Donald Trump und Edgar Allan Poe: Trumps Überlistung der Vernunft

„Die Maske des roten Todes“ und das Weiße Haus: Donald Trump wirkt wie eine Figur aus einer Erzählung des Schriftstellers Edgar Allen Poe.

Porträt von US-Schriftsteller Edgar Allan Poe

Edgar Allan Poes Erzählung „Die Maske des Roten Todes“ ist eine Parabel auf die US-Gegenwart Foto: AP

Es begann mit qualvollen Schmerzen und plötzlichen Schwindelanfällen … und das Ende war der Tod.“ Man muss dieser Tage an Edgar Allan Poe (1809–1849) denken. Der US-Schriftsteller, dessen Spezialität die Apokalypse des American Dream war, der immer wieder die Auswüchse von Macht und Einfluss, die Abgründe von Erkenntnis und Erhabenheit in seinen Fiktionen schilderte. Basis seiner unheimlichen Geschichten ist oft Rea­li­tätsverweigerung, die Poe lakonisch und empathielos bis ins traumatische Extrem gesteigert darstellt.

Besonders aktuell ist Poes von einer Cholera-Epidemie inspirierte Erzählung „Die Maske des Roten Todes“ (1842). Darin beschreibt er, wie ein Mann der Oberschicht, der ruchlose Prince Pros­pero, die Gefahren einer Seuche nicht wahrhaben will. Bei Zusammenkünften in seinem Schloss verbreitet der Adlige krankhaften Optimismus, während er seine Gäste mit ins Verderben zieht. Der melodiöse Gongschlag einer riesigen Standuhr kündigt Unheil an. Die Älteren unter den Gästen reagieren auf den Gong, „als wären sie von wirren Träumen und tiefem Nachdenken benommen“.

„Habt keine Angst vor Corona, lasst nicht zu, dass die Krankheit euer Leben dominiert“, twitterte US-Präsident Donald Trump vergangene Woche, nachdem er aus dem Krankenhaus entlassen wurde. Während für Millionen US-BürgerInnen die grundlegende medizinische Versorgung aufgrund des privatwirtschaftlichen Gesundheitssystems unerschwinglich ist, konnte der nun ebenfalls an Covid-19 erkrankte US-Präsident Donald Trump von bestmöglicher Intensivmedizin profitieren.

Alle Mahnungen missachtet

Zuvor missachtete Trump alle Mahnungen der hohen Ansteckungsgefahr; unbeirrbar stellte er sich als unverwundbar gegen das Virus dar und verharmloste dadurch erst recht das Ausmaß der Coronapandemie, die bis jetzt in den USA fast 213.000 Menschenleben forderte.

Angesichts des verantwortungslos handelnden Staatsoberhaupts drängt sich Poes Schauerromantik geradezu auf. Super-Spreader-Events im Rose Garden des Weißen Hauses, wo Trump immer wieder mit der repu­bli­ka­nischen Elite ohne Social Distancing und Mund-Nasen-Schutz zusammenkam, wirken, als hätte Edgar Allan Poe sie sich ausgedacht. „Die Seuche wütete gerade am fürchterlichsten …. da lud Prinz Prospero zu einem Fest ganz ungewöhnlicher Pracht.“

In Poes Werk bedeutet das Wort Framing mehr als nur das Einrahmen von Geschehnissen, es meint immer auch austricksen. Trump will die Vernunft überlisten, vollgepumpt mit Steroiden hofft er, sich gegen die Realität im Herbst 2020 zu immunisieren. „Es gab Leute, die ihn für verrückt hielten, seine Anhänger aber wussten, dass das durchaus nicht der Fall war“, so ambivalent wird Prince Prospero charakterisiert.

Bewusstsein des Bösen

Poe war ein Meister darin, ein Bewusstsein des Bösen zu kreieren, dem Drang nach individueller Selbstbestimmung stellte er immer wieder Scheitern gegenüber, so auch in „Die Maske des Roten Todes“, wo er für die exzentrischen Seiten eines elitären Zirkels das Setting eines sinistren Schlosses wählt.

Zum Finale tritt eine hagere, in Leichentücher gewandete Person auf, die zum Fest gekommen war „wie ein Dieb in der Nacht“: Gevatter Tod räumt auf. So panisch, wie die republikanische Elite auf das Chaos im Weißen Haus reagiert, wirkt es fast so, als stünde ihr ebenfalls das Ende vor Augen. In Poes Erzählung verwesen die Gäste der Feier übrigens im Dunkeln.

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