Die Wahrheit: Die Coronabananenrepublik

In Zeiten der Pandemie benehmen sich die selbst ernannten irischen „Staatsdiener“ dreister denn je und stolpern über ihre eigene Dreistigkeit.

Wenn einem sonst nichts Vernünftiges zu Corona einfällt, erfindet man eben etwas: „Staycation“ ist das Zauberwort in Irland – eine Mischung aus „stay“ und „vacation“, also Urlaub zu Hause. Allerdings gibt es das Wort „vacation“ nur im US-amerikanischen Englisch. Und in die USA soll man auf keinen Fall reisen.

Einige Wirtshäuser sind dichtgemacht worden, weil sie die Abstandsregeln missachtet haben. In der Dubliner Kneipe Berlin D2 haben sie sogar das Mallorca-Feeling auferstehen lassen: Ein Kellner stand auf dem Tresen und goss Getränke in die offenen Münder der Kunden.

Wer über 70 ist, hat im Pub aber nichts verloren und soll am besten sämtliche Aktivitäten einstellen. Urlaub ist gestrichen, wenn er Übernachtungen in Hotels oder Pensionen beinhaltet. Zelten wäre vermutlich okay. Ausgerechnet jetzt werben viele Hotels jedoch mit Sonderangeboten für Senioren.

Fáilte Ireland, das irische Fremdenverkehrsamt, beschwor den restlichen Teil der Bevölkerung, auf der Grünen Insel Urlaub zu machen, um der darbenden Tourismusindustrie ein wenig auf die Beine zu helfen. Ins Ausland soll man nur reisen, wenn es unvermeidlich ist. Leider hatte man vergessen, dem eigenen Direktor die „Zu Hause ist es am schönsten“-Kampagne zu erklären. Michael Cawley macht zur Zeit in Italien Ferien. Vielleicht hatte er geglaubt, dass man ihn wegen der Maske am Flughafen nicht erkennen würde. Vielleicht wollte er seinem früheren Arbeitgeber auch ein bisschen Geld zukommen lassen: Cawley war Geschäftsführer bei Ryanair.

Wahrscheinlicher ist aber, dass es ihm egal war. So funktioniert nun mal die Arroganz der irischen „Staatsdiener“: Sie behaupten, alle sitzen im selben Boot. Aber das Boot ist eine Galeere, und das Fußvolk muss rudern, während sich die Phrasendrescher auf dem Deck sonnen.

Oder sie treffen sich zu einem Dinner zur Feier des 50-jährigen Bestehens der parlamentarischen Golfvereinigung in einem Hotel. Während die Regierung verboten hat, dass sich mehr als sechs Menschen in einem Raum aufhalten, nahmen 80 Parlamentarier an dem Golf-Essen teil. Das 19. Loch ist offenbar das Vakuum in ihren Köpfen. Der Landwirtschaftsminister Dara Calleary, der das Amt gerade von einem Kollegen, der wegen eines anderen Skandals geschasst wurde, übernommen hatte, ist wie Senator Jerry Buttimer am Freitag zurückgetreten.

Der EU-Kommissar Phil Hogan, der extra aus Brüssel zu dem Essen angereist war, sowie der Richter des Obersten Gerichtshofs, Séamus Wolfe, dem die Trennung von Legislative und Judikative wohl nicht geläufig ist, klammern sich noch an ihre Jobs. Irland ist und bleibt eine Bananenrepublik – nur ohne die Südfrüchte.

Michael Cawley musste übrigens auch zurücktreten. Er versprach, im September und Oktober Urlaub in Irland zu machen. Zeit genug hat er ja nun.

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Geboren 1954 in Berlin. 1976 bis 1977 Aufenthalt in Belfast als Deutschlehrer. 1984 nach 22 Semestern Studium an der Freien Universität Berlin Diplom als Wirtschaftspädagoge ohne Aussicht auf einen Job. Deshalb 1985 Umzug nach Dublin und erste Versuche als Irland-Korrespondent für die taz, zwei Jahre später auch für Großbritannien zuständig. Und dabei ist es bisher geblieben. Verfasser unzähliger Bücher und Reiseführer über Irland, England und Schottland. U.a.: „Irland. Tückische Insel“, „In Schlucken zwei Spechte“ (mit Harry Rowohlt), „Nichts gegen Iren“, „Der gläserne Trinker“, "Türzwerge schlägt man nicht", "Zocken mit Jesus" (alle Edition Tiamat), „Dublin Blues“ (Rotbuch), "Mein Irland" (Mare) etc. www.sotscheck.net

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kari

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