Thüringens Nein zum Beherbergungsverbot: Probe für Strategie des Bundes

Steigen in Thüringen bald die Infektionszahlen, wird man sich dort korrigieren müssen. Andernfalls wird das Verbot als Überreaktion erscheinen.

Vater mit Kindern an der Hand geht durch eine Hohle im Wald

Auch Touristen aus inländischen Coronagebieten dürfen weiterhin den Thüringer Wald besuchen Foto: Karina Hessland/imago

Bodo Ramelow ist ein solcher Dickschädel und apodiktisch argumentierender harter Hund, dass man ihm kein opportunistisches Handeln unterstellen mag. Wenn der Thüringer Ministerpräsident jetzt wie vier weitere Bundesländer auch das Beherbergungsverbot für Gäste aus inländischen Coronarisikogebieten ablehnt, tut er es aus Überzeugung.

In Übereinstimmung mit dem Infektionsschutzgesetz liege die Verantwortung für die Anordnung von Corona­schutzmaßnahmen bei den regionalen Gesundheitsämtern, argumentiert Ramelow. Er verstehe nicht, warum kollektiv alle Bürger eines Landkreises nicht beherbergt werden dürften, „die mit dem Hotspot nichts zu tun haben“. Hotel- und Gaststättenbesitzer würden außerdem mit Erfassungsaufgaben belastet, die eigentlich Polizei und Ordnungsämtern obliegen.

Diese Haltung mag populär sein wie die gesamte bisherige Thüringer Pandemiestrategie, populistisch aber ist sie nicht. Hätte die Linke angesichts ihres Umfrage-Höhenflugs mit Blick auf die im kommenden April anstehenden Landtagsneuwahlen auch nicht nötig. Es entspricht außerdem der Kontinui­tät des bisherigen Thüringer Verhaltens. Mit der relativ frühen Öffnung von Schulen und Kindergärten verfolgte Rot-Rot-Grün in Thüringen eine ähnliche Strategie des „ermöglichen statt verbieten“ wie das CDU-geführte Sachsen.

Auch jetzt kommt Unterstützung von CDU-Fraktionschef Mario Voigt, der einen „innerdeutschen Grenzverkehr“ ablehnt. Anders als die Union muss die erfolgreiche Thüringer Linke allerdings auch keine Rücksicht auf ihre Bundespartei nehmen.

Der Sonderweg Thüringens und vier weiterer Länder stellt die Linie in Bund und Ländern auf die Probe. Steigen durch vermehrten Gästezustrom die Infektionszahlen, werden sich die Abweichler korrigieren müssen. Hält aber Thüringen seinen niedrigen Stand von nur rund 300 akut Infizierten, wird das Beherbergungsverbot als Überreaktion erscheinen.

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Seit 2001 Korrespondent in Dresden für Sachsen, Sachsen-Anhalt und Thüringen. Geboren 1953 in Meiningen, Schulzeit in Erfurt, Studium Informationstechnik in Dresden. 1990 über die DDR-Bürgerbewegung Wechsel in den Journalismus, ab 1993 Freiberufler. Tätig für zahlreiche Printmedien und den Hörfunk, Moderationen, Broschüren, Bücher (Belletristik, Lyrik, politisches Buch „System Biedenkopf“). Im Nebenberuf Musiker.

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