VBB beschließt neue Tarife: Ärger am Automaten

Die Verkehrsverwaltung hat eine moderate Erhöhung der Ticketpreise durchgesetzt. Nur in der Koalition war das nicht abgestimmt. Ein Wochenkommentar.

Menschen vor BVG-Automaten

Preisfrage: Vielleicht doch besser abonnieren? Foto: imago images / Schöning

Der Wahlkampf hat in der rot-rot-grünen Koalition längst begonnen, auch bei der Verkehrspolitik. Der aktuelle Zankapfel heißt ÖPNV-Finanzierung: Erst vor drei Wochen hatte die SPD das Klimapaket der grünen Umwelt- und Verkehrssenatorin Regine Günther platzen lassen, mit einer nachgeschobenen und ziemlich vernichtenden Kritik an Citymaut und massiv erhöhten Parkgebühren. Wobei Erstere gar nicht beschlossene Sache ist, sondern nur als Möglichkeit gehandelt wird, um frisches Geld für den Ausbau des Nahverkehrs zu beschaffen.

Ins Paket packen wollen die Sozialdemokraten stattdessen die vom Regierenden Bürgermeister Michael Müller ins Spiel gebrachte Idee eines 365-Euro-Tickets – das den Finanzbedarf allerdings erst recht nach oben treiben würde.

In dieser Woche war es dann die am Mittwoch im Verkehrsverbund Berlin-Brandenburg (VBB) beschlossene Tarif­anpassung – sprich: Preiserhöhung – für Busse und Bahnen, die zuerst den Linken sauer aufstieß. Deren verkehrspolitischer Fraktionssprecher Kristian Ronneburg teilte mit, er halte die „Tariferhöhung im VBB für falsch. Sie wird unter den Bedingungen der anhaltenden ­Coronapandemie vor allem diejenigen Menschen zusätzlich belasten, die in sogenannten systemrelevanten Berufen tagtäglich auf den ÖPNV angewiesen sind.“ Vor allem aber erschwere sie „den von uns im Zuge der notwendigen Verkehrswende angestrebten Umstieg der Menschen vom Auto auf Busse und Bahnen“.

Bei genauem Hinsehen entpuppen sich die vermeintlichen Zumutungen als recht harmlos – zumal es nach Nullrunden 2018 und 2019 schon im laufenden Jahr nur behutsame Erhöhungen gegeben hatte, von denen AbokundInnen zudem verschont blieben.

Auch diesmal trifft es eigentlich nur GelegenheitsnutzerInnen. Die Zeitkarten-Abos bleiben stabil, mit Ausnahme des rabattierten Abos „65+“, das 624 statt 612 Euro im Jahr kosten wird. Die Umweltkarte (Monatskarte AB) steigt im Einzelverkauf von 84 auf 86 Euro, der Einzelfahrschein AB von 2,90 auf 3 Euro und die Tageskarte von 8,60 auf 8,80 Euro. Wobei sich der Nutzwert Letzterer deutlich erhöht: Sie verliert ihre Gültigkeit nicht mehr am Folgetag um 3 Uhr morgens, sondern erst nach 24 Stunden. Keine allzu großen Zumutungen eigentlich, zumal der Tarifabschluss des Fahrpersonals vom vergangenen Jahr und die Coronkrise den Verkehrsunternehmen Löcher ins Budget reißen.

Dass die Koalitionspartnerinnen verschnupft sind, hat sich die grüne Verwaltung auch selbst eingebrockt. Tino Schopf, verkehrspolitischer Sprecher der SPD-Fraktion, findet die Anpassung in weiten Teilen gar nicht falsch, ärgert sich aber trotzdem: über das verteuerte Abo für 65+ und die erratische Kommunikation der Verkehrsverwaltung. „Eigentlich war vereinbart, dass der Preis aller Abos stabil bleibt“, so Schopf. „Und dass wir den Beschluss aus der Presse erfahren mussten, ist ein Unding.“ Immerhin sei Berlins Verkehrsstaatssekretär Ingmar Streese gleichzeitig stellvertretender Chef des VBB-Aufsichtsrats.

Es wird in Sachen ÖPNV-Finanzierung noch einige koalitionsinterne Scharmützel geben, so viel ist sicher. Entzerren könnte die Debatte dabei die Veröffentlichung der Machbarkeitsstudie zur erweiterten ÖPNV-Finanzierung – die liegt eigentlich schon seit Monaten vor, wurde aber immer noch nicht veröffentlicht. Das sei nun „in Kürze“ der Fall. Bleibt abzuwarten, wie die Verkehrsverwaltung diesmal „in Kürze“ definiert.

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Jahrgang 1969, lebt seit 1991 in Berlin. Seit 2001 arbeitet er mit Unterbrechungen bei der taz Berlin, mittlerweile als Redakteur für die Themen Umwelt, Mobilität, Natur- und Klimaschutz.

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