Rassismus in Brandenburg: „Ihr seid nicht willkommen“

Eine Neuköllner Familie findet vor ihrer Datsche in Mittenwalde einen Schweinekopf. Polizisten vor Ort können zunächst keine Straftat erkennen.

Das Bild zeigt den abgetrennten Kopf eines Schweins auf dem Boden liegend.

Schweinekopf im Garten: Rassismus gegenüber einer Berliner Familie in Brandenburg Foto: Taeser Nasar

Amanda Nasar ist noch immer wütend, wenn sie die Geschichte erzählt. Dabei ist der Vorfall schon ein paar Wochen her: Am 31. Juli fährt die 32-Jährige mit ihrem Mann und den drei Kindern von Neukölln in ihre Datsche nach Mittenwalde. „Wir wollten ein wenig feiern“, erzählt Nasar. Es war der Beginn des Opferfests, die Nasars sind Deutsche mit arabischen Wurzeln. Als sie am Abend bei ihrem Grundstück ankommen, liegt vor dem Gartentor ein Schweinekopf. Die Botschaft ist unmissverständlich, auch der Nachbar meint gleich: „Das heißt, ihr seid hier nicht willkommen!“

Fast noch schlimmer ist für die Familie, was danach geschieht. Sie habe die Polizei angerufen, erzählt die Mutter, der Mann am Telefon sei auch sehr nett gewesen: Als sie gesagt habe, dass sie Muslime seien, habe er gleich verstanden, dass es um Rassismus gehe. „Aber die beiden Beamten, die dann kamen, waren der Hammer!“ Jung seien sie gewesen, einer habe eine rasierte Glatze gehabt. „Wir wollten Anzeige erstatten, aber die Polizisten haben mehrmals gesagt, das sei keine Straftat“, berichtet Amanda Nasar empört.

Ihr Mann Taeser, der neben ihr auf dem Sofa in ihrem Wohnzimmer sitzt, nickt zur Bestätigung und sucht in seinem Handy nach den Fotos von dem Kopf. „Ich habe gefragt, was noch passieren muss, damit sie etwas unternehmen. Darauf sagte einer, so etwas hätten sie noch nie erlebt.“ Den Schweinekopf hätten die Beamten auch nicht mitnehmen wollen, erzählt sie. „Einer der beiden sagte: ‚So was können wir nicht gebrauchen.‘“

Die taz erfährt von der Geschichte durch die Opferperspektive – ein Brandenburger Verein, der sich um Betroffene rechter Gewalt kümmert. Eine Nachbarin hat Amanda Nasar die Telefonnummer gegeben, sie nimmt Kontakt mit Joschka Fröschner vom Beratungsteam Süd auf.

Der Opferberater erzählt der taz, dass er Mitte August gemeinsam mit dem Ehepaar eine Online-Strafanzeige gestellt habe: „Es gab ja bundesweit schon diverse Ermittlungsverfahren wegen sehr ähnlicher Vergehen.“ Die Meinung, dass hier keine Straftat vorläge, sei daher völlig unverständlich. „Ziemlich schnell“, so Fröschner, habe sich dann der für politische Delikte zuständige Staatsschutz von Königs Wusterhausen bei ihm gemeldet mit der Botschaft: Man ermittele in der Sache bereits seit dem fraglichen Wochenende, die Vor-Ort-Beamten hätten eine Anzeige aufgenommen. Es habe mit der Familie wohl ein Missverständnis gegeben.

„Nicht sehr überzeugend“

Doch die Nasars schließen das aus und auch Fröschner findet diese Darstellung nicht sehr überzeugend: „Auf mich wirkt es eher so, als ob das Fehlverhalten der Beamten rückwirkend repariert werden soll.“ Zumal sich die Frage stelle, „ob sich die Beamten durch das Unterlassen des Sicherns des zentralen Beweismittels der Strafvereitelung im Amt schuldig gemacht haben“.

Torsten Wendt, Sprecher der Polizeidirektion Süd, weist das gegenüber der taz weit von sich. Die Beamten hätten sofort Anzeige erstattet „wegen Paragraf 185 Strafgesetzbuch“, also Beleidigung, „zudem erfolgte vor Ort die fotografische Sicherung“. Die Beamten hätten eine „fortgesetzte Verwesung“ des Schweinekopfs festgestellt, sodass eine Mitnahme zur Spurensuche, etwa nach Stempeln, die auf die Herkunft hätten verweisen können, sinnlos gewesen sei. Es habe auch eine „Rundumermittlung“ durch Kripo und Revierpolizei in der Nachbarschaft gegeben, wegen der laufenden Ermittlungen könne er dazu aber nichts weiter sagen, so Wendt. Und: Die Nasars seien befragt worden, ob sie Ärger mit Nachbarn gehabt hätten oder eine Ahnung, wer dahinterstecken könnte. Welche Beamten wann und wie, ob telefonisch oder persönlich, diese „Gefährdetenansprache“ gemacht haben, kann oder will Wendt nicht sagen.

Dabei wäre das interessant, denn Amanda Nasar bleibt auch auf Nachfrage dabei: „Niemand von der Polizei hat mit uns nach diesem Abend gesprochen!“ Vorige Woche kam allerdings Post: Taeser Nasar hat eine Vorladung bekommen zur Zeugenaussage, am 15. Oktober soll er zum LKA am Tempelhofer Damm kommen.

Es könne gut sein, dass die Polizei erst durch die Anzeige der Opferperspektive „aufgeschreckt“ worden sei

Wie passt all das zusammen? Fröschner sagt, es würden häufig Menschen in die Beratung des Vereins kommen und berichten, dass ihre Anzeigen – etwa wegen rassistischer Beleidigung oder Bedrohung – von Polizisten nicht aufgenommen würden. Er habe auch den Eindruck, als würden Beamte vor Ort, die eine Anzeige aufnehmen, bisweilen die rassistisch-politische Dimension eines Angriffs gar nicht erkennen und entsprechend in der Anzeige nicht erwähnen – sodass solche Delikte fälschlich nicht zum Staatsschutz gelangen würden. Im Fall der Nasars könne es daher gut sein, dass die Polizei erst durch die Anzeige der Opferperspektive „aufgeschreckt“ worden sei. „Wenn wir Anzeige erstatten, hat das ein anderes Gewicht, dann wird genauer hingesehen.“

Für die Familie ist die Geschichte in doppelter Hinsicht belastend. Die Kinder, so erzählt es die Mutter, wollten nicht mehr in den Garten fahren, den sie erst seit Juni haben und auf den sie sich so gefreut hätten. Vor jeder Fahrt nach Mittenwalde gebe es nun Tränen, die Jüngste (6) nässe nachts sogar wieder ein. „Die Kinder sagen, da gibt es böse Menschen“, sagt Amanda Nasar.

Umso wichtiger war ihr die Anzeige: „Die Leute dort müssen wissen, dass wir uns wehren und keine Angst haben.“ Sie glaubt nicht, dass weitere Drohungen folgten. „Solche Leute sind doch feige“, sagt sie. Zudem hat ihr Mann, der in Neukölln ein Computergeschäft betreibt, eine Überwachungskamera am Häuschen installiert. „Da passiert nichts mehr“, gibt auch er sich selbstbewusst.

Zum Schock über die Tat kommt die Enttäuschung über die Polizei. „Wir hatten nie Probleme mit Polizisten, in Berlin sind sie immer hilfsbereit, wenn man sie braucht“, sagt Amanda Nasar. Für ihre Kinder will sie die Sache nun durchfechten, sie sollen sehen, dass sie Rechte haben und Hilfe bekommen, von einem Verein, von der Presse. „Ich bin jemand, der sich wehrt und den Mund aufmacht, wenn ich rassistische Worte höre.“ Auch in Berlin werde sie manchmal angemacht auf der Straße, etwa als „Ausländer“ beschimpft. „Dann schreie ich zurück: ‚Das ist mein Land!‘“

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