Tourismusförderung fürs Adelshaus: Raubritter am Steinhuder Meer

Die Region Hannover soll in ein Tourismuskonzept für die Insel im Steinhuder Meer investieren. Die gehört Alexander Fürst zu Schaumburg-Lippe.

Blick vom Ufer auf die baumbestandene Insel

Die künstliche kleine Insel mitten im Steinhuder Meer soll mehr Touristen anlocken Foto: Foto: Hydro/Wikimedia Commons

HANNOVER taz | Wer in der Region Hannover aufgewachsen ist, kennt sie: Wilhelmstein im Steinhuder Meer ist eine kleine künstliche Insel in einem Meer, das in Wirklichkeit auch keines ist, sondern bloß ein riesiger Binnensee. In der Gegend ist die Insel, die sich bis heute im Besitz des Adelshauses Schaumburg-Lippe befindet, das klassische Ausflugsziel für Familien und Schulklassen.

Man muss sich mit einem sogenannten „Auswandererboot“ hinübersetzen lassen, einer offenen Jolle mit weißem Segel. Motorboote dürfen hier nur mit Sondergenehmigung fahren – der See ist Landschafts- und teilweise auch Naturschutzgebiet.

Auf der kleinen, fast quadratischen Insel kann man sich dann die ebenfalls nicht besonders große Festung anschauen, durch die kühlen Kasematten schleichen, an den alten Kanonen vorbei, und etwas über Militärgeschichte des 18. Jahrhunderts erfahren. Und man kann sich ein paar schauerliche Anekdoten über das schwere Leben der Soldaten und das noch schwerere der Gefangenen erzählen lassen – denn für kurze Zeit war die Insel auch mal ein Gefängnis.

Früher gab es danach meist rustikale Verpflegung: Bockwurst und Kartoffelsalat oder Fischbrötchen. Mittlerweile gibt es ein anspruchsvolleres gastronomisches Angebot. In das hat die Fürstliche Hofkammer zu Bückeburg vor einer Reihe von Jahren investiert – genauso wie in die Restaurierung der Festung und der Nebengebäude, in ein Seminar- und Tagungshaus, in Übernachtungsmöglichkeiten auf der Insel.

Auch an anderen Orten versucht die Hofkammer zu sparen

Doch bei dem touristischen Konzept, das jetzt dauerhaft Gäste und Einnahmen auf die Insel treiben soll, wünscht sich Alexander Fürst zu Schaumburg-Lippe nun öffentliche Schützenhilfe.

Übernehmen soll das die schon bestehende Steinhuder Meer Tourismus GmbH: Sie soll dafür noch einmal 60.000 Euro pro Jahr von der Region Hannover bekommen, damit die sich überhaupt erst einmal ein Konzept ausdenkt, wie die Insel dauerhaft attraktiver gemacht werden kann. Auch das Land Niedersachsen und die Landkreise Schaumburg und Nienburg/Weser sollen Geld beisteuern.

Mit ihrem Wunsch ist die Fürstliche Hofkammer zu Bückeburg schon vor zwei Jahren auf die Politik zugekommen. Die Hofkammer verwaltet das Immobilienvermögen und die Ländereien des Fürsten, dazu gehört zum Beispiel auch das Schloss Bückeburg und die dort ansässige Hofreitschule.

Möglicherweise reiht sich die Insel Wilhelmstein damit in andere Versuche ein, Kostenträger loszuwerden und Einnahmen zu optimieren. Erst kürzlich kündigte die Hofkammer an, mehrere populäre Gastronomiezweige im Fürstenbesitz zu schließen, darunter die „Alte Schlossküche“ im Schloss Bückeburg und das Ausflugslokal am Idaturm im nahe gelegenen Gebirgszug Harrl.

Diese seien schon vor Corona unrentabel gewesen, hieß es aus dem Schloss. Sie seien bisher mit Erträgen aus der Forstwirtschaft und Events quersubventioniert worden, wollen die Schaumburger Nachrichten erfahren haben. 35 Beschäftigte verlieren ihre Arbeit.

Piraten und „Die Partei“ kritisieren das Vorhaben

Auch auf der Insel Wilhelmstein wird wohl nicht genug Ertrag erwirtschaftet. Die Hofkammer begründet dies unter anderem mit der extremen Wetterabhängigkeit – bei schlechtem Wetter gehen die Touristen nicht gern auf die offenen Boote, von Ende Oktober bis Anfang April liegt die Insel ohnehin im Winterschlaf.

Wie ein Konzept aussehen könnte, das an diesen Gegebenheiten etwas ändert, ist noch unklar. Die damit befasste Steuerungsgruppe hat ihre Arbeit gerade erst aufgenommen.

Harsche Kritik daran äußerten Die Partei und die Piratenpartei, deren gemeinsame Gruppe im Regionalparlament sich „Die Region“ nennt. „Verkehrswende, Hilfe für Obdachlose, Unterstützung von Schüler*innen wegen Homeschooling… die Liste der Dinge, für die zur Zeit kein Geld da ist, wächst und wächst stetig. Da wunder ich mich, wie wir mit einem Mal Geld für diese Touri-Falle übrig haben können“, schreibt Bruno Adam Wolf (Piraten), der stellvertretende Vorsitzende der Gruppe.

Von „Raubrittertum“ sprach der Vorsitzende Julian Klippert (Die Partei) und fragte, ob man das Geld nicht besser zum Schutz des Steinhuder Meers gegen den Klimawandel eingesetzt hätte – sonst könne man ja möglicherweise ohnehin bald zu der Insel laufen. Die anderen Parteien sahen im Fachausschuss aber keinen großen Diskussionsbedarf.

Am Dienstag, den 6. Oktober, soll die Regionsversammlung entscheiden. Wenn die Vorlage durchgeht, hat die Region Hannover bald einen Gastsitz im Aufsichtsrat der Steinhuder Meer Tourismus GmbH und zahlt mindestens fünf Jahre lang 60.000 Euro im Jahr. Danach wird das Budget jeweils in Fünfjahresintervallen neu verhandelt.

Einmal zahlen
.

Fehler auf taz.de entdeckt?

Wir freuen uns über eine Mail an fehlerhinweis@taz.de!

Inhaltliches Feedback?

Gerne als Leser*innenkommentar unter dem Text auf taz.de oder über das Kontaktformular.

Wir würden Ihnen hier gerne einen externen Inhalt zeigen. Sie entscheiden, ob sie dieses Element auch sehen wollen.

Ich bin damit einverstanden, dass mir externe Inhalte angezeigt werden. Damit können personenbezogene Daten an Drittplattformen übermittelt werden. Mehr dazu in unserer Datenschutzerklärung.

Bitte registrieren Sie sich und halten Sie sich an unsere Netiquette.

Haben Sie Probleme beim Kommentieren oder Registrieren?

Dann mailen Sie uns bitte an kommune@taz.de.