David Graeber ist tot: Anarchist und Professor
Er war Wissenschaftler, Autor, wütend auf das System. Am Mittwoch ist David Graeber, Mitbegründer der Occupy-Bewegung, in Venedig gestorben.
David Graeber im Mai 2012 in Berlin Foto: Wolfgang Borrs
David Graeber, Anthropologe, Buchautor und „Vater der Occupy-Bewegung“, ist gestorben. Am Donnerstag bestätigte seine Frau Nika Dubrovsky seinen Tod auf Twitter: „Gestern ist die beste Person der Welt, mein Mann und Freund in einem Krankenhaus in Venedig gestorben“, schreibt die Künstlerin und Autorin. Nähere Umstände seines Todes sind bisher nicht bekannt. Graeber wurde 59 Jahre alt.
Berühmtheit erlangte Graeber, der sich selbst als Anarchist bezeichnete, vor allem durch seine Bücher wie „Schulden: Die ersten 5000 Jahre“, das sich in Deutschland bereits in den ersten zwei Wochen nach seinem Erscheinen 2012 über 30.000-mal verkaufte. Anekdotenreich plädiert er darin für eine Abschaffung jener politischen und wirtschaftlichen Systeme, die davon leben, dass Menschen Schulden aufnehmen müssen.
Zudem gilt Graeber als einer der Initiatoren der Occupy-Bewegung 2011 und Miturheber ihres Slogan „We are the 99%“. In seinen Büchern beobachtete Graeber kritisch Gesellschaft, Polizei und den homo oeconomicus. So schrieb er 2018 in „Bullshit Jobs: Vom wahren Sinn der Arbeit“, dass bis zu 40 Prozent der Arbeit in der Industriegesellschaft unnötig seien – und von den Arbeiter*innen auch als unsinnig wahrgenommen werden. „Der moralische und spirituelle Schaden, der hier aus dieser Situation resultiert, ist schwerwiegend. Es ist eine Wunde in unserer kollektiven Seele.“
Bis 2007 unterrichtete der 1961 in den USA geborene Graeber Ethnologie an der Yale University. 2008 wechselte er an die University of London und nahm 2013 eine Professur an die London School of Economics an. Graeber stand der Umweltbewegung nahe und sprach 2019 bei Protesten von Extinction Rebellion auf dem Trafalgar Square in London. Sein Lösungsansatz für den Klimawandel: Konsumverzicht.
Leser*innenkommentare
Maria Vorwerk
Zutiefst traurig....
Warum sterben wichtige, impuls-gebende, charismatische Menschen oft viel zu früh.... Und doofe werden uralt?
adagiobarber
die lösung für alle probleme dieser welt liegt im ...
kontrollierten maßhalten materieller bedürfnisse.
und im weiterentwickeln geistigen potentials. denn das ist -leider die wahrheit-,
bei vielen noch weit unterentwickelt.
Rainer Möller
Graebers Kitik des Schuldensystems ist nicht neu. Sie hat ihren Vorläufer in den deutschen Kritikern der "Zinsknechtschaft" und dem amerikanischen Ökonomen Hudson (jetzt auch deutsch), der auch die historischen Vorarbeiten geleistet hat, auf die Graeber sich stützt. So schön das alles ist: spezifisch links ist daran nichts - außer vielleicht dem Konstrukt eines "Systems", auf das man "wütend" sein und das man (imaginär) abschaffen kann.
Peter Panter
@Rainer Möller An einem Sonnenuntergang ist auch nichts spezifisch romantisch – trotzdem wird's dann dunkel.
Der Hinweis sich die Dinge anzusehen, bleibt auch bei täglicher Wiederholung des Phänomens aktuell.
bulli
loesung fuer den klimawandel ist nicht konsumverzicht.....sondern ist verzicht auf nachwuchs....
Hans Schwarz
@bulli Stimmt! Es gibt zuviele Menschen, aber das will keiner wrklich hören. Vor allem die Dummextremisten wollen ja viele Menschen die sie dann ausbeuten können.
Peter Titus
@Hans Schwarz Reiche Menschen sind das Problem, nicht viele Menschen.
kaffeemann
@bulli bringt auch nix. was wir aktuell spüren sind die emissionen der 80er, bis kohlendioxid seinen peak erreicht hat, braucht es 40 jahre. da darf man sich auf die zukunft freuen.
auch wenn wir von jetzt auf gleich emissionstechnisch auf 0 zusteuern und uns alle daran halten (was schon utopisch genug ist), wird der klimawandel wohl nicht mehr aufzuhalten sein
SUSANNE FRIEDLICH
Lösungsansatz : Konsumverzicht
Das hat doch die DDR so gemacht. Wunderbare Lösung in einer globalen Welt. Übrigens machen das 2/3 der afrikanischen und südamerikanischen Befölkerung schon ewig: Konsumverzicht.
Die Wegnahme von Gütern, Wissen, Macht und Meinung der Anderen ist die treibende Kraft mit der man Veränderungen schaffen kann. Ohne geht das leider nicht.
Joachim Petrick
Vor Rasse Konzept, David Graebers „Schulden“, S. 224 gegen Ende 19. Jahrhunderts waren gleichermaßen Farbige aus Afrika, Asien, Karibik, Ozeanien, wie Weiße aus Europa auf indischen, US Südstaaten Plantagen Vertragszwangsarbeiter in Schuldenknechtschaft.
Graeber verdeutlicht, dass es bei Kredit nicht um Geldbeziehung im Kredit Theorie Sinn geht, sondern anthropologisch um menschliche Beziehungen im Geben, Nehmen, Vergeben beim gegenseitigem Versprechen, ein jeder trage des anderen Last.
Erst durch Ersetzen Gotteskomplex durch Schuldkomplex tritt neuer Akteur ins Ganze, das Geld, nicht als Zahlungsmittel im Tausch von Gütern, Dienstleistungen, sondern in alternativloser Ikonisierung, dem sich Gläubiger wie Schuldner von der Wiege bis zur Bahre anbetend unterwerfen. Denn nur der Tod löscht Kredit, das auch nur, wenn Niemand Schuldner Erbe antritt.
Deshalb kommt es ab 1933 nach Ausbürgerung, nach Nürnberger Rassengesetzen 1935, Vermögensentzug, Deportation von Juden in Europa 1942-45 zur Shoa.
Heute kommt es bei Mikrokreditschuldnern mit Dorfgemeinschaft Gruppenhaftung durch Gruppendruck in Indien jährlich zu Tausenden Selbstmorden von Kleinbauern, weil die Bayer/Monsanto Saatgut nach Ernteverlust durch Naturkatastrophen, Schädlingsbefall aufgrund Klimakrise für nächste Anbau Saison nicht bezahlen können, sich aus Scham umbringen.
Frage, was geschah wirklich als Moses auf den Berg Sinai stieg, so erzählt die Bibel, mit Gottes Blitz, Donner Hand 10 Gebote ehern in Steintafeln brannte, Sicherung von Privat- statt Gemeinschaftseigentum zum Gottes Gebot erhob, vom Berg herabstieg, das Volk Israel bezichtigt vom Jahwe Glauben abgefallen, um das Goldene Kalb zu tanzen, während es in der Landschaft herumliegendes Gold doch wie Inkas Tauschverkehr entzog, schmolz in Kunstwerke wandelt, sich an deren Anblick gemeinschaftlich zu erfreuen, Goldvorkommen Menschen Umwelt schonend im Boden zu belassen. Das sind bleibende Fragen, die Graeber an seine Leser, Zuhörer richtet.
satgurupseudologos
die armen der welt -auch die armen in den reichen ländern haben kein interesse daran dass die forderungen von gläubiger*innen bedient werden.die anullierung aller staatsschulden liegt in ihrem interesse
sie kann mit einer entschuldung aller überschuldeten armen privatpersonen verbunden werden
die anullierung der staatsschulden und ein gegen die reichen und besserverdiennden gerichtetes steuerkartell
ermöglichen die finanzierung von globalem öko-und sozialkeynesianismus
auch vermögensobergrenzen und eine enteignung aller grossgrundbesitzer*innen und aller privaten grossvermieter*innen sind möglichkeiten ausbeutung und soziale ungleichheit zu überwinden
David Gräber wird von den linken aller länder nicht vergessen werden.sein name und seine ideen werden in ihrer dankbaren erinnerung weiter leben.
nachdem wir linken die macht erobert haben werden wir öffentliche strassen und plätze nach ihm benennen
tennisrastelli
@satgurupseudologos so kann nur jemand schreiben, der vor allem davon lebt, dass andere für ihn arbeiten. Das Problem an solch verqueren Ansichten ist, dass das System in sich zusammenfällt und jeder sich der Nächste ist. Ohne die "Reichen" wären die Armen noch ärmer, da niemand das wenige was sie zum verkaufen haben, auch haben will. Komminismus/Sozialismus ist das größte Verbrechen an der Menscheit.
tomás zerolo
@tennisrastelli Nein. Merz arbeitet nicht für mich. Er profitiert auf meine Kosten.
Auch "Die Familienunternehmer" [1] arbeiten nicht für mich. Sind aber als gemeinnützig anerkannt.
Ihre Rhethorik der "Leistungsträger der Gesellschaft" ist so alt, dass sie stinkt. Sie ist auch falsch -- und dumm.
[1] de.wikipedia.org/w...amilienunternehmer
Hyrrokin
@tennisrastelli Große Worte für jemanden, der nicht einmal den Namen des Systems, welches anscheinend das größte Verbrechen an der Menschheit sei, buchstabieren kann.
Mir ist bewusst, dass Sie sich wahrscheinlich vertippt haben, jedoch passt dies wunderbar zu Ihrer "Argumentation"; fehlerhaft.
Bitte erklären Sie doch, warum die Armen noch Ärmer wären, wenn (wie z.B. in den vereinigten Staaten) nicht über 95% des Vermögens bei 1% der Bevölkerung und über 98% bei den oberen 5% angesiedelt wäre.
Kapitalismus ist das System, in dem sich jeder selbst der Nächste ist; das einzige was zählt ist das Kapital, nicht der Mensch dahinter. Die Welt brennt, wir haben es einigermaßen gut, weil wir auf Kosten der Menschen leben, die für uns in armen Ländern Sklavenarbeit betreiben.
Es wäre wirklich ein Verbrechen an der Menschheit, wenn man nicht mehr die Möglichkeit hätte bei KiK 3 T-Shirts für 5 Euro zu kaufen, oder?
Auf Grund des Systems das uns alle beherrscht, vergiftet sich das Wasser, die Natur stirbt, Tiere sind sind nicht mehr als Massenproduziertes Schlachtvieh. Kapitalismus zerstört den Planeten und den Geist des Menschen.
Alleine die Vorstellung, dass Menschen nicht knechten müssten, damit wenige reich werden und der Rest ausgebeutet werden kann, ist Ihnen so zuwider, dass sie von Verbrechen an der Menschheit sprechen. Interessante kognitive Dissonanz, die Sie betreiben.
Falls Ihnen das Lesen von Gedanken nicht zuwider ist, die Ihrem Weltbild widersprechen und es gar verändern könnte, habe ich eine Leseempfehlung für Sie: Prof. Mark Fishers : "Capitalist Realism"
Peter Panter
@Hyrrokin Der hat doch RECHT!
Ohne die Reichen hätte die Menschheit nur den Diablo in der Kirche und nicht den von Lamborghini auf dem Ku-Damm
Janix
Nicht nur weil er an der LSE war, ein kluger, klassenbewusster Kopf. "Schulden"/"Debt" sollte _jedeR einmal gelesen haben.
Ich habe ihn nach einer Klett-Cotta-Lesung noch kurz gesprochen und hätte das am liebsten einen ganzen Abend lang getan. Requiescat in pace.
Maria Burger
Ein kluger Mensch weniger auf dem Globus. Mein Mitgefühl an seine Familie.
Gerhard Krause
RIP, David.