Verschwörungstheorien von Stars: Nicht egaaal

Nach Schlagerstar Wendler zeigt sich auch Nena offen für Verschwörungserzählungen. Das ist gefährlich, die Trauer mancher Fans aber verständlich.

Michael Wendler und Laura Müller in einem Fernsehstudio

Schlagersänger und Corona-Leugner Michael Wendler und seine Frau Laura Müller in einem TV-Studio Foto: Rolf Vennenbernd/dpa

Die Corona-Leugnerschaft freut sich über ein neues Promigesicht. Am Dienstag hat Pop­ikone Nena auf Instagram eine weiße Fahne gepostet und geschrieben, sie habe ihren „gesunden Menschenverstand, der die Informationen und die Panikmache, die von außen auf uns einströmen, in alle Einzelteile zerlegt“. Deshalb werde sie sich nicht „hypnotisiert von Angst“ in die Dunkelheit ziehen lassen.

Dabei tappt sie mit diesem Beitrag, den sie schließlich mit einem wirren Satz über „Liebe“ beendete, schon längst im Dunkeln; in der stockdunklen Nacht der Verschwö­rungs­mär­chen­er­zäh­ler:in­nen, die meinen, mit ihren Wahnvorstellungen den Lichtschalter für die ultimativen Erkenntnis gefunden zu haben.

Während einige Medien am Donnerstag noch rätselten, ob Nenas Beitrag als Bekenntnis zu den dunklen Verschwörungsrittern verstanden werden kann, sorgte der Verschwörungsideologe Xavier Naidoo zumindest in dieser Frage für Klarheit: Auf Instagram antwortete er Nena mit der gemeinhin als Danke-Zeichen verstandenen Gebetshand und einem Herz, Nena wiederum schickte ihm ein Herzchen zurück und antwortete auf einen anderen Kommentar mit einem Songtext von diesem.

Letzte Woche erst war der Schlagersänger Michael Wendler zu den Corona-Leugner:innen übergelaufen. Auf Instagram hatte er von der angeblichen Pandemie, vermeintlichen Verstößen gegen das Grundgesetz und gleichgeschalteten Medien schwadroniert. Mit dem Statement, in dem er auch seinen Rückzug als DSDS-Juror bekannt gab, sorge er für ein großes Medienecho.

Von einer Wendler-Telegram-Gruppe ist es kein weiter Weg mehr zu rechts­extremen Ideologien

Nicht ganz ernst nehmen

Eine Supermarktkette, für die er einen Werbespot gedreht hatte, distanzierte sich von ihm und kündigte an, alle Wendler-Inhalte zu löschen. Mit einem Statement hielt ein paar Tage später seine Verlobte, die Influencerin Laura Müller, das Thema warm: Beim Thema Corona sei sie „wie die Schweiz“, also „neutral und unpolitisch“.

Als taz- oder FAZ-Leser:in mag man diese „Stars“ nicht ganz ernst nehmen, dennoch geht gerade in Zeiten steigender Infektionszahlen eine Gefahr von ihnen aus. Wendler hat über 300.000 Follower auf Instagram, seine Ehefrau Laura Müller über 600.000; was sie verbreiten, erreicht viele Menschen.

Manche von ihnen sind möglicherweise schon affin für Verschwörungserzählungen, da das aktuelle Geschehen sie tatsächlich verunsichert. Von einer Wendler-Telegram-Gruppe ist es dann kein weiter Weg mehr zu rechtsextremen und antisemitischen Verschwörungsideologien, wie die Corona-Querfront und ihre prominenten Sprecher in den letzten Monaten immer wieder bewiesen haben.

Ein Effekt, der die Verbreitung dieser Inhalte verstärkt, ist der Meme-Charakter, den Fälle wie Wendler und auch Nena annehmen: Nicht nur aus Zustimmung, sondern auch zur allgemeinen Belustigung werden ihre Aussagen in sozialen Medien geteilt. So kommen auch jene damit in Berührung, die Wendler bisher nur als „Egaaal“-Einspieler aus einer deutschen Late-Night-Show kannten.

Große Aufmerksamkeit

Andererseits gibt es Menschen, die um ihre Stars trauern: Unter Nenas Beitrag freuen sich verschwörungsaffine Fans, einige kommentieren aber auch schockiert – als ob sie einen lieben Menschen verloren hätten.

Ein Fan von Wendler und Laura, die deren öffentlich geführte Beziehung „zum Abschalten“ verfolgte, weil man „neben dem ganzen Schlechten auf der Welt auch so was“ brauche, sagte der taz, dass nach Wendlers Äußerungen ihr „Trash-Herz“ gebrochen sei: „Vorher war er eine nicht ernstzunehmende Witzfigur, jetzt ist er ein gefährlicher Vollidiot“.

Ob Zustimmung, Entsetzen, Trauer oder Wut: Dass die wirren Corona-Statements der Promis über ihre Fan­gemein­schaften hinaus große Aufmerksamkeit erregen, die keineswegs ihre gesellschaftliche Bedeutung widerspiegelt, irritiert.

Stars sind Projektionsflächen, Wohlfühlfaktoren in einer unangenehmen Welt, die durch die Pandemie noch unangenehmer geworden ist. Wenn wir sie sehen, können wir unsere Zerrissenheit und Ängste als gestresste Lohnarbeiter:innen und gekränkte Mitglieder einer Gesellschaft voller Zumutungen einen Moment lang vergessen.

In einer komplizierten Welt bieten uns Stars Vereinfachung – egal, ob wir sie ernsthaft bewundern oder uns bei ihrem Anblick fremdschämen. Auch deswegen sind die Gefühle, die Stars, wie Michael Wendler, Nena & Co auslösen, verständlich.

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