Schutz von jüdischen Einrichtungen: Steilvorlage für Antisemiten

Die Äußerung von Sachsen-Anhalts Innenminister über Polizei vor jüdischen Einrichtungen fördert Antisemitismus. Auch wenn er es nicht so gemeint hat.

Blumen vor einer Holztür

Die Holztür der Synagoge in Halle war im Oktober 2019 der einzige Schutz gegen den Attentäter Foto: Hendrik Schmidt dpa

Das Kabinett von Sachsen-Anhalt hat am Dienstag ein Landesprogramm für jüdische Einrichtungen und gegen Antisemitismus verabschiedet. Das ist löblich. Es geht dabei auch und gerade um einen adäquateren Schutz jüdischer Einrichtungen vor Attentätern, sprich um mehr Geld. Denn die kleinen Gemeinden sind selbst finanziell nicht in der Lage, einen entsprechenden Schutz bezahlen zu können. Wie notwendig dieser ist, hat der Anschlag auf die Synagogenbesucher zu Jom Kippur in Halle vor einem Jahr bitter gezeigt.

Am Tisch bei der Pressekonferenz in Halle saß auch der Innenminister des Landes, Holger Stahlknecht (CDU). Es ist derselbe Mann, der einige Tage zuvor, ob gewollt oder ungewollt sei dahingestellt, einem Landesprogramm gegen den Schutz jüdischer Einrichtungen und für mehr Antisemitismus das Wort geredet hatte.

Stahlknecht hatte am Freitag während eines Besuchs des Polizeireviers Dessau-Roßlau erklärt, dass die Beamten dieser kleineren Dienststelle monatlich 1.500 zusätzliche Arbeitsstunden leisten, um die Bewachung jüdischer Einrichtungen in Dessau abzusichern. Auch dies ist zu loben. Denn es zeigt den Willen der Behörden, aus dem Polizeiversagen bei dem Hallenser Anschlag zu lernen. Dort war die Synagoge am höchsten jüdischen Feiertag überhaupt nicht bewacht, sondern lediglich bestreift worden.

Und dann sagte Stahlknecht in Dessau-Roßlau noch folgendes zur Belastung seiner Beamten: „Diese 1.500 Stunden fehlen woanders.“ Es könne deshalb sein, dass die Polizei nicht bei jeder anderen Anforderung pünktlich zur Stelle sei.

Qua Amt für den Schutz zuständig

Manche Menschen werden Stahlknechts Aussage so interpretieren: Wenn der Oma bei einem Überfall die Handtasche geklaut wird und sie dabei einen komplizierten Hüftbruch erleidet, die Polizei aber zu spät eintrifft, um den Täter zu fassen, sind die Juden daran schuld. Es ist eine bösartige Interpretation, aber auch eine, die angesichts wachsender antisemitisch motivierter Straftaten und anderer judenfeindlicher Vorfälle leider nur zu nahe liegt. Stahlknecht hat Antisemiten eine Steilvorlage geliefert, um ihren Dreck, nun geadelt in ministerieller Verpackung, weiter im Land zu verstreuen.

Nun könnte man einwenden, Stahlknecht habe das so nicht gemeint. Es ist aber derselbe Minister, der vor einem Jahr kurz nach dem Attentat der Polizei in Halle eine „gute Arbeit“ bescheinigt hatte. Es ist der Mann, der für den polizeilichen Schutz gefährdeter jüdischer Einrichtungen in seinem Bundesland qua Amt zuständig ist. Als solcher sollte er zu formulieren wissen.

Auf der Pressekonferenz am Dienstag in Halle sagte Stahlknecht, seine Worte in Dessau seien missinterpretiert worden. Sein Ziel sei es gewesen, deutlich zu machen, dass die erhöhte Polizeipräsenz zum Schutz jüdischer Einrichtungen nicht verhandelbar sei und in seinen Händen „oberste Priorität“ habe. Das macht die Angelegenheit nicht besser: Heißt das nun, bösartig interpretiert, dass die Aufklärung des Handtaschenraubs bei der Oma leider hinter solch löblichen Zielen zurückstehen müsse?

Stahlknecht kein Antisemit

Es ist nicht so, dass die Polizei Sachsen-Anhalts unter der Last des Schutzes von Juden ächzt. In dem Bundesland mit etwa 2,1 Millionen Einwohnern existieren genau drei jüdische Gemeinden. Allerdings auch rund 60 jüdische Friedhöfe, die davon zeugen, dass das früher einmal anders war. Die Vorstellung, wegen des Schutzes dieser drei Gemeinden, in denen es weder eine eigene Schule noch Kitas gibt, käme die Landespolizei an ihre Grenzen, ist eine Imagination.

Der Präsident des Zentralrats der Juden in Deutschland, Josef Schuster, hat die Ablösung von Stahlknecht als Minister nahegelegt. „Ein Landesinnenminister scheut sich nicht, Juden als privilegiert darzustellen und sie gegen andere Bevölkerungsgruppen auszuspielen“, sagte er dem RedaktionsNetzwerk Deutschland. Es stelle sich die Frage, „ob Holger Stahlknecht weiter für das Amt geeignet ist“.

Nein, Holger Stahlknecht ist kein Antisemit. Es ist nur so, dass seine Aussagen den Antisemitismus fördern. Und deshalb, diese Prognose sei erlaubt, wird er als Innenminister Sachsen-Anhalts in einer Koalition, an der auch SPD und Grüne beteiligt sind, nicht abgelöst werden.

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