BaggerbesetzerInnen wieder frei: Klowasser getrunken

Sechs Tage in Haft saßen AktivistInnen, die im Braunkohletagebau Garzweiler Bagger besetzt hatten. Sie berichten von skurrilen Erlebnissen.

Der Ortsname "Oberwestrich" handgeschrieben auf gelb angemaltem Holz, dahinter Polizisten mit Fahrzeugen

Polizeieinsatz am Rande der Proteste für den Erhalt diverser Dörfer im Braunkohlegebiet Foto: David Young/dpa

AACHEN taz | Sven, Student aus Hamburg (Angaben geändert), hat gelernt, „welche Wirkung Isolation ohne Tageslicht hat“, erzählt er der taz. Der 24-Jährige ist einer der zehn Festgenommenen vom vergangenen Sonntag, die nach der halbtägigen Baggerbesetzung im Tagebau Garzweiler II die Angabe ihrer Personalien verweigerten und deshalb sechs Tage in sechs verschiedenen Polizeiwachen eingesperrt wurden. Aus Protest waren sie in Hungerstreik getreten. Sven war in einer Zelle in Mönchengladbach untergebracht.

Seit Freitagabend sind alle wieder raus, alle unbeschadet. „Hungerstreik“, sagt Sven jetzt, „ist ein fundamentales, selbstermächtigendes Gefühl.“ Es gab ekelhafte und rührende Momente. Mancherorts mussten die Inhaftierten „um jeden Schluck Wasser fast betteln“, berichtet Lukas Schnermann von der Gruppe Extinction Rebellion (XR), die sich um die Eingesperrten von außen kümmerte.

In Krefeld saß der einzige Durststreikende. Als dieser nach 36 Stunden wieder trinken wollte, weil er sich zunehmend unwohl fühlte, habe anderthalb Stunden lang niemand auf sein Klingeln reagiert, so Schnermann. Der Betroffene habe deswegen Wasser aus der Klospülung getrunken, dann ging es ins Krankenhaus.

Eine Frau habe sich ein Schachspiel aus Papierkügelchen gebastelt, es wurde konfisziert. Manche durften telefonieren, anderen wurden alle Bücher weggenommen. Manche hatten nachts Dauerlicht, andere kurzen Hofgang in Handschellen. Ein Gefangener habe sechs Kilo abgenommen.

„Fast alle haben erzählt, dass sie gegen die Langeweile viel gesungen haben“, erzählt Schnermann, „und einer sehr laut gerappt.“ Nach Auskunft von XR wurde bei keinem der Inhaftierten ernsthaft weiter nach der Identität geforscht. Jugendliche waren, anders als zuvor vermutet, offenbar doch nicht dabei: „Eine Frau, die wirklich sehr jung aussah“, sagt Schnermann, „hat mir jetzt gesagt, sie sei 19“.

Sven hat erlebt, „wie hilflos Polizisten beim Umgang mit anderen nichtdeutschsprachigen Gefangenen sind“. Manche Beamte konnten kaum Englisch, Dolmetscher gab es nicht, „und auf Schreien reagierten die Beamten mit lauterem Schreien“. Es habe auch kuriose Dialoge gegeben: „Wo wollen Sie hin?“, habe eine Beamtin gefragt. „In eine Welt ohne Klimakrise.“ Antwort: „Das könnte knapp werden.“ Nein, das sei wohl nicht zynisch gemeint gewesen.

Glücklich war Sven über die Solidarität von außen. Gut 30 Leute, „darunter ganze Familien“, hätten ihn bei der Entlassung erwartet. Ein Polizist habe zum Abschied gesagt: „Respekt, was Sie gemacht haben, sechs Tage lang nichts essen. Ich könnte das niemals. Sie und die anderen müssen schon sehr überzeugt sein.“

Einmal zahlen
.

Fehler auf taz.de entdeckt?

Wir freuen uns über eine Mail an fehlerhinweis@taz.de!

Inhaltliches Feedback?

Gerne als Leser*innenkommentar unter dem Text auf taz.de oder über das Kontaktformular.

Wir würden Ihnen hier gerne einen externen Inhalt zeigen. Sie entscheiden, ob sie dieses Element auch sehen wollen.

Ich bin damit einverstanden, dass mir externe Inhalte angezeigt werden. Damit können personenbezogene Daten an Drittplattformen übermittelt werden. Mehr dazu in unserer Datenschutzerklärung.

Bitte registrieren Sie sich und halten Sie sich an unsere Netiquette.

Haben Sie Probleme beim Kommentieren oder Registrieren?

Dann mailen Sie uns bitte an kommune@taz.de.