Haushaltsdebatte im Bundestag: Merkel mal emotional

Es sollte um den Haushalt gehen, doch die Kanzlerin wirbt lieber eindringlich für die Coronaregeln. Die Opposition wirkt dagegen teils kraftlos.

Angela Merkel schaut auf ihr Smartphone

Aufrichtig besorgt: Angela Merkel am Mittwoch im Bundestag Foto: Markus SChreiber/ap

BERLIN taz | Es war ein eindringlicher Appell. Routiniert war Angela Merkel am Mittwochvormittag zunächst durch das weite Feld der Politik marschiert. Angefangen von der Corona-Pandemie hatte die Kanzlerin in der Generalaussprache im Bundestag zu allem, über das es etwas zu sagen gibt, auch etwas gesagt. Nun kehrte sie zum Ausgangspunkt zurück. Sie könne ihre Rede „jetzt nicht einfach so beschließen“, sagte Merkel. Angesichts steigender Infektionszahlen stünde die Bundesrepublik vor einer schwierigen Phase, warnte sie. „Wir riskieren gerade alles, was wir in den letzten Monaten erreicht haben.“

Wie groß ihre Sorge ist, war der Kanzlerin anzusehen. „Wir erleben zurzeit, wie die Vorsicht nachlässt“, konstatierte sie sichtlich bewegt. „Wir alle wollen das Leben, wie wir es kannten, zurückhaben.“ Auch sie selbst sehne sich nach Nähe, Berührungen und Gemeinsamkeit. „Da geht es mir nicht anders als anderen.“

Aber die sich wieder verschlechternde Situation müsse ernstgenommen werden. „Wir brauchen immer noch Abstand als Ausdruck von Fürsorge“, mahnte sie. Sich jetzt an die Regeln zu halten, schütze nicht nur Ältere, sondern die offene und freie Gesellschaft als Ganze. „Geben wir alle, als Bürgerinnen und Bürger dieser Gesellschaft, wieder mehr aufeinander acht.“

Eingerahmt wurde der emotionale Auftritt der Kanzlerin wie üblich von den Reden der Vorsitzenden der beiden stärksten Oppositionsfraktionen, also derzeit der AfD und der FDP. Überraschendes hatten Alice Weidel und Christian Lindner nicht zu bieten.

Lindner spart sich die Altherrenwitze

Beide klangen so, als hätten sie nur alte Manuskripte aus Vor-Corona-Zeiten notdürftig recycelt. Die AfD-Frontfrau beklagte zum Auftakt, die Bundesregierung klammere sich „stur an ihre ideologiepolitischen Irrtümer: Euro-Rettung, EU-Super-Staat, Einwanderung ohne Grenzen, Energiewende, Autowende, Elektroautoplanwirtschaft“.

Ach, es wäre zu schön, wenn bloß stimmen würde, was Weidel alles so behauptete: Innenminister Horst Seehofer sei vom „zeitweiligen Kritiker zum willigen Vollstrecker der Willkommenspolitik der offenen Grenzen geworden“, gab sie etwa zum Besten. Und dem Wirtschaftsminister Peter Altmeier empfahl die neoliberale Rechtsauslegerin, er solle „seine Ludwig-Erhard-Büste in seinem Büro durch eine Karl-Marx-Statue ersetzen“.

Christian Lindner kam weniger schrill daher. Aber auch er monierte die geplante Neuverschuldung von 96 Milliarden Euro im Etat für 2021. Die erneute Missachtung der Schuldenbremse habe „mit Nothilfe nichts mehr zu tun“, befand er. Einsparpotential identifizierte der FDP-Chef bei den aus seiner Sicht zu hohen Sozialausgaben. Ebenso wenig überraschend forderte er, was er auch sonst immer fordert: Steuersenkungen. Immerhin sparte Lindner sich diesmal seine Altherrenwitze.

Ansonsten waren sich Lindner und Weidel einig in ihren großen Sorgen um die deutsche Autoindustrie. So attackierten beide wortreich und scharf den bayrischen Ministerpräsidenten Markus Söder. Der hatte sich auf dem virtuellen CSU-Parteitag am vergangenen Wochenende dafür ausgesprochen, ab 2035 in Deutschland keine Autos mit Verbrennungsmotoren mehr zuzulassen.

Mützenich dreht auf

Es sei „ganz interessant“, dass der meistgenannte Politiker in der Debatte Markus Söder sei, „obwohl der gar nicht im deutschen Bundestag ist“, retournierte CSU-Landesgruppenchef Alexander Dobrindt. „Die Krise darf nicht zur Ausrede genutzt werden, Klimaziele jetzt in Frage zu stellen“, sprang er seinem Vorsitzenden bei. Das hatte schon beinahe den Sound eines Fridays-for-Future-Aktivisten – wenn denn Dobrindt nicht zuvor eine Kaufprämie für Verbrenner gefordert hätte.

Es ist der letzte Haushalt, den die amtierende schwarz-rote Bundesregierung ins Parlament eingebracht hat. Die Generaldebatte am Mittwoch war denn auch bereits geprägt von dem Blick auf die kommende Bundestagswahl in knapp einem Jahr. „Dieser Haushalt ist ein Wahlkampfhaushalt“, bemängelte Linksfraktionschef Dietmar Bartsch.

Die Regierung bliebe bewusst die Antwort darauf schuldig, wer dafür die Rechnung zu bezahlen habe. „Nicht einmal jetzt in der allergrößten Krise trauen Sie sich, die Superreichen in unserem Land mal an den Kosten zu beteiligen“, kritisierte Bartsch. Stattdessen drohe nach der Wahl ein „Kürzungshammer“ auf Kosten des Sozialstaats.

Mit solch unerfreulichen Aussichten beschäftigte sich Rolf Mützenich in seiner Rede lieber nicht. Der SPD-Fraktionsvorsitzende scheint sich schon voll im Wahlkampfmodus zu befinden. Mit gehörigem Pathos blies er Finanzminister Olaf Scholz zum sozialdemokratischen Hoffnungsträger auf: „Mit seiner großen Erfahrung, Konzentration und dem Willen für Gerechtigkeit kann er unser Land durch die tiefen Umbrüche der kommenden Jahre führen“, schwärmte Mützenich. „Olaf Scholz ist der richtige Kanzler für Deutschland.“ Das war schon verdammt dick aufgetragen.

Es war der grüne Fraktionsvorsitzende Anton Hofreiter, der zurückfand zu einem passenderen Ton – und zur richtigen Prioritätensetzung. Wie Merkel appellierte er nachdrücklich, die Corona-Schutzmaßnahmen einzuhalten. Bis jetzt sei Deutschland „ziemlich glimpflich“ durch die Pandemie gekommen. Aber die Gefahr sei groß, dass das nicht so bleibe. Er könne verstehen, dass die Menschen feiern wollten. Noch eine Zeitlang auf Partys zu verzichten sei aber zu verkraften. Es sei jedoch „sehr schwer damit zu leben, wenn wieder die Schulen geschlossen werden müssten“. Die Menschen müssten sich deshalb verantwortungsvoll und solidarisch verhalten.

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