Heimpremiere für Arminia Bielefeld: Beim Yachtrennen im Gummiboot

Neuling Arminia Bielefeld hat in der Bundesliga nur wenige Möglichkeiten. Beim Heimdebüt soll es über den unbändigen Einsatz funktionieren.

Arminia-Profi Soubou rappelt sich am Boden liegend auf

Leidenschaft ist erwünscht: Arminia-Profi Soubou (weißes Trikot) in Frankfurt vorbildhaft Foto: HJS/imago

Vor seinem Heimspieldebüt als Bundesligatrainer weist Uwe Neuhaus schon einige Erfahrung auf. Viel Zeit hat er zuletzt in der Zweiten Liga in Berlin, Dresden und Bielefeld verbracht. In zwei Monaten wird er bereits ansehnliche 61 Jahre alt. Die Vorbereitung auf diese besondere Erstliga­partie gegen den 1. FC Köln geht er aber ganz entspannt an. „Ich schätze Köln ähnlich wie Frankfurt ein“, urteilte Bielefelds Chefübungsleiter vor dem Duell erst einmal grundsätzlich.

Weil sich seine Aufsteiger am vergangenen Wochenende bei der Eintracht gleich beachtlich gut aus der Affäre zogen, sind das prinzi­piell erfreuliche Voraussetzungen. „Wichtig ist es jetzt eben“, findet Neuhaus, „dass wir wieder eine gute Laufleistung auf den Platz bringen.“

Dabei ist es nicht irgendein Spiel, das die Arminia am Samstagnachmittag, 26. September, gegen die Domstädter absolviert – sondern die erste Erstligabegegnung im eigenen Stadion seit dem 2:2 gegen Hannover am 23. Mai 2009. Nach elf Jahren Enthaltsamkeit, mit zwischenzeitlich zwei Abstiegen in die Dritte Liga, gingen mit der Freischaltung des entsprechenden Portals am Sonntagabend plötzlich über 100.000 Ticketanfragen bei den Bielefeldern ein.

Für 5.460 Karten, die der Verein für das Spiel gegen Köln unter seinen Dauerkartenbesitzern verteilen wollte. Es herrschte also Ausnahmezustand auf der Geschäftsstelle des DSC, wo zu Wochenbeginn erst mal der Server in die Knie ging.

„Sexy“ passt zu uns

Die neue Zeitrechnung in Bielefeld bemerkt auch Samir Arabi. Seit dessen Einstieg bei der Arminia als sportlicher Leiter sind fast zehn Jahre vergangen. Genügend Zeit, um an seinem Arbeitsplatz die Klischees über Ostwestfalen kennenzulernen. Dazu zählen Sturheit, Ernst oder Bodenständigkeit – bei seinem Besuch imZDF-„Sportstudio“ nach dem 1:1 in Frankfurt wurde Arabi aber auch mit dem Vorschlag einer neuen Zuschreibung konfrontiert, Liganeuling Bielefeld sei „sexy“.

„Absolut, man sollte immer entwicklungsfähig sein“, erwiderte der 41-Jährige daraufhin – und betonte: „Das Attribut passt zu uns.“ Der positive Auftakt in der nationalen Beletage ändert jedoch nichts daran, dass die Arminia im Vergleich zu den 17 Konkurrenten die mit Abstand geringsten wirtschaftlichen Möglichkeiten hat. Arabi, 2016 zum Geschäftsführer Sport aufgestiegen, veranschaulicht die Verhältnisse gerne mit dem Bild vom Gummiboot, das sich nur mit Motorbooten messen muss.

Immerhin – nach der einen oder anderen Spielerverpflichtung und ersten mutigen Schritten im Fußball-Oberhaus findet Arabi: „Unser Gummiboot hat mittlerweile so einen kleinen Motor hintendran.“ Hauptsächlich aber sei es schon so: „Unsere Mannschaft muss gemeinsam paddeln, in jedem Spiel. Damit doch mal die eine oder andere Motoryacht kentert – oder sie gegeneinanderfahren.“

Arabi hat in den vergangenen Jahren daran mitgearbeitet, mithilfe ostwestfälischer Unternehmen Arminias einstigen Schuldenberg von 30 Mil­lio­nen Euro abzutragen. „Wir hatten“, erinnerte er sich jetzt, „eine lange Phase, wo wir abends nach Hause gegangen sind und am nächsten Morgen nicht mehr seriös sagen konnten: Wie sieht es mit der Liquidität aus? Wird es diesen Verein weiter geben?“

Diese Erfahrungen haben den gebürtigen Aachener und seine Mitstreiter geprägt. Natürlich sei das Ziel für diese Saison der Klassenerhalt, betont Arabi. „Aber wir werden nicht versuchen, auf Pump in der Ersten Liga zu bleiben.“ Stattdessen wirft der souveräne Zweitligameister der Vorsaison bei seinem Wunsch nach mehr Chancengleichheit ein sehr kritisches Auge auf die künftige Verteilung der TV-Gelder, über die momentan debattiert wird.

SPD-Politiker Kevin Kühnert (31) bekannte dem SID gegenüber gerade, dass er einst Fan der Arminia geworden sei, habe „viel mit Mitleid zu tun“ gehabt. Nun aber sind die Bielefelder dabei, sich wieder sportliche Achtung im Land zu erarbeiten. Bei Markus Gisdol hat das bereits geklappt, Kölns Chefcoach sagte vor der Dienstreise vom Rheinland nach Ostwestfalen: „Was dort in den letzten Jahren entstanden ist, ist mehr als beachtlich. Ich sehe Bielefeld nicht als ersten Absteiger.“

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