Betrug bei Dax-Konzern: Wirecard-Chef wieder in U-Haft

Die Staatsanwaltschaft erweitert ihre Vorwürfe gegen den Zahlungsdienstleister Wirecard. Drei Manager wurden festgenommen.

Oberstaatsanwältin Anne Leiding, am Mittwoch vor Journalisten Foto: Michael Dadler/reusters

MÜNCHEN afp | Im Skandal um den insolventen Finanzdienstleister Wirecard hat die Staatsanwaltschaft München I den früheren Vorstandschef Markus Braun wieder festgenommen. Gegen Braun sei ein neuer, erweiterter Haftbefehl erlassen und eröffnet worden, sagte die Sprecherin der Anklagebehörde, Anne Leiding, am Mittwoch vor Journalisten. Zudem seien zwei weitere frühere Vorstände festgenommen worden, darunter der bis 2017 amtierende Finanzvorstand.

Anlass für die Festnahmen war nach Angaben von Leiding, dass die Tatvorwürfe noch mal „ganz erheblich“ erweitert wurden. Seit 2015 hätten die drei Manager die Bilanzsumme und das Umsatzvolumen von Wirecard durch das Vortäuschen von Einnahmen aufgebläht.

Dies habe sich aus der umfassenden Aussage eines Kronzeugen ergeben. „Das Unternehmen sollte finanzkräftiger erscheinen,“ sagte Leiding. Damit habe Wirecard für andere Unternehmen attraktiver sein wollen. Es sei aber spätestens Ende 2015 klar gewesen, dass Wirecard Verluste machte.

Durch die Täuschung hätten Banken in Deutschland und Japan sowie sonstige Investoren 3,2 Milliarden Euro bereit gestellt, die nun „höchstwahrscheinlich“ verloren seien. Strafrechtlich werde den drei Männern gewerbsmäßiger Bandenbetrug, Untreue, unrichtige Darstellung und Marktmanipulation in mehreren Fällen vorgeworfen.

Staatsanwaltschaft erschüttert

Aus ermittlungstaktischen Gründen wollte sich Leiding nicht dazu äußern, welchen Tatbeitrag die Staatsanwaltschaft welchem der Beschuldigten vorwirft. Sie zeigte sich erschüttert durch das Ausmaß der Vorwürfe. „Auch wir fragen uns, wie ein solches System etabliert werden konnte.“

Aussagen deuteten darauf, dass bei Wirecard ein „streng hierarchisches System“ mit einem Korpsgeist und Treueschwüren gegenüber Braun geherrscht habe. „Möglicherweise erklärt das etwas.“

Braun wurde der Sprecherin der Staatsanwaltschaft zufolge festgenommen, als er sich innerhalb der Meldeauflagen für seinen gegen eine Millionenkaution außer Vollzug gesetzten vorherigen Haftbefehl selbst bei der Münchner Polizei meldete. Die beiden anderen Manager seien ebenfalls in München festgenommen worden.

Kontakte zum Bundeskanzleramt

Keine Erkenntnisse konnte Leiding zum möglichen Aufenthaltsort des flüchtigen Ex-Vorstands Jan Marsalek nennen. Zuletzt gab es Gerüchte, er könnte sich in Russland oder Weissrussland aufhalten.

Unterdessen wurden weitere Kontakte zwischen dem Bundeskanzleramt und Wirecard bekannt. Vizeregierungssprecherin Ulrike Demmer bestätigte am Mittwoch, dass der frühere Geheimdienstkoordinator der Regierung, Klaus-Dieter Fritsche, im September 2019 erfolgreich einen Gesprächstermin mit dem Wirtschaftsberater von Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU), Lars-Hendrik Röller, vermittelte.

Schon in der vergangenen Woche war bekannt geworden, dass auch der frühere Bundesverteidigungsminister Karl-Theodor zu Guttenberg in der Regierungszentrale für Wirecard geworben hatte. Das Kanzleramt setzte sich daraufhin während Merkels China-Reise Anfang September 2019 für den dortigen Markteintritt des Dax-Konzerns ein.

Sondersitzung des Finanzausschusses

Der Finanzausschuss des Bundestags widmet sich am Mittwoch kommender Woche in einer Sondersitzung dem Fall Wirecard. Bundesfinanzminister Olaf Scholz (SPD) und Bundeswirtschaftsminister Peter Altmaier (CDU) wollen sich dabei den Fragen der Abgeordneten stellen. Zu Forderungen nach einem Erscheinen auch von Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) sagte Demmer dagegen, sie gehe davon aus, „dass sie nicht daran teilnimmt“.

Der Grünen-Finanzexperte Danyal Bayaz nannte die Verstrickung der Bundesregierung in den Fall Wirecard in Berlin „geradezu surreal“ und forderte umfassende Aufklärung. Die Grünen-Politikerin Lisa Paus drang in der „Rheinischen Post“ auf „strukturelle Reformen“ bei der Finanzaufsichtsbehörde Bafin.

Einmal zahlen
.

Fehler auf taz.de entdeckt?

Wir freuen uns über eine Mail an fehlerhinweis@taz.de!

Inhaltliches Feedback?

Gerne als Leser*innenkommentar unter dem Text auf taz.de oder über das Kontaktformular.

Bitte registrieren Sie sich und halten Sie sich an unsere Netiquette.

Haben Sie Probleme beim Kommentieren oder Registrieren?

Dann mailen Sie uns bitte an kommune@taz.de.