Trump, Biden und Schröder: Dieser gewisse Starrsinn

Dickfelligkeit und das Unvermögen, sich einfach mal zurückzuhalten: Diese Eigenschaften teilen sich Menschen wie Trump, Biden und Schröder.

Auf einem Bildschirm sind die Gesichter von trump und Biden zu sehen

Übertragung des TV-Duells zwischen Trump und Biden in einem Restaurant in Kalifornien Foto: Mike Blake/reuters

Ich weiß, ich komme spät zu dieser Party, aber: Wir müssen über alte weiße Männer reden. Viele von Ihnen werden jetzt aufstöhnen, boah nee, nicht schon wieder!, oder gleich die Zeitung/das Tablet/das Handy von sich werfen und gar nicht erst weiterlesen. Aber Sie haben vermutlich auch nicht am Dienstag das erste TV-Duell der ­beiden US-Präsidentschaftskandidaten geguckt.

Ich fasse mal kurz für Sie zusammen: Es war kaum zu ertragen. Und das schon nach fünf Minuten. Die Ursache dessen war, dass Donald Trump sich offenkundig vorgenommen hatte, Joe Biden einfach vollfrontal plattzuwalzen, mindestens 128-mal zu unterbrechen und ansonsten offener denn je Falschinformationen (über die Briefwahl), Demütigungen (von Bidens Söhnen) und Drohungen (in Bezug auf seine Akzeptanz einer möglichen Niederlage) zu verbreiten. Biden versuchte immer wieder das Gespräch ins Ernsthafte zu lenken, aber die Gelegenheit, Trump vorzuführen, war natürlich auch verlockend, und so wurde dies das erste TV-Duell der US-Geschichte, in dem ein amtierender Präsident von seinem Gegner „Clown“ genannt und gebeten wurde, doch jetzt einfach mal „die Klappe zu halten“. Nachvollziehbar und doch irgendwie schal.

Komplettiert wurde das Bild von Fox-News-Moderator Chris Wallace, der ab und an mal zaghaft eingriff, aber ansonsten – und wem wäre es da anders gegangen? – vollkommen überwältigt schien von dem, was sich da auf dem Podium vor ihm abspielte. Es war nicht vorgesehen, den Rednern das Mikro abzudrehen; man hatte sich originellerweise darauf verlassen, Trump werde sich schon an die vereinbarten zwei Minuten Redezeit halten. Eine wahrhaftige „Shitshow“, wie es eine Kollegin auf CNN später treffend beschrieb, und derart schlimm, dass die Kommission, die diese Fernsehdebatten ausrichtet, das Konzept für die zwei noch folgenden nun überarbeiten will.

Hochemotionale Zicken

Von der Besorgnis mal abgesehen, wie übel es um die Verfasstheit der US-amerikanischen Politik inzwischen steht, drängte sich der geneigten Zuschauerin auch die Frage auf, ob es genauso um jene Politik stünde, wenn nicht zwei respektive drei alte weiße Männer einander 90 Minuten lang ins Wort gefallen wären, sondern zum Beispiel – verrückt, ich weiß – zwei Frauen. Aber die würden schon allein deshalb anders miteinander diskutieren, weil sie die berechtigte Befürchtung hätten, vor der Öffentlichkeit als hochemotio­nale Zicken dazustehen. Haben wir also erst dann wahre Gleichberechtigung erreicht, wenn diversere Kandidat*innen sich genauso eine „Debatte“ liefern wie Trump und Biden?

Fürchte schon, hoffe nicht.

Nachahmenswert genauso wenig Gerhard Schröder, der sich in dieser Woche über die Diskussion der Zukunft von Nordstream 2 wegen der Vergiftung Alexei Nawalnys ärgerte; das eine habe mit dem anderen „nichts zu tun“. Und das ohnehin schon gequälte Bullshit-Radar piepste auf: Nicht jetzt, Gerd, es passt gerade wirklich ganz schlecht. Seine Partei trägt immer schwerer an der Scham, dass ausgerechnet ihr Altkanzler eine lukrative Freundschaft mit einem Staatsoberhaupt pflegt, das zumindest nichts dagegen zu haben scheint, wenn seine Kritiker*innen öffentliche Tode sterben.

Aber Schröder macht, weil Schröder kann. Er ist inzwischen ja auch schon zweimal so lange für die russische Energiewirtschaft im Einsatz wie für die Bundesrepublik Deutschland, die ihn damals frecherweise abgewählt hat und also nicht zu ­erwarten hat, dass man sich dem Wertekanon seines früheren Amts noch irgendwie verpflichtet fühlte.

Alter, weißer Mann

Ich möchte aber an dieser Stelle die Gelegenheit nutzen, einmal klarzustellen, dass es bei der Diskussion über alte weiße Männer keineswegs um alte weiße Männer geht. Natürlich ist der alte weiße Mann ein gesellschaftliches Stereotyp. Aber dieser ganz gewisse Starrsinn, gepaart mit einem von gut gemeint (Biden) über dickfellig (Schröder) bis manipulativ (Trump) ausgeprägten Unvermögen, sich einfach mal zurückzuhalten, zeigt sich schon auffallend häufig bei Personen, die die Attribute alt – weiß – männlich vereinen. Welche ja weder für sich allein genommen noch miteinander kombiniert irgendeine Art von Makel sind, sondern lediglich Merkmale.

Jedenfalls: Wem die stille Fassungslosigkeit, die einen in dieser Woche sowohl hüben (73 Millionen US-Ame­rikaner*innen sahen das TV-Duell, und ich begegnete vorhin in Dallas, Texas einem Taxifahrer, der extra einen Gratis-Umweg fuhr, nur um sich länger darüber austauschen zu können) wie drüben ereilte, zuvor gänzlich fremd war – der saß wohl noch nie als Frau in einer Besprechung oder einer Talkshow, von sozialen Medien ganz zu schweigen.

Vermutlich sollten wir ab jetzt auch öfter mal „Will you shut up, man?“ sagen.

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ist freie Korrespondentin in den USA und war bis Anfang 2020 taz-Redakteurin im Ressort Meinung+Diskussion. Davor: Deutsche Journalistenschule, Wissenschaftliche Mitarbeiterin im Bundestag, Literatur- und Politikstudium in Bamberg, Paris und Berlin, längerer Aufenthalt in Istanbul.

Am 3. November 2020 haben die USA einen neuen Präsidenten gewählt: Der Demokrat Joe Biden, langjähriger Senator und von 2009 bis 2017 Vize unter Barack Obama, hat sich gegen Amtsinhaber Donald Trump durchgesetzt.

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