Seenotrettung im Mittelmeer: „Sea-Watch 4“ klagt die EU an

350 Geflüchtete an Bord des Rettungsschiffs „Sea-Watch 4“ suchen dringend einen Hafen. Auch die „Louise Michel“ leistet im Mittelmeer weiter Nothilfe.

Das Schiff "Louise Michel" auf dem Meer

Die „Sea-Watch 4“ hat am Samstag 150 Geflüchtete von der „Louise Michel“ (Bild) übernommen Foto: Santi Palacios/ap

FRANKFURT A.M./BERLIN/HANNOVER/ROM epd/dpa | Der Hilferuf des Seenotrettungsschiffs „Louise Michel“ im Mittelmeer wurde erhört: Nachdem die italienische Küstenwache am Samstagabend 49 Menschen übernommen hatte, wechselten später rund 150 weitere Gerettete auf die „Sea-Watch 4“. „Wir haben nun rund 350 Personen an Bord, die so schnell wie möglich in einem sicheren Hafen an Land gelassen werden müssen“, twitterte die in Berlin ansässige Organisation Sea-Watch.

Besatzung und Überlebende an Bord der „Sea-Watch 4“ seien völlig erschöpft, sagte Hannah Wallace Bowman, Sprecherin von Ärzte ohne Grenzen, dem Evangelischen Pressedienst (epd). Bowman ist auf dem Rettungsschiff im Einsatz. Ärzte ohne Grenzen und Sea-Watch leisten Nothilfe, wenn Staaten dies nicht tun. „Jetzt sind wir auf See gestrandet. Wir werden dafür bestraft, dass wir die Lücke gefüllt haben, welche die EU-Regierungen an der tödlichsten Seegrenze der Welt hinterlassen haben.“

Die zehn Besatzungsmitglieder der „Louise Michel“ kümmerten sich nach mehreren Rettungsaktionen vorübergehend um mehr als 200 Menschen. Das Schiff war nach eigenen Angaben manövrierunfähig und setzte einen Hilferuf ab, der zunächst verhallte. Die italienische Küstenwache übernahm nach Angaben von Sea-Watch schließlich vor allem Frauen und Familien mit Kindern.

Die „Louise Michel“ hatte bei den zurückliegenden Rettungsaktionen der „Sea-Watch 4“ assistiert. Das Sea-Watch-Schiff wird überwiegend aus kirchlichen Spenden finanziert. Der international bekannte Street-Art-Künstler Banksy unterstützt die „Louise Michel“. Er kaufte das frühere Schiff der französischen Marine. Kapitänin ist Pia Klemp, die auch schon für Sea-Watch im Einsatz war.

Banksy veröffentlicht ein Video

„Es ist noch nicht vorbei“, twitterte indes die „Louise Michel“ am späten Samstagabend. „Wir fordern jetzt einen sicheren Ort für alle Überlebenden.“ Banksy, Streetart-Künstler und Unterstützer des Schiffes, meldete sich am Samstag auf seiner Instagram-Seite mit einem neuen Video zu Wort.

Die Besatzung der unter deutscher Flagge fahrenden „Louise Michel“ hatte am Freitagabend um Hilfe gebeten. Das Schiff befand sich am Samstag südöstlich von Lampedusa. Eine zehnköpfige Crew kümmerte sich den Angaben zufolge zeitweise um 219 Menschen an Bord des Schiffes, die bei Rettungsaktionen aufgenommen worden waren. 89 waren am Donnerstag gerettet worden, 130 weitere am Freitag. Weil das Schiff bereits voll war, mussten 33 von ihnen zunächst auf einer Rettungsinsel ausharren. An Bord befand sich auch ein Toter, andere Migranten waren verletzt. Das Schiff konnte sich nach eigenen Angaben nicht mehr sicher fortbewegen.

Der Cheftheologe der Evangelischen Kirche in Deutschland (EKD), Thies Gundlach, hat die Rettung von Flüchtlingen im Mittelmeer als eine Aufgabe der Kirche bezeichnet. „Letztendlich ist Seenotrettung ein Teil unseres diakonischen Auftrages“, sagte der Vizepräsident im EKD-Kirchenamt in Hannover der Welt (Samstagausgabe). Indem die evangelische Kirche das Rettungsschiff „Sea-Watch 4“ unterstütze, reagiere sie auf einen Missstand der Europäischen Union. „Wir sind eine Notlösung. Als Christ kann man nicht billigend in Kauf nehmen, dass Menschen ertrinken.“

In der Flüchtlingsdebatte sieht Gundlach einen Mangel an Empathie. Menschen, die ihre Heimat verließen, „haben ja Beweggründe, sind oft verzweifelt“, sagte der Theologe. Er betonte, dass Asylverfahren fair sein müssten. Das könne auch bedeuten, dass jemand im Verfahren abgelehnt werden könne. „Unsere Seenotrettung ist kein Freifahrtschein nach Europa. Aber an unserer Arbeit auf dem Meer ändert das nichts. Wir retten jeden, den wir retten können.“

Gundlach ist neben seinem Amt in der EKD auch Vorsitzender des Bündnisses „United4Rescue“, zu dem sich die Kirche mit anderen Unterstützern zusammengeschlossen hat, um den Einsatz der „Sea-Watch 4“ zu ermöglichen. Das Schiff wurde unter anderem mit kirchlichen Spenden gekauft. In den vergangenen Tagen nahm die „Sea-Watch 4“ mehr als 200 Menschen auf.

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