Verantwortung für Lieferketten: Altmaier bremst Gesetz aus

Zulieferfabriken sollen die Menschenrechte einhalten. Doch allzu weit soll die Verantwortung der Unternehmen nicht gehen, fordert das Wirtschaftsministerium.

Hände von Kindern, die in der Jeansproduktion in der Türkei arbeiten sind blau gefärbt

Syrische Kinder, die in einem Sweatshop in der Türkei arbeiten, zeigen ihre Hände Foto: Valerio Muscella/Redux/laif

BERLIN taz | Möglichst wenige Unternehmen sollen von dem geplanten Lieferkettengesetz erfasst werden. Das versucht das Bundeswirtschaftsministerium in den Verhandlungen mit Arbeits- und Entwicklungsministerium durchzusetzen. Weil sich die Ressorts bisher nicht einigen können, wurde das Vorhaben am Mittwoch sogar von der Tagesordnung des Bundeskabinetts gestrichen.

Das Lieferkettengesetz soll festlegen, dass hiesige Firmen für Arbeitsbedingungen, Menschenrechte und Ökologie in ihren ausländischen Zulieferfabriken mitverantwortlich sind. Nach Unfällen wie dem Einsturz der Fabrik Rana Plaza in Bangladesch 2013 wollen Arbeitsminister Hubertus Heil (SPD) und Entwicklungsminister Gerd Müller (CSU) eine solche Regulierung einführen. Wirtschaftsminister Peter Altmaier (CDU), einige Unternehmensverbände und deren Unterstützter bremsen das Vorhaben allerdings konsequent aus.

In den Verhandlungen geht es unter anderem darum, wie viele hiesige Firmen betroffen sein werden. Während Heil und Müller Unternehmen mit mehr als 500 Beschäftigten einbeziehen wollen, will das Wirtschaftsministerium die Grenze bei 5.000 Arbeitsplätzen ziehen. Im ersten Fall wären einige tausend Betriebe erfasst, im zweiten nur wenige hundert.

Zudem wollen Altmaiers Mitarbeiter:innen die Haftung der Firmen weitgehend eliminieren. In den Eckpunkten für das Gesetz aus Arbeits- und Entwicklungsministerium heißt es, dass hiesige Unternehmen vor Gericht auf Schadenersatz verklagt werden könnten, wenn sie ihren Sorgfaltspflichten nicht „angemessen“ nachkämen und „vorhersehbare“ Risiken ignorierten. Konkret: Erfährt ein deutscher Textilhändler von der Baufälligkeit der Fabrik eines Hauptzulieferers in Pakistan, muss er einschreiten. Tut er es nicht, können potenzielle Unfallopfer auf Schadenersatz klagen.

Das geht dem Wirtschaftsministerium zu weit

Dies geht dem Wirtschaftsministerium offensichtlich zu weit. „Aus Sicht der Wirtschaft kommt es darauf an, dass mögliche Regelungen angemessen und in der Praxis auch durchführbar sind“, erklärte eine Sprecherin am Mittwoch. Angesichts der Coronakrise und der aktuellen Rezession solle man die Firmen nicht zusätzlich unter Druck setzen.

Ähnlich argumentiert der Verband der Maschinenbauer (VDMA). Man könne unmöglich für Tausende Vorprodukte genau kontrollieren, wie sie produziert worden seien. Eventuell müssten sie sich für Missstände vor Gericht verantworten, auf die sie kaum Einfluss hätten. Der liberale Freiburger Ökonom Lars Feld, Chef der Wirtschaftsweisen, die die Regierung beraten, sagte: „Das Ganze hat durchaus das Potenzial, uns über Jahre so zu belasten, dass die Wirtschaftsentwicklung wesentlich geschwächt wird.“

Die Initiative Lieferkettengesetz, in der unter anderem kirchliche Hilfswerke, Gewerkschaften und Entwicklungsorganisationen mitwirken, unterstützt dagegen das Anliegen von Arbeits- und Entwicklungsministerium. Weniger als ein Fünftel „der befragten Unternehmen hält sich an Vorgaben der Bundesregierung zur Achtung der Menschenrechte. Im Koalitionsvertrag ist für diesen Fall festgehalten, dass eine gesetzliche Regelung folgt“, so Sprecherin Johanna Kusch.

Der nächste Termin im Kabinett ist der 9. September. Ein Kompromiss könnte darin bestehen, Übergangsfristen einzubauen und die Haftung erst nach und nach einzuführen.

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