LGBTIQ-Menschen in der Arbeitswelt: Diskriminierung bleibt Alltag

JedeR dritte Homosexuelle wurde am Arbeitsplatz schon diskriminiert, so eine neue Studie. Unter trans Personen sind die Zahlen noch höher.

Ein Regenbogenfähnchen liegt auf einer Computertastatur

Knappe 30 Prozent der Homosexuellen verstecken ihre Sexualität vor Kolleg*innen Foto: Sascha Steinach/imago

BERLIN taz | Diskriminierung bleibt Alltag für LGBTIQ-Menschen in der Arbeitswelt: Rund ein Drittel der homosexuellen Menschen in Deutschland wurde innerhalb der letzten zwei Jahre am Arbeitsplatz diskriminiert, unter den trans Personen sind sogar mehr als 40 Prozent betroffen. So steht es in einer neuen Studie des Deutschen Instituts für Wirtschaftsforschung (DIW) und der Universität Bielefeld.

Knappe 30 Prozent der Homosexuellen verstecken demnach ihre Sexualität vor Kolleg:innen, volle 40 Prozent haben sich gegenüber ihren Vorgesetzten nicht geoutet. Politiker:innen und Aktivist:innen fordern nun von Wirtschaft und Regierung mehr Einsatz, um Benachteiligung aufgrund von Gender und Sexualität zu beenden.

Aus der Untersuchung geht auch hervor, dass LGBTIQ-Personen im Schnitt besser ausgebildet sind als der Rest der Bevölkerung. Beschäftigt sind sie überdurchschnittlich häufig im Sozial- und Gesundheitswesen, deutlich unterrepräsentiert sind sie dagegen in Bereichen wie Landwirtschaft und Industrie. Die Autor:innen der Studie mutmaßen, dass LGBTIQ-Menschen diese Branchen meiden, weil sie Diskriminierung fürchten. Dafür spricht auch, dass sich LGBTIQ-Beschäftigte in diesen Branchen noch deutlich seltener outen als in anderen Wirtschaftsbereichen.

Markus Ulrich vom Lesben- und Schwulenverband ist von diesen Erkenntnissen nicht überrascht. „Die neuen Ergebnisse spiegeln, was wir schon aus anderen Studien wissen“, sagte er am Mittwoch der taz. Viele Betroffene fürchteten negative Konsequenzen eines Outings, insbesondere Berufsanfänger:innen seien betroffen.

Um daran etwas zu ändern, forderte Ulrich: „Mitarbeitende müssen LGBTI-Kolleg:innen aktiv supporten und verteidigen.“ Aber auch die Vorgesetzten seien in der Pflicht: So sollten Sie etwa dafür sorgen, dass es Ansprechpersonen für Diskriminierungsfälle gebe und nicht unterschwellig traditionelle Vorstellungen von Geschlecht und Sexualität vorausgesetzt werden. Auch vermeintliche „Kleinigkeiten“ seien durchaus bedeutsam: Für trans Personen sei es beispielsweise wichtig, eine neue Mail-Adresse – mit dem neuen Namen – zu erhalten.

Von der Politik forderte Ulrich: „Das allgemeine Gleichbehandlungsgesetz muss reformiert werden.“ Es müsse endlich auch für die zwei größten Arbeitgeber in Deutschland gelten: Bisher sind Staat und Kirche vom Gesetz ausgenommen. Es fordert explizit eine Gleichbehandlung aller Arbeitnehmer:innen.

„Erschütternde Ergebnisse“

Die queerpolitische Sprecherin der Grünen, Ulle Schauws, twitterte am Mittwoch zu den Erkenntnissen aus der Studie: „Niemand darf wegen sexueller Identität oder Geschlechtsidentität benachteiligt werden.“ Es brauche besseren Schutz vor Diskriminierung.

Ihr Pendant aus der SPD, Karl-Heinz Brunner, sagte gegenüber der taz: „Die Ergebnisse der Studie sind erschütternd. Sie zeigen, dass gesellschaftlich noch sehr viel Arbeit vor uns liegt.“ Ein erster Schritt könne eine Grundgesetzänderung sein, so Brunner: „Wichtig ist, in Artikel 3 des Grundgesetzes aufzunehmen, dass Menschen auch wegen ihrer Sexualität nicht diskriminiert werden dürfen.“ Bisher verbietet der dritte Artikel des Grundgesetzes lediglich Benachteiligung aufgrund von Geschlecht, Herkunft, Hautfarbe, Sprache, Glauben, politischer Ansichten oder körperlicher und geistiger Einschränkungen.

Als „gesamtgesellschaftliches Signal“ befürwortet auch der Bundessprecher der Lesben und Schwulen in der Union (LSU) Thomas Schmitt eine Änderung von Artikel 3. „LGBTI müssen endlich wirksam vor Diskriminierung geschützt werden“, sagte er der taz. „Arbeitgeber haben hier besondere Verantwortung.“ Ein möglicher Partner im Kampf gegen Diskriminierung könnten die Kammern sein, sagt er, etwa die Industrie- und Handelskammern (IHK) und die Handwerkskammern. Als konkreten Schritt fordert Schmitt mehr Diversity-Trainings für Arbeitgeber und leitende Angestellte in allen Wirtschaftssektoren. Insbesondere der öffentliche Dienst müsse dabei „mit gutem Beispiel“ vorangehen.

Doris Achelwilm, Sprecherin für Gleichstellungs-, Queer- und Medienpolitik der Linkspartei, nannte die Ergebnisse der Studie „alarmierend“. Arbeitgeber:innen seien nun gefragt, „Vielfalt und Diskriminierungsschutz nicht nur als Imageverbesserung zu verstehen“, so Achelwilm gegenüber der taz. Stattdessen müssen diese in ihren Betrieben „für transparente, diskriminierungssensible und offene Strukturen“ einstehen.

Auch die Bundesregierung sei am Zug: Es sei „dringend notwendig, die Beratungs- und Hilfsangebote auszuweiten, um endlich auch trans* Arbeitnehmenden gerecht zu werden“, so Achelwilm. Die Große Koalition müsse dafür sorgen, dass Beratungsangebote wie die Antidiskriminierungsstelle des Bundes genug Geld erhalten.

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