Es ist riskant, bis zum nächsten EU-Gipfel im Dezember zu warten“, sagte auch Lutz Weischer von der Organisation Germanwatch. Die EU riskiere, die Dynamik in Klimafragen auszubremsen.

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