Gas- und Ölförderung in Niedersachsen: Aus der Tiefe geschützter Gewässer

Niedersachsen will mehr Beteiligung und Umweltschutz bei Erdgas- und Erdölbohrungen. Dem Naturschutzverband BUND geht die Initiative nicht weit genug.

Protestierende mit Kreuzen gegen Erdölförderung in Emlichheim

Protest in Emlichheim: Mit Kreuzen gegen Erdölförderung Foto: Mohssen Assanimoghaddam/dpa

HAMBURG taz | In Niedersachsen dürfen Unternehmen munter Erdöl und Erdgas in Wasserschutzgebieten fördern. Umweltverbände fordern seit Jahren ein Verbot. Am heutigen Freitag will das Land eine Bundesratsinitiative einbringen, um den Umweltschutz zu stärken. Bei genauem Hinsehen drängt sich allerdings der Eindruck auf, dass mit dem Vorstoß Kritiker*innen besänftigt werden sollen.

Ein tatsächliches Verbot soll es nämlich nicht geben. Der Naturschutzverband BUND sieht in der angestrebten Reform des Bundesbergrechts daher höchstens einen Mini-Schritt in die richtige Richtung – die Grünen gar gebrochene Versprechen der SPD.

2017, als in Niedersachsen nach dem Koalitionsbruch von SPD und Grünen Wahlkampf herrschte, hatten die Sozialdemokrat*innen eine klare Ansage gemacht: „Wir lehnen die Förderung von Erdgas innerhalb von Wasserschutzgebieten jeder Art ab“, hieß es im Wahlprogramm. Nun, nachdem sie in einer Koalition mit der CDU stecken, ist von dieser Überzeugung wenig geblieben.

„Weiterhin steht das Interesse der Industrie vor dem Interesse der Bevölkerung“, sagt Imke Byl, umwelt- und energiepolitische Sprecherin der Grünen-Fraktion im Landtag. „Die einstigen Wahlversprechen der SPD für Wasserschutzgebiete sind damit gebrochen.“

Landesweit herrscht Angst

Nicht erst, seitdem voriges Jahr her­auskam, dass in Emlichheim in der Graftschaft Bentheim jahrelang giftiges Wasser aus einer Ölbohranlage ausgetreten war, herrscht landesweit – ob in Celle, Rotenburg (Wümme) oder Vechta – Angst vor vergiftetem Trinkwasser. Denn im Schnitt ein Mal pro Monat gab es in den vergangenen zehn Jahren einen Störfall bei der Förderung von Gas oder Öl im Land.

Ab Mitte 2022 soll kein Gas mehr in einem der größten Förderfelder Europas, in Groningen, aus dem Boden geholt werden. Es war vor allem der Protest wegen der häufiger und heftiger auftretenden Erdbeben, der für diese Entscheidung sorgte.

Als Reaktion auf das vorzeitige Förder­ende wollen die Niederlande nun den Aufbau einer kompletten Wasserstoff-Wertschöpfungskette weiter vorantreiben.

Bis ins Ruhrgebiet und nach Hamburg wird die Zusammenarbeit über eine gemeinsame Infrastruktur für Wasserstoff-Förderung mittlerweile geplant.

Da wohl in 15 bis 20 Jahren vom Erdgas in Niedersachsens Boden nichts mehr übrig sein dürfte, fordert der Naturschutzbund BUND eine Orientierung Niedersachsens am Nachbarland.

„Das können ganz kleine Vorfälle sein, bei denen ein paar Liter Öl ausfließen, aber eben auch sehr große Störfälle wie in Emlichheim“, sagt Axel Ebeler, stellvertretender Landesvorsitzender des BUND in Niedersachsen.

In Emlichheim sind über einige Jahre hinweg bis zu 220.000 Kubikmeter des sogenannten Lagerstättenwassers ausgetreten. Eine Beeinträchtigung des Trinkwassers verneint das Landesamt für Bergbau, Energie und Geologie (LBEG) allerdings. Laut BUND würden aufgrund der langen Fließzeiten im Grundwasser aber Verunreinigungen teils Jahre später erst messbar.

Ölförderung noch notwendig?

In Niedersachsen gibt es laut Wirtschaftsministerium rund 120 aktive Bohrungen der Erdöl- und Erdgasindustrie in Wasserschutzgebieten. Wie groß die dort geförderte Menge ist und welchen Anteil sie damit im Vergleich zu Bohrungen außerhalb von Wasserschutzgebieten haben, ist unklar. „Die Förderunternehmen verraten uns das nicht“, sagt Ebeler.

Angesichts der fortschreitenden Energiewende ist ohnehin fraglich, wie wichtig die Förderung vor allem des heimischen Öls für die Versorgungssicherheit ist. „Die Ölförderung ist für die Energieproduktion nicht mehr wichtig“, meint etwa Ebeler. Der Großteil werde nur noch für die Verarbeitung in der Industrie benötigt.

Dabei ist Niedersachsen bundesweit das wohl wichtigste Land, was die Förderung angeht. 95 Prozent des Erdgases wird dort aus der Erde geholt. Beim Erdöl sind es immerhin mehr als ein Drittel.

In ihrer Initiative ist für die Landesregierung eine künftig verpflichtende Umweltverträglichkeitsprüfung (UVP) zentral, ehe Gas oder Öl gefördert werden. Damit sollen alle relevanten Auswirkungen für die Umwelt zuvor geprüft und in der Öffentlichkeit erörtert werden. „Durch eine UVP und der damit verbundenen Öffentlichkeitsbeteiligung kann ein verbindlicher Rahmen für einen solchen informationsbasierten Dialog geschaffen werden“, heißt es aus dem Wirtschaftsministerium in Hannover.

Widerstände verzögern Vorhaben

Tatsächlich lässt sich dem Reformentwurf entnehmen, dass es der Landesregierung kaum um ein Ende der Bohrungen in Wasserschutzgebieten geht. Viel eher scheint der örtliche Widerstand in den Förderregionen die Regierung zu stören. „Örtlich entwickeln sich teils massive Widerstände, welche die Vorhaben zur Aufsuchung oder Gewinnung von Erdgas und Erdöl zum Teil deutlich erschweren oder verzögern“, heißt es in einer Analyse der Landesregierung.

Eine UVP würde zur „Akzeptanz dieser Vorhaben führen und damit letztlich auch zu deren reibungsloseren Umsetzung beitragen“. Gleichwohl betont die Landesregierung, dass sie bereits Ende letzten Jahres eine Verordnung beschlossen hat, nach der künftige Genehmigungen für Bohrungen in Wasserschutzgebieten „erheblich erschwert“ worden seien.

Ebeler glaubt dennoch nicht, dass künftig das Untersagen einer Bohrung in Betracht kommt. „Die Verordnungen und Prüfungen klingen zwar toll, aber sie werden die Bohrung nicht verhindern.“

Bergrecht ist Bundesrecht

Das Land Niedersachsen sieht für striktere Regelungen nur den Weg über die Bundesratsinitiative. Das zu ändernde Recht ist in diesem Fall das Bundesbergrecht. „Die Regelungskompetenz der Länder ist hier stark eingeschränkt“, heißt es aus dem Ministerium.

Eberle jedoch sieht durchaus Spielräume für das Land: „Wir streiten uns derzeit, ob nicht auch über das Wassergesetz des Landes etwas getan werden könnte.“ Außerdem gebe es auch noch die Möglichkeit zu freiwilligen Vereinbarungen mit den Förderunternehmen. „Es müssen nicht immer langwierige Ge- oder Verbote versucht werden“, sagt Ebeler.

Tatsächlich hat die Bundesratsinitiative Niedersachsens kaum Aussicht auf Erfolg: Der federführende Wirtschaftsausschuss im Bundesrat hat bereits seine Empfehlung abgegeben: Die Länder sollten den Entwurf nicht in den Bundestag einbringen. Dass die anderen Landesvertretungen anders entscheiden, ist unwahrscheinlich.

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