Neue Empfehlungen für die taz: Besser übers Klima schreiben

Als erstes Medienhaus in Deutschland gibt sich die taz eine klimagerechte Sprache. Denn das Sein bestimmt auch das Klimabewusstsein.

Frauen in Dürreregion in Kenia

Dürre in Kenia: Ist das Wandel oder Krise? Foto: Goran Tomasevic / Reuters

Die taz ist nicht nur für Klimagerechtigkeit – die taz gibt sich als erstes Medienhaus in Deutschland ab sofort auch eine klimagerechte Sprache. RedakteurInnen der taz werden dabei keine Vorschriften gemacht, was sie wie zu schreiben haben. Vielmehr bekommen sie Empfehlungen an die Hand, um Texte rund ums Klima noch prägnanter, noch besser zu gestalten.

Sprache verändert sich. Deshalb gibt es das Binnen-I oder das Gendersternchen – und nun die klimagerechte Sprache. Denn: Das Sein bestimmt auch das Klimabewusstsein. Die taz geht in diesem Punkt nach vorne, damit sich mehr Menschen darüber Gedanken machen, wie man mit präziseren Begriffen über die menschengemachte Klimaveränderung diesem Megathema noch besser gerecht werden kann.

Zum Beispiel: Warum schreiben wir eigentlich Erderwärmung und nicht Erderhitzung? Ist die Idee eines sich kuschelig erwärmenden Planeten nicht viel zu beschönigend, wenn man daran denkt, dass sich Wüsten bilden und Menschen und Tiere wegen der Hitze keine Lebensgrundlagen mehr finden? Wer genauer über die Sprache in der Klimaberichterstattung nachdenkt, kann genauer formulieren.

„Der bisherige journalistische Umgang mit dem Klima war in vielen Medien zu monoton, ungenau, verharmlosend, vielleicht sogar unzutreffend und sicher nicht ausreichend publikumswirksam und verständlich“, sagt Torsten Schäfer, Professor für Journalismus an der Hochschule Darmstadt. Er hat selber fast 20 Jahre Erfahrung im Umweltjournalismus, lehrt und forscht zum Thema Klimakommunikation. Nun hat Schäfer, angelehnt an Vorbilder aus dem angelsächsischen Raum, für die taz ein Konzept für eine klimagerechte Sprache erstellt. Seine Botschaften: Viel ist beim Schreiben und Reden übers Klima möglich, nur wenig wirklich kritisch. (Kai Schöneberg)

Klimawandel

Medien wie der britische Guardian oder auch AktivistInnen verweisen darauf, dass der Terminus „Klimawandel“ zu schwach und zu passiv daherkommt. Für Kritiker steht sein „Framing“ für den natürlichen Klimawandel und nicht den menschengemachten, für eine sanfte Veränderung (Wandel) statt schlimmerer Entwicklungen (Krise, Chaos). Klimawandel suggeriere zudem einen linearen Verlauf des Geschehens. Diese Argumentation übersieht jedoch einen entscheidenden Punkt, der für die Kommunikationswissenschaft einer der wichtigsten Nachrichtenfaktoren ist: die Etablierung.

„Klimawandel“ ist als Wort weithin bekannt, gelernt, genutzt, für die Kommunikation ein großer Vorteil. Mit seiner Etablierung fand im Laufe der Zeit eine Deutung statt im Hinblick auf eine riskante, gefährliche und – mittlerweile valide erforscht und mehrheitlich debattiert – vor allem menschengetriebene Entwicklung. Die Contra-Argumente verkennen diese Etablierung und behandeln das Wort, als sei es gerade neu auf die Agenda gekommen.

Es gilt auch, über das Herstellen von Zusammenhängen zu sprechen. Denn hinter dem Begriff „Klimawandel“ folgen meist Zahlen, Informationen und Beispiele, die jeweils klarmachen, wie ernst die Lage ist. Es geht also neben dem Klartext, den JournalistInnen im Kampf gegen Fachsprache, Behördendeutsch und Start-up-Geschwurbel führen, um den Kontext. Und um den Subtext, den das Framing einschließt.

Klimanotstand

Viele Kommunen und sogar Länder haben weltweit den „Klimanotstand“ ausgerufen, der Begriff hat eine enge Anbindung an realen Widerstand vor Ort. Er lässt aber auch an die deutschen Notstandsgesetze denken, was in die Irre führt. Der Begriff des Notstands suggeriert auch, dass es um ein zeitlich begrenztes und mit nur den richtigen politischen Mitteln (siehe Notstandsgesetze der 1930er) schnell zu lösendes Problem geht. Allerdings: Für sich und im individuellen Kontext gesehen kommt das Wort klar und stark daher („Da gibt es einen großen Notstand“).

Klimakrise

Häufiger im Gebrauch ist die „Klimakrise“. Der Klimawandel ist von seiner Struktur her aber keine klassische Krise, die wir immer mit einem Ende, einem Ausgang im Sinne einer absehbaren Lösung verbinden, die wieder in die Normalität führt. Diese ist kaum mehr zu erreichen – der menschenbedingte Klimawandel lässt sich samt seiner Auswirkungen nicht mehr zurückdrehen, nur noch bremsen. Zeitlich geht es um Jahrzehnte und Jahrhunderte. Und es gibt kein einheitliches, zu definierendes Ziel, das überall zum gleichen Zeitpunkt erreicht wird. All dies widerspricht dem Terminus der „Krise“.

Sicher: Ein zeitliches Ziel könnte das 2-Grad-Ziel sein, das bis zum Ende des 21. Jahrhunderts erreicht sein muss, mag man argumentieren. Und der Beginn könnte die um 1750 einsetzende Industrialisierung sein, denn ab diesem Zeitpunkt zeigen die Ablagerungen in Eisbohrkernen mehr Treibhausgase in der Atmosphäre. Doch dann ergibt sich eine Strecke von 350 Jahren und somit eine Zeitspanne, die das landläufige Verständnis vom Verlauf und der Dauer einer politischen oder wirtschaftlichen Krise bei Weitem übersteigt. Dennoch: Der Begriff „Krise“ kann eine sinnvolle Ergänzung sein, wenn er in den langfristigen, zeitlichen Kontext gesetzt wird oder konkretere Bezüge hat, zum Beispiel bei einer „politischen Klimakrise“.

­Klimakatastrophe, ­Klimachaos, ­Klimazusammenbruch:

Diese Begriffe haben eine weniger eindeutige Zeitlichkeit in sich als „Krise“ oder „Notstand“. Einhergehend damit senden sie ebenfalls in ihrem Subtext nicht die Botschaft einer sicheren Reparaturmöglichkeit oder Lösungsperspektive aus. Daher scheinen sie unkomplizierter in der Verwendung.

Weitere mögliche Begriffe – jeweils mit möglichen problematischen Subtexten der Begriffe: Klimaproblem / Klimamissstand (Gegenargument: siehe „Notstand“, „Krise“; schwache Wirkung), Klimabedrohung (Gegenargument: die Bedrohung ist längst Realität; besser zu benutzen im Kontext kommender, auch lokaler Klimafolgen), ­Klimasorge oder Klimaangst, Klimaversagen.

Erderwärmung vs. Erderhitzung:

Die Erhitzung trifft das reale Geschehen in vielen Weltgegenden mit ihren drastischen Folgen besser als die bloße Erwärmung. Daher ist hier die Wortablösung unproblematisch, in der Botschaft klarer und angemessener. Dennoch sollte man generell vorsichtig sein bei dem Willen, den Begriffen eine größere Warnwirkung zu verleihen: Katastrophenbotschaften gibt es im Umwelt- und Klimajournalismus häufig. Er wurde dafür vielfach kritisiert. Dieser „Risikoframe“ scheint bisher nicht dazu beizutragen, dass das Publikum den so verfassten Beiträgen hinterherrennt.

Vielleicht könnte eine Mischung zum Erfolg führen: Katastrophe und Konstruktivität, Warnung und Zukunft, was in Beiträgen die Frage nach vorhandenen, einsatzbereiten Lösungen, erst zu entwickelnden Ideen, Plänen und Absichten sowie schon funktionierenden Erfolgen einschließt – Elementen, die der Konstruktive Journalismus einschließt und mit der W-Frage nach dem „Wohin“, dem klassischen Journalismus mit seinem Wer, Wo, Wann, Was, Wie und Warum hinzufügen will.

Klimaskeptiker

Hier ist eindeutig, dass eine Wortersetzung sinnvoll ist, auch wenn der Begriff etabliert ist. Dies allerdings in weit geringerem Maße als „Klimawandel“, dessen Verwendung auch nicht zu derart großen Problemen führt wie bei den „Skeptikern“. Diese kommen im Tarnkleid einer philosophischen Tugend daher, die positiv gedeutet wird im Hinblick auf die Vernunft, Eigenständigkeit im Urteil, das Nachdenken und das ruhige Überlegen, das der Skepsis innewohnt. So jemanden ruft man im Zweifel als Journalist auch gern an, im Glauben an eine Ausgewogenheit der Berichterstattung.

Gerade für die USA ist diese Tradition des „balanced reporting“, die auch stark durch Zeit- und Personalmangel gefördert wird, untersucht. Sie hat neben anderen Faktoren mit dazu geführt, dass Klima(wandel)leugner (der bessere Begriff) oder Wissenschaftsleugner (etwas sperrig und genereller, bedarf eigentlich einer breiteren Recherche hinsichtlich des gesamten Wissenschaftsverständnisses einer Person und damit einer näheren Beschäftigung mir ihr) in der US-Debatte über das Klima eine starke Rolle haben. Es ist ja auch so, dass JournalistInnnen in ihrer Politikberichterstattung nicht immer die Demokratiefeinde anrufen, um alle Seiten abzudecken. (Torsten Schäfer)

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Der 42-Jährige ist Professor für Journalismus an der Hochschule Darmstadt mit den Schwerpunkten Umwelt- und Klimajournalismus, EU-Berichterstattung sowie Reportage und Erzählen. Er arbeitet auch als Autor und Umweltjournalist, vor allem für die FAZ. Zudem leitet er das Online-Portal gruener-journalismus.de

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